"Belgien weint um seine Opfer", titelt La Dernière Heure. "Zusammen stark sein", so die Schlagzeile bei Gazet van Antwerpen. "Wer verlor den Selbstmordattentäter aus den Augen?", fragt De Morgen auf Seite eins.
Auch am zweiten Tag nach den Terroranschlägen in Brüssel beherrscht dieses Ereignis die Berichterstattung der Zeitungen. Nach der allgemeinen Betroffenheit unmittelbar nach den Anschlägen mischen sich jetzt auch schon kritische Töne in die Beiträge.
Het Laatste Nieuws allerdings findet in seinem Leitartikel viel Lob für die Regierung: Charles Michel und seine Minister haben aus den Anschlägen von Paris gelernt. In den Tagen danach, als klar war, dass die Attentäter von Molenbeek aus gehandelt hatten, wurde panisch reagiert. Terrorwarnstufe 4, überhastete Aktionen, hektisches Hin und Her. Das hat die Bevölkerung verunsichert, letztlich aber nichts gebracht. Eine umfassende Sicherheit konnte der Staat nicht garantieren. Das haben die Anschläge in Brüssel gezeigt. Deshalb ist die Zurückhaltung der Regierung jetzt genau das Richtige. Keine neue Sicherheitsmaßregeln, die Hals über Kopf getroffen werden, keine Versprechen, die man nicht halten kann. Das ist ehrlich und so muss es sein, findet Het Laatste Nieuws.
"Der Tag der Trauer hat gut getan"
La Dernière Heure schreibt: Der Tag gestern war ein Tag der Trauer. Das hat gut getan. Wir brauchen diese Zeit, um zu verarbeiten, was geschehen ist. Unseren Gefühlen freien Lauf lassen, menschliche Wärme spüren, sich bewusst machen, dass etwas Schreckliches passiert ist, wir aber weiter machen werden: Ja; das ist jetzt nötig. Denn andere Zeiten werden rasch kommen, ganz von alleine. Nämlich die Zeiten der Kritik und der politischen Schuldzuweisungen, meint La Dernière Heure.
Dass diese Zeiten bereits begonnen haben, macht La Libre Belgique deutlich: Belgien erlebt gerade viel Mitgefühl aus anderen Ländern - aber es gibt auch Kritik. Die ist oft völlig deplatziert. Belgien wird in den Dreck gezogen, als Mülltonne der Dschihadisten bezeichnet, als ein Land ohne Regeln und Überwachung. Dabei war es Belgien, das Terrorzellen entdeckt hat und einen Salah Abdeslam lebend gefasst hat. Trotzdem ist ein Aspekt der Kritik sicher richtig. Belgien hat mit der Zeit eine nationale Perspektive verloren, die natürlich wichtig in der Terrorbekämpfung ist. Doch dafür gibt es auch nachvollziehbare Gründe. Belgien ist ein kompliziertes Land. Zu viele Interessen gilt es hier unter einen Hut zu bekommen. Das vergessen unsere Kritiker zu gerne. Weil sie meist nichts von Belgien verstehen. Und noch eins: Gibt es irgendwo schon den Staat, der ein Rezept dafür gefunden hat, wie man sich der Seuche des Terrorismus wirksam entledigt, fragt rhetorisch La Libre Belgique.
Journalisten verwechseln Molenbeek und Maelbeek
Ganz ähnlich sieht es Le Soir. Wir müssen das Geschehene aufarbeiten, mit klarem Kopf und einer deutlichen Sprache. Und da hilft es wenig, wenn ausländische Journalisten, die Molenbeek und Maelbeek miteinander verwechseln, Belgien abwertend als hoffnungslosen Fall bezeichnen, und französische Experten über Brüssel urteilen, obwohl sie die Stadt noch nie betreten haben. Das bringt uns nicht weiter. Viel mehr brauchen wir eine emotionslose Analyse und klare Worte in der Kritik, auch uns selbst gegenüber. Wir müssen loskommen von ideologischen Standpunkten und die Dinge, die zu den Attentaten in Brüssel geführt haben, unvoreingenommen ansprechen. Nur so können wir Lösungen finden für die Zukunft. Das sind wir letztlich auch den Opfern schuldig, findet Le Soir.
Die kritischen Fragen an die Politik sprechen die meisten flämischen Zeitungen bereits offen aus. So schreibt De Morgen: "Eine peinliche Frage drängt sich auf: Wenn den Geheimdiensten die Attentäter von Dienstag bereits bekannt gewesen sind, wie konnte es dann sein, dass man sie nicht aufgehalten hat? Die Frage nach der politischen Verantwortung wird unvermeidbar sein, glaubt De Morgen.
Auch Het Nieuwsblad findet: In dem Moment, als die Bomben hochgingen, hatten die Sicherheitsdienste versagt. Das bedarf natürlich der Aufklärung.
Und auch für De Standaard machen die Attentate das Versagen des belgischen Staates deutlich. "Wer wird dafür die Verantwortung übernehmen?", fragt sich die Zeitung.
Hoffnung auf europäische Lösung
Het Belang van Limburg versucht, konstruktiv in die Zukunft zu schauen: Rache ist dabei ein schlechter Ratgeber. Wir brauchen jetzt einen langfristig angelegten Aktionsplan, den wir auch konsequent umsetzen müssen. Und wer dabei nicht mitmachen will, hat in unsere Gesellschaft keinen Platz, so Het Belang van Limburg.
L'Écho setzt seine Hoffnung auf das heutige Treffen der EU-Justiz- und Innenminister in Brüssel: Die beste Antwort auf die Terroranschläge könnte schon heute gegeben werden. Nämlich in dem Beschluss der EU-Minister, eine Art europäisches FBI zu gründen. Nur europäisch kann das Terrorproblem gelöst werden. Das Beharren auf nationalen Strukturen hingegen macht es den Terroristen leicht, glaubt L'Écho.