"Russland legt in Syrien den Rückwärtsgang ein", titelt Le Soir. "Putin überrascht Freund und Feind", schreibt De Standaard. "Moskau ordnet den Abzug eines Großteils seiner Soldaten an", bemerkt De Morgen. Seit mehreren Monaten greift Russland im Syrienkrieg ein, um den Verbündeten Assad zu unterstützen. "Mission erfüllt", erklärte aber gestern überraschend der russische Präsident Wladimir Putin. Den Schritt sieht der Kreml-Chef auch als Signal für die derzeit laufenden Friedensgespräche in Genf.
Le Soir hält fest: Den Friedensnobelpreis wird Putin dafür sicher nicht bekommen. Auch die Aussage, dass die Ziele des russischen Militäreinsatzes "weitgehend erfüllt" worden seien, sieht die Zeitung kritisch - richteten die russischen Luftangriffe sich doch meist nicht gegen die Terrorgruppe IS.
Morgen wird ein trauriger Jahrestag begangen: Vor genau fünf Jahren entwickelten sich zunächst friedliche Proteste gegen das Assad-Regime zu einem blutigen Bürgerkrieg. 270.000 Tote und Millionen Vertriebene später weiß niemand, wie es jetzt weitergehen soll, zieht De Morgen Bilanz. Es war Baschar al-Assad, der mit seiner Unnachgiebigkeit und seinem brutalen Vorgehen gegen die Demonstranten das Land in die teuflische Gewaltspirale gebracht hat. Es folgte die planlose Einmischung regionaler und globaler Mächte in den Konflikt; und auch den mittelalterlichen und barbarischen Extremismus des IS sollte man nicht vergessen.
Die Radikalisierung des Bürgerkriegs in Syrien hat dazu geführt, dass die Positionen aller Beteiligten inzwischen komplett unvereinbar scheinen, analysiert La Libre Belgique. Das Blatt glaubt nicht, dass die zerstrittenen Parteien sich eines Tages zusammenraufen und eine Übergangsregierung der nationalen Einheit bilden können. Stattdessen schlägt die Zeitung einen anderen Weg vor: Die Konfliktparteien sollten unpolitischen Technokraten die Bühne überlassen. Nur so kann das Land noch befriedet werden.
"Unsere Zukunft ist sowieso zerstört", erklärt ein syrischer Journalist in De Morgen. "Aber wir müssen jetzt alles daran setzen, unseren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen."
Wahlabsichten: Die flämischen Nationalisten sacken ab
"Die N-VA muss Federn lassen", titelt De Standaard. Nach einer Umfrage der Zeitung rutschen die flämischen Nationalisten in der Wählergunst auf 27 Prozent ab - ihr schlechtestes Ergebnis seit sechs Jahren. Offenbar zahlt die Partei von Bart De Wever die Zeche für ihre Beteiligung an der Föderalregierung. Und weil die Umfrage bereits vor ein paar Tagen durchgeführt wurde, ist das Haushaltsdesaster, an dem die N-VA eine Mitschuld trägt, noch gar nicht berücksichtigt, fügt die Zeitung hinzu.
Charles Michel stellt dagegen einen Beliebtheitsrekord in Flandern auf: Der Premierminister schafft es auf 71 Prozent Zustimmung und verdrängt damit den bisherigen Titelhalter Guy Verhofstadt. Eine Bruchlandung legt derweil der flämische N-VA-Ministerpräsident Geert Bourgeois hin mit einem "grottenschlechten" Ergebnis von nur knapp über 50 Prozent.
Das Grundproblem dieser Mitte-Rechts-Regierungen bleibt, stellt De Standaard fest: N-VA, CD&V und OpenVLD fischen im selben Wählerteich. Was die Koalition jetzt braucht, ist ein Nichtangriffspakt, ansonsten halten die Parteien es nicht mehr bis zum Ende der Legislaturperiode durch.
Die dicke Rechnung wird kommen
Het Belang van Limburg meint mit Blick auf das Haushaltsloch: Die CD&V hat jetzt endlich bewiesen, was sie schon immer beweisen wollte. Die N-VA kann es nicht besser als andere Parteien. Auch sie kocht in Sachen Finanzen nur mit Wasser und hat sich ein selbstgemachtes Haushaltsloch eingebrockt. Von dieser zwar richtigen Einsicht können wir uns trotzdem nichts kaufen, beklagt sich die Zeitung.
Die Regierung Michel rechnet sich den Haushalt schön, prangert Het Laatste Nieuws an und spricht von "Selbstbetrug". Die kommenden Haushalte werden dadurch nur noch schwieriger zu schnüren sein. Eines Tages wird die dicke Rechnung für soviel Feigheit kommen. Vielleicht noch für uns, vielleicht erst für unsere Kinder - dann aber mit saftigen Zinsen.
Arbeitslosenquote: In 60 Jahren von zwei auf neun Prozent
"Die Zahl der Arbeitslosen hat sich in den letzten 60 Jahren verdreifacht", berichtet Le Soir aus einer Langzeitstatistik des Landesamts für Arbeitsbeschaffung. 1954 gab es gerade einmal 170.000 Arbeitslose, gemessen an der damaligen Bevölkerung betrug die Quote nur knapp zwei Prozent. Heute sind in Belgien über 600.000 Menschen ohne Job - fast neun Prozent der Bürger im arbeitsfähigen Alter. Besonders viele Arbeitsplätze haben die Ölkrise in den 1970ern, der Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie sowie die Finanzkrise von 2008 vernichtet.
Glücklicherweise sind die Zahlen inzwischen wieder leicht rückläufig. Die Zeitung glaubt aber, dass wir so etwas wie die Quasi-Vollbeschäftigungs-Rate der "Goldenen Sechziger" vermutlich nicht mehr erleben werden.
Bild: Ivan Sekretarev (afp)