"Bei Negativzins werden Sparkonten leergeräumt", titelt L'Echo. Laut einer Umfrage der Zeitung wollen knapp 90 Prozent der Belgier ihre Sparbücher teilweise oder sogar ganz leeren, wenn der Zinssatz der Banken unter null Prozent fallen sollte - sie also dafür bezahlen müssten, ihr Geld bei der Bank zu parken.
Derzeit kann das nicht passieren, weil es in Belgien eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestrendite gibt. Der Zinssatz darf nicht unter 0,11 Prozent fallen. Immer mehr Banken fordern aber eine Abschaffung der Regelung. Die Mindestrendite sei angesichts der Strafzinsen, die sie selbst bei der Europäischen Zentralbank zahlen müssen, unhaltbar.
L'Echo meint: Die Botschaft der Belgier an die Finanzwelt ist unmissverständlich. Bevor er für seine Einlagen draufzahlen müsste, würde jeder Dritte sein Geld sogar zu Hause unter der Matratze bunkern. Nur 14 Prozent der Befragten wären bereit, die Banken gewähren zu lassen und sich für die Aufbewahrung ihres eigenen Geldes in die Tasche greifen zu lassen. Das Wirtschaftsblatt hält die Banken für besonders dreist: Nach den Steuerzahlern will die Bankenlobby jetzt die Sparer zur Kasse bitten. Wie wäre es, wenn die Finanzhäuser zu erst einmal ihre Dividenden zurückfahren und zur Abwechslung mal ihre Aktionäre zahlen lassen, anstatt immer nur den Steuerzahler? Der musste ja schon 2008 unverschuldet bei der Bankenkrise einspringen.
Ein "ganz kleines Licht" im Haushaltsloch
Het Laatste Nieuws befasst sich mit dem Haushaltsloch von zwei Milliarden Euro. Schuld sind nach Angaben von Finanzminister Johan Van Overtveldt Fehlberechnungen seines Ministeriums. Die erwarteten Steuereinnahmen seien um mehr als eine Milliarde zu hoch eingeschätzt worden. Der Vorsitzende des Finanzausschusses in der Kammer, Eric Van Rompuy (CD&V), nennt Van Overtveldt ein "ganz kleines Licht", weil der N-VA-Minister die Verantwortung für das Defizit auf seine Untergebenen abwälze.
Het Nieuwsblad meint: Statt gemeinsam nach Lösungen zu suchen, beschäftigen sich die flämischen Nationalisten und Christdemokraten mal wieder mit gegenseitigen Vorwürfen. Der Dauerstreit auf Kindergartenniveau geht also in eine neue Runde. Het Laatste Nieuws konstatiert: In Sachen Haushaltsdisziplin ist die Regierung Michel keinen Deut besser als die so verteufelte Equipe Di Rupo. Und das ausgerechnet von einem Mitte-Rechts-Bündnis.
Von feuchten Händedrücken und Pantoffeln
"Die CD&V sitzt viel zu weit links", erklärt Staatssekretär Pieter De Crem in De Morgen. Für ihn sei es kein Rätsel, warum seine Partei bei den Umfragen schwächelt. Die CD&V habe sich in den rechtsliberalen Regierungen viel zu weit im linken Spektrum positioniert. Von Anfang an hätten die Christdemokraten zwar den Schulterschluss mit den Gewerkschaften gesucht. Ihr Einsatz für die Arbeitnehmervertreter habe ihnen aber noch nicht einmal einen feuchten Händedruck des Dankes eingebracht. "Wir müssen unser Profil schärfen und unsere eigenen Ideen wieder mehr in den Vordergrund stellen", sagt De Crem in dem Interview.
"Chastel weist De Wever in die Schranken", titelt Le Soir. MR-Chef Olivier Chastel kommt in einem Gespräch mit der Zeitung auf diverse polemische Aussagen des N-VA-Vorsitzenden Bart De Wever zurück. "Damit zermürbt sich De Wever nur selbst", so Chastel. Er sei es leid, immer wieder auf die Vorstöße des Nationalisten-Chefs reagieren zu müssen. Das Gepoltere aus Antwerpen habe aber keine Auswirkungen auf die Föderalregierung. Die N-VA-Minister leisteten hervorragende Arbeit und hielten sich genau an das Koalitionsabkommen. Im Gegensatz zu ihrem Parteichef, der mit seinen umstrittenen Äußerungen zur Flüchtlingskrise, der Genfer Konvention, Schengen und Griechenland nur seine Wähler am rechten Rand bei Laune hält. Le Soir begrüßt, dass Chastel auf Distanz zu De Wever geht. Das Blatt meint auch zu wissen, warum er das jetzt tut: Die MR will nicht länger den Eindruck erwecken, unter dem Pantoffel der N-VA zu stehen.
Beim Kaffee in Knokke klicken die Handschellen
"René wird auspacken", ist L'Avenir überzeugt. Nach knapp drei Wochen auf der Flucht ist der wallonische Buchhalter, der beim Amt für Abfallwirtschaft mehr als zwei Millionen Euro in die eigene Tasche abgezweigt haben soll, gestern gefasst worden. Aber nicht, wie viele erwartet hätten, cocktailschlürfend am Strand von Rio de Janeiro oder in der Karibik, sondern in einem Café in Knokke. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Mit 64 Jahren hat René Tonneaux nichts mehr zu verlieren, glaubt die Zeitung. Er wird den Ermittlern also alles erzählen und so hoffentlich dabei helfen, die Misswirtschaft in der wallonischen Verwaltung aufzudecken, die es ihm überhaupt erst ermöglichte, das Geld zu unterschlagen.
Gauck spricht über Flüchtlingskrise, Atomkraftwerke und Fußball
Wenige Tage vor seinem Staatsbesuch in Belgien meldet sich Joachim Gauck in De Standaard, La Libre Belgique und dem GrenzEcho zu Wort. Der deutsche Bundespräsident hofft weiter auf eine gemeinsame europäische Lösung in der Flüchtlingskrise. Die aktuellen Probleme könnten auch ein Weckruf sein: "Entweder wir suchen gemeinsam nach einer Lösung oder wir verlieren individuell und auch als Gemeinschaft an Einfluss in der Welt", sagt Gauck.
Auch über die Sorgen vieler Deutscher über die belgischen Atomkraftwerke äußert er sich: Wichtig sei, dass man sich sachlich mit solchen Themen auseinandersetze. Ziel sei es, gemeinsame Lösungen zu suchen. Gauck bringt außerdem seine Begeisterung für Belgiens Kultur und die "sehr gute Fußball-Nationalmannschaft" zum Ausdruck.
Alain Kniebs - Archivbild: Tobias Schwarz/AFP