"Zwei Terroristen sind weiter auf freiem Fuß", titelt L'Avenir. "Die Hetzjagd geht weiter", so die Schlagzeile von Le Soir. Die beiden mutmaßlichen islamistischen Terroristen, die sich am Dienstag in Forest Schusswechsel und eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert haben, sind weiter flüchtig. Zwei Verdächtige, die am Dienstagabend festgenommen wurden, sind inzwischen wieder freigelassen worden. Heißt also: Zwei Männer, die wohl über Kriegswaffen verfügen, laufen im Moment frei herum. "Die Polizei ist in erhöhter Alarmbereitschaft", notiert denn auch Le Soir.
"Zwei Terroristen laufen frei herum"
Zwar stießen die Ermittler eher zufällig auf die Terrorzelle in Forest, offensichtlich erfolgte der Zugriff aber keine Sekunde zu früh. "Die Dschihadisten standen wohl kurz davor, loszuschlagen", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Einer der drei wurde am Dienstag von einem Scharfschützen erschossen. "Er hätte sich gar nicht mehr in Belgien befinden dürfen", stellt La Dernière Heure fest. Der Algerier hielt sich illegal in Belgien auf und war vor zwei Jahren des Landes verwiesen worden. Die Identität der beiden noch flüchtigen Terroristen ist noch unklar. "Es gibt keinen einzigen Namen und keine einzige Spur", konstatiert Het Laatste Nieuws. La Dernière Heure hingegen bleibt bei seiner Meldung von gestern, wonach es sich bei den beiden Männern um die Gebrüder El Bakraoui handeln soll.
"Sie hassen uns", zitiert das Blatt darüber hinaus einen bekannten Anwalt, der seit 20 Jahren Terroristen vor Gerichten verteidigt. Seine bange Prognose: "Das Alles ist erst der Anfang, das Schlimmste kommt erst wohl noch".
Forest - das zweite Molenbeek?
Jetzt steht derweil auch die Brüsseler Stadtgemeinde Forest "im Scheinwerferlicht der Weltpresse", wie etwa Le Soir berichtet. Und einige Zeitungen stellen ganz offensiv die Frage: "Ist Forest das zweite Molenbeek?".
Selbst für örtliche Politiker fällt das Problem jedenfalls nicht vom Himmel. "In den letzten zehn, fünfzehn Jahren habe ich gesehen, wie sich meine Gemeinde verändert hat", sagt etwa der Groen-Politiker Luckas Vander Taelen, ehemaliger Schöffe von Forest, in Het Nieuwsblad. In Forest braue sich ein gefährlicher Cocktail zusammen.
Einige Zeitungen teilen diese Ansicht. Nicht vergessen, meint etwa Het Nieuwsblad: Forest und Molenbeek spielen in demselben Brüsseler Orchester, wo 19 Gemeinden quasi nur der eigenen Partitur folgen. 19 Gemeinden, die im Wesentlichen ihr eigenes Süppchen kochen. Und aus diversen Gründen hat man das Problem der zunehmenden Radikalisierung in einigen Vierteln mehr oder weniger ignoriert. Durch diese Vogel-Strauß-Politik sind Ghettos entstanden, Parallelwelten, in denen flüchtige Terroristen ganz offensichtlich aufgefangen werden und problemlos untertauchen können.
Wie in Molenbeek gilt auch in Forest die klassische Brüsseler Dreifaltigkeit, meint Het Laatste Nieuws: Moslem, arbeitslos, arm. Das ist der ideale Nährboden für Radikalisierung. Und die Politik schaut weg. Luckas Vander Taelen formuliert es so: Es steht ein Elefant im Gemeindehaus, und niemand findet das seltsam. Resultat: In gewissen Vierteln ist "radikal" das neue Normal. Schuld ist ganz klar die Laxheit insbesondere der Brüsseler Behörden.
Mit der Bedrohung leben
Stichwort: "Das neue Normal". Unsere Gesellschaften, wir alle, werden sich wohl an die Bedrohungslage gewöhnen müssen, glauben einige Zeitungen. Streng genommen sind die spektakulären Ereignisse von Forest nicht wirklich außergewöhnlich, meint etwa L'Avenir in seinem Leitartikel. Denn nicht vergessen: Es galt und gilt ja nach wie vor Terrorwarnstufe drei. Allerdings wurden wir am Dienstag alle daran erinnert, dass wir mehr denn je wachsam sein müssen. Damit müssen wir leben, allerdings ohne in Paranoia zu verfallen und ohne die demokratische Kontrolle, insbesondere der Sicherheitskräfte, aufzugeben.
Der Kampf gegen den Terrorismus ist jedenfalls nicht von vornherein verloren, ist De Standaard überzeugt. Forest hat auch gezeigt, wie eng die belgischen Sicherheitskräfte inzwischen etwa mit den französischen Kollegen zusammenarbeiten. Denn das ist der Schlüssel. Und vor diesem Hintergrund sollte man sich in Brüssel die Frage stellen, ob eine Zersplitterung mit 19 Gemeinden und sechs Polizeizonen wirklich der richtige Weg ist.
Räuber in Uniform
In den flämischen Zeitungen wird die Terroristenjagd aber inzwischen durch ein anderes Ereignis von den Titelseiten verdrängt. "Die Antwerpener Polizei wird von einem Skandal erschüttert", so die Aufmachergeschichte von De Standaard. "Die Antwerpener Polizei steht erneut im Zwielicht", schreibt De Morgen. Wohl nicht umsonst sprechen der Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever und auch der örtliche Polizeichef von "sehr schwerwiegenden Vorwürfen", die da im Raum stehen.
"Vier Polizisten festgenommen, weil sie Illegale erpresst haben", titelt Het Nieuwsblad. "Polizisten bestehlen Illegale", schreibt auch Het Laatste Nieuws. Demnach sollen die Beamten auf eigene Faust Razzien organisiert haben, und zwar im Milieu der illegal in Belgien lebenden Ausländer. Denen haben die Polizisten in Uniform dann mit vorgehaltener Waffe die Wertgegenstände abgenommen. Die vier Verdächtigen "sitzen inzwischen im Gefängnis", notiert Gazet van Antwerpen.
Es ist was faul in Antwerpen, glaubt De Morgen. Es ist nämlich längst nicht das erste Mal, dass die Antwerpener Polizei für Negativschlagzeilen sorgt. Das ist freilich nicht die Schuld des Bürgermeisters, doch ist De Wever immer noch der politisch Verantwortliche. Allerdings wäre er gut beraten, sich aus dieser Sache herauszuhalten und die Justiz ihre Arbeit machen zu lassen.
Roger Pint - Bild: Bruno Fahy/BELGA