"Chaos an den europäischen Grenzen", titelt De Morgen. "Ausschreitungen in Mazedonien - Europa ist gespalten", so die Schlagzeile von L'Echo.
An der griechisch-mazedonischen Grenze ist es gestern zu Ausschreitungen gekommen. In der Ortschaft Idomeni sind inzwischen rund 7.000 Flüchtlinge gestrandet. Mazedonien hat die Grenze mehr oder weniger geschlossen. Einige Flüchtlinge haben gestern versucht, den Zaun mit Gewalt zu durchbrechen. "Mit dem Rammbock gegen die Festung Europa", so denn auch die Schlagzeile von De Standaard.
Die mazedonische Polizei hielt dagegen: "Wenn der Zaun nicht mehr ausreicht, dann gibt es ja noch Tränengas", bemerkt zynisch Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Zu sehen ist ein kleines Mädchen, das nach Luft ringt. "Tränengas gegen Kinder", schreibt auch Het Belang van Limburg auf seiner Titelseite.
Ähnliche Bilder gab es gestern auch aus dem französischen Calais. Die Polizei hat damit begonnen, das dortige Flüchtlingslager, den sogenannten Dschungel, teilweise zu räumen. Auch dabei kam es zu Ausschreitungen. "Vom Dschungel in die Hölle", schreibt denn auch De Morgen. All diese Ereignisse sind nur eine weitere Illustration für die Unfähigkeit der Europäer, sich auf einen gemeinsamen Politikansatz zu verständigen, notiert dazu L'Echo.
Orbán oder Merkel?
Wer?, fragt sich L'Avenir in seinem Leitartikel. Wer hat die Fähigkeit, Europa aus diesem Schlamassel herauszuholen? Konsterniert müssen wir feststellen, dass inzwischen in Europa nur noch eine Maxime gilt: "Jeder für sich". Die "gemeinsame" europäische Politik ist alles, nur eben nicht mehr gemeinsam. Die EU braucht jetzt politische Verantwortungsträger, um nicht zu sagen "Heilsbringer", die die Legitimität und die Kragenweite haben, hier eine Schubumkehr herbeizuführen.
Orbán oder Merkel?, fragt sich provokativ De Morgen. Offensichtlich hat Europa nur noch die Wahl zwischen diesen beiden Richtungen. Einmal mehr versucht die deutsche Bundeskanzlerin, die europäischen Hardliner vor ihre Verantwortung zu stellen. Und wieder erntet sie dafür fast schon Hohngelächter vom ungarischen Premier Viktor Orbán, dessen Haltung übrigens hierzulande von Bart De Wever geteilt wird. Schon sehr bald wird es in dieser Frage zum Showdown kommen. In Kürze stellt sich die Wahl: Entweder Griechenland bricht zusammen oder aber man organisiert doch noch eine innereuropäische Verteilung der Flüchtlinge. Orbán oder Merkel?
Hier geht es längst nicht mehr um Ehre oder Gesichtswahrung, fügt De Standaard hinzu. Ehrenhaft ist in dieser unseligen Geschichte längst nichts mehr. Für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel geht es auch nicht mehr um die Frage, ob ihre Herangehensweise politisch opportun ist, sondern nur noch um "die verdammte Pflicht", einen gemeinsamen, europäischen Weg zu finden.
"Man hätte die Anschläge von Paris verhindern können"
Spektakuläre Aufmachergeschichte heute in L'Echo: "Im Juli 2014 wusste man alles über die Gebrüder Abdeslam", schreibt das Blatt. Demnach hat die Antiterroreinheit der Föderalen Kriminalpolizei schon im Juli 2014 die Information bekommen, dass die Gebrüder Abdeslam einen Anschlag planten. Die Quelle wurde als glaubwürdig eingeschätzt. "Und doch reichte das nicht, dass bei den Behörden alle Alarmglocken schrillten", schreibt L'Echo. Das Fazit eines nicht genannten Beamten ist schonungslos: "Man hätte die Anschläge von Paris verhindern können".
L'Echo hat hier sozusagen ein Déjà-vu-Erlebnis. Wieder sind Ermittlungen gescheitert, weil Informationen nicht oder nur teilweise kommuniziert wurden. Angesichts des damaligen Kenntnisstandes der Ermittler ist es unerklärlich, dass die Gebrüder Abdeslam den Antiterrorbehörden durch die Maschen geschlüpft sind. Das soll ja nicht heißen, dass in letzter Zeit alles schief gelaufen ist. Man muss aber den Mut haben, über mögliche Fehlentwicklungen zu sprechen.
Wallonische Dämonen und flämische Turtelsteuer
Apropos Fehlentwicklungen: "Die alten Dämonen der Wallonie sind wieder da", titeln sinngemäß Le Soir und L'Avenir. Hier geht es um den Betrugsfall beim wallonischen Amt für Abfallwirtschaft, OWD. Dort hat ein Buchhalter rund zwei Millionen Euro in die eigene Tasche abgezweigt. Ein parlamentarischer Sonderausschuss geht jetzt der Frage nach, wie das passieren konnte. Dabei haben die Verantwortlichen der wallonischen Verwaltung im Wesentlichen alle Schuld von sich gewiesen. Allerdings hatte der Rechnungshof schon vor Jahren zusätzliche Kontrollen angemahnt.
Die Wallonie findet sich erneut in einem Albtraum wieder, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Klar, hier darf man nichts verallgemeinern. Die Geschichte steht nicht stellvertretend für den Zustand der gesamten Verwaltung. Allerdings muss man feststellen: In der Wallonie schaltet man immer noch allzu schnell auf Durchzug, werden immer noch Warnungen in den Wind geschlagen. Die alten wallonischen Dämonen, sie sind hart im Nehmen.
In Flandern tritt derweil heute die sogenannte "Turteltaks" in Kraft. Mit der Abgabe, die nach der zuständigen Ministerin Annemie Turtelboom benannt ist, sollen die Haushaltslöcher gestopft werden, die durch die Übersubventionierung von Photovoltaikanlagen entstanden sind. Im nördlichen Landesteil ist die Steuer seit Monaten Dauerbrennerthema. Kritisiert wird insbesondere, dass die Abgabe etwa für Alleinstehende unverhältnismäßig hoch ausfällt.
Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen hoffen hier auf den Verfassungsgerichtshof. Dort hat die Verbraucherschutzorganisation Test-Achats eine Klage gegen die Turteltaks hinterlegt. Man könnte fast meinen, dass auch die flämische Regierung darauf hofft, dass der Gerichtshof die Abgabe für verfassungswidrig erklärt. Dann könnte man doch noch Korrekturen vornehmen, ohne dabei das Gesicht zu verlieren.
Roger Pint - Foto: Louisa Gouliamakia/AFP