"Der Staat muss mindestens 2,2 Milliarden Euro finden", titelt La Libre Belgique. "Haushaltsloch von 2,2 Milliarden - Jeder zeigt mit dem Finger auf jeden", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Für De Morgen ist "die N-VA im Fadenkreuz".
Seit Dienstag hat die Regierung ihr Haushaltsloch sozusagen schriftlich. Nach Berechnungen des sogenannten Monitoring-Komitees fehlen 2,2 Milliarden, damit Belgien den EU-Haushaltsnormen entspricht. Das ist aber nicht alles: Wenn die Regierung, wie versprochen, 2018 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen will, dann muss sie über drei Milliarden auftreiben. Und das ist immer noch nicht alles: In beiden Fällen wurden die Kosten für die Flüchtlingskrise noch nicht mit einberechnet. Man setzt darauf, dass die EU das als "außergewöhnliche Zahlung" betrachtet, die dann nicht im laufenden Haushalt verbucht werden müsste. "Das allerdings ist noch längst nicht klar", warnt die belgische EU-Kommissarin Marianne Thyssen in Het Belang van Limburg. Hier geht es um immerhin rund 650 Millionen Euro, um die sich das Haushaltsloch also nochmal vergrößern könnte.
Panzerfaust gegen Haushaltsloch
"Wer ist schuld?", so lautet jetzt also die Frage aller Fragen. Und hier erwartet uns wohl eine neue Runde "Schwarzer Peter", orakelt Het Laatste Nieuws. Für OpenVLD und CD&V trägt hier die N-VA die Verantwortung, die ja mit Johan Van Overtveldt den Finanzminister stellt. Die flämischen Nationalisten beschuldigen ihrerseits die anderen Parteien, nicht genug gespart zu haben.
In jedem Fall muss das Loch gestopft werden und La Libre Belgique schwant da Übles: "Die N-VA will die Panzerfaust auspacken, um in der Sozialen Sicherheit zu sparen", schreibt das Blatt. Anscheinend bereitet die Nationalistenpartei schon eine Liste von drastischen Beschneidungen der Staatsausgaben vor.
Albtraum, Blamage, Nagelprobe
Dieses Haushaltsloch ist in jedem Fall ein politischer Albtraum, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Und für die Regierung Michel wird die jetzt anstehende Haushaltskontrolle wohl zur bisher größten Herausforderung. Hier geht es um mehr als nur die Glaubwürdigkeit einiger Regierungsparteien, hier geht es quasi um ihr Selbstverständnis. Hatten einige nicht versprochen, jetzt, ohne die Sozialisten, den Staat wirklich mal auf Vordermann zu bringen? Diese Regierung hat es sich zur Mission gemacht, die Staatsfinanzen zu sanieren und die Wirtschaft dynamischer zu machen. Wenn sie darin scheitert, dann verliert sie ihre Existenzberechtigung.
Die linksliberale Zeitung De Morgen geht noch einen Schritt weiter. Jetzt stellt sich die Gretchenfrage, meint das Blatt: Soll man weitermachen oder doch hinschmeißen? Die Frage ist tatsächlich, ob dieses viel gescholtene "Kabbel-Kabinett" noch die Kraft und den Zusammenhalt besitzt, diesen Haushalt wieder in die Spur zu bringen. Schon jetzt ist das Ganze eine einzige Blamage. Wir erinnern uns noch an den damaligen Ökonomen und Journalisten Johan Van Overtveldt, der sich vor einigen Jahren über die ständigen Haushaltssorgen der Regierung Di Rupo lustig machte.
Die Regierung Michel ist erstmal mit Pauken und Trompeten durchgefallen, meint auch Het Belang van Limburg. Und die Ergebnisse sind so desaströs, dass sich wirklich die Frage stellt, ob die Koalition da in der zweiten Prüfungssitzung noch die Kurve kriegen kann.
Der saure Apfel
Jetzt oder nie!, appelliert seinerseits Het Laatste Nieuws an die Regierung. Jetzt kommt der ominöse "saure Apfel" ins Spiel, von dem N-VA-Chef Bart De Wever schon vor zwei Jahren gesprochen hatte. Wenn die Regierung es ernst meint, mit ihrem Ziel, 2018 eine schwarze Null zu schreiben, dann muss sie jetzt Farbe bekennen. Dann muss sie jetzt bereit sein, sowohl dem Kleinen Mann als auch den großen Betrieben gegen den Strich zu gehen. Dann muss man jetzt auch den eigenen Wählern klarmachen, dass dieses ganze Land über seine Verhältnisse lebt. Es kann nicht angehen, dass wir weiterhin unsere Schulden auf dem Rücken unserer Kinder machen. Zeit für den sauren Apfel!
Europa zwischen Verzweiflung und Wunschtraum
Le Soir kommt in seinem Leitartikel noch einmal auf die Ergebnisse des EU-Türkei-Gipfels von Montagnacht zurück. Dabei gab es zwar einige grundsätzliche Einigungen, ein definitives Abkommen ist aber noch nicht spruchreif. Und Le Soir glaubt auch nicht an eine wirklich dauerhafte Lösung. Die Maßnahmen, die jetzt auf den Tisch liegen, stehen auf juristisch wackligen Beinen. Die EU-Staaten sind gespaltener denn je. Und angesichts des Drucks der Öffentlichen Meinung in einigen Ländern wird das wohl eher schlimmer als besser. Und dann ist da noch die Türkei: Wie ratlos muss man sein, wenn man sich von einem Land abhängig macht, das sich wie ein Erpresser aufführt und ganz nebenbei auf den direkten Weg zur Diktatur ist? Der Gipfelbeschluss, es ist ein Abkommen unter Verzweifelten.
"Das Europa, das wir uns wünschen", das glaubt indes L'Écho gefunden zu haben. Die belgische EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hat jetzt einen Vorschlag zur Bekämpfung von Sozialdumping vorgelegt. Grob zusammengefasst soll damit verhindert werden, dass billige Arbeitskräfte aus anderen Mitgliedstaaten den heimischen Kollegen Konkurrenz machen und sie am Ende verdrängen. Zwar dürften insbesondere die östlichen EU-Staaten über diesen Vorschlag wenig begeistert sein, sollte sich aber Marianne Thyssen durchsetzen, dann wäre das vielleicht der Anfang für ein wirklich sozialeres Europa.
Gefährliche Landwirtschaft?
"Die CD&V will eine Kronzeugenregelung", so die Aufmachergeschichte von De Standaard. Auf diese Weise will man erreichen, dass Schwerverbrecher aus ihrem Milieu aussteigen und mit den Behörden zusammenarbeiten. Im Gegenzug bekäme man dann Strafnachlass. Der Vorschlag wird heute im zuständigen Kammerausschuss besprochen...
Seltsame Geschichte schließlich auf Seite eins von L'Avenir: "Neun Krebsfälle in einer Straße: Ist die Landwirtschaft schuld?", fragt sich die Zeitung. Besagte Straße liegt in Fernelmont bei Namur. Da stehen zwölf Häuser; und in neun davon ist einer der Bewohner an Krebs erkrankt. Eine Anwohnerin stellt sich die Frage, ob es hier nicht einen Zusammenhang mit der intensiven Landwirtschaft gibt, die in der Gegend praktiziert wird.
mitt/rs - Bild: John Thys/AFP