"Der Brüsseler Tunnel-Albtraum geht weiter", titelt La Libre Belgique. Für Le Soir öffnet sich das "Tor zur Hölle".
Gestern gab's für die Brüsseler Autofahrer eine neue Hiobsbotschaft: Aus Sicherheitsgründen muss auch der "Montgomery-Tunnel" geschlossen werden. Die Decke des Bauwerks ist stellenweise so instabil, dass sie auf die Fahrbahn zu fallen droht.
De Standaard spricht nur noch vom Brüsseler "Tunnel-Gate". "Jetzt droht die völlige Blockade", schreibt das Blatt auf Seite eins. Tatsächlich liegt der Montgomery-Tunnel auf einer der wichtigsten Verkehrsachsen, die den Verkehr von Osten aus in die Hauptstadt führt. Nicht weit davon entfernt wurde erst vor einigen Wochen das "Reyers-Viadukt" abgerissen. Hinzu kommt ja noch die Sperrung des ebenfalls strategisch wichtigen "Stephanie-Tunnels".
Verkehrsinfarkt und Firmenwagen
Jetzt droht Brüssel endgültig der Verkehrsinfarkt, sind sich alle einig. "Der Montgomery-Tunnel bleibt mindestens für zwei Monate zu", berichtet L'Écho auf Seite eins. Sogar der sonst für seinen Zweckoptimismus bekannte Brüsseler Mobilitätsminister Pascal Smet muss einräumen, dass jetzt für die Verkehrsteilnehmer in Brüssel schwierige Zeiten anstehen. Mit markigen Worten verspricht er aber Abhilfe. "Wir werden dieses, Zitat, Scheiß-Dossier lösen", zitieren La Libre Belgique und L'Écho den SP.A-Minister.
"Mit einem Firmenwagen legt man 6.000 Kilometer mehr zurück", schreibt derweil Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Das geht aus einer neuen Studie des Plan-Büros hervor. Demnach ist es also so, dass Firmenwagen dazu verleiten, auch unnötige Strecken zu fahren. Und dieser "Überkonsum" kostet die Gesellschaft jährlich 900 Millionen Euro. Zuzüglich der bis zu fünf Milliarden Euro, die Firmenwagen den Staat an steuerlichen Vorteilen kosten. Beißendes Fazit von Het Laatste Nieuws: "Belgien bezuschusst Staus".
Die Halter von Firmenwagen sollten sich aber jetzt kein schlechtes Gewissen einreden lassen, meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Natürlich grenzt die belgische Politik der Firmenwagen mitunter an Absurdität. Wer eine Abkehr von Firmenwagen predigt, der muss aber erst eine Frage beantworten: "Wie soll das gehen?". Öffentliche Verkehrsmittel sind nach wie vor keine wirkliche Alternative. Und für die längsten Staus sorgen im Moment erwiesenermaßen die Brüsseler Tunnels. Und Schuld hat hier vor allem die Politik.
Geschlossene Grenzen und verbale Entgleisungen
"Wie dicht ist eigentlich unsere Grenze?", fragt sich Het Nieuwsblad. Belgien hat ja an der Grenze zu Frankreich wieder die Kontrollen eingeführt; das ist eine Reaktion auf die Pläne zur Schließung des Flüchtlingslagers in Calais. Die belgischen Behörden befürchten, dass die Menschen, die nach Großbritannien wollen, dann auf die belgischen Küstenorte ausweichen. Ein Reporter von Het Nieuwsblad hat also versucht, über die Grenze zu kommen; sein Fazit: Das ist immer noch ziemlich einfach: "9 Versuche, kaum Kontrollen", schreibt die Zeitung.
La Libre Belgique kann ihrerseits nur feststellen, dass diese ganze Geschichte bei Politikern für ein gehöriges Maß an Nervosität sorgt. Und einige glänzen da durch waschechte verbale Entgleisungen. Der CD&V-Bürgermeister von Knokke, Leopold Lippens, regte etwa die Schaffung eines Lagers nach dem Vorbild von Guantanamo an; allerdings ohne Folter und selbstverständlich mit Toiletten. Der westflämische Provinzgouverneur Carl Decaluwé hatte vorher schon dazu aufgerufen, Flüchtlingen nichts zu essen zu geben, weil das nur andere anziehen würde. In La Libre Belgique ruft die Ecolo-Vorsitzende Zakia Khattabi zur Besonnenheit auf: Die Flüchtlingen würden immer häufiger kriminalisiert und am Ende buchstäblich "entmenschlicht".
"Wir bewegen uns hier auf einen schmalen Grat," meint La Libre Belgique auch in ihrem Leitartikel. Natürlich ist es richtig, einer Krise vorzubeugen. Die derzeitige Anspannung in den Küstenorten rechtfertigt aber auch nicht alles. Am Ende werden Flüchtlinge gleichgesetzt etwa mit "invasiven Möwen". Die Situation mag besorgniserregend sein, das gilt aber erst recht für die verbalen Entgleisungen.
Blaues Pokerspiel
Innerhalb der flämischen Regierung hängt derweil der Haussegen mächtig schief. Die OpenVLD-Vorsitzende Gwendolyn Rutten hat gestern mit Pauken und Trompeten den "Masterplan für das Unterrichtswesen" abgeschossen. Dabei hatten sich die drei Koalitionspartner - also N-VA, CD&V und eben auch OpenVLD - im Regierungsabkommen ausdrücklich zur Umsetzung der Bildungsreform verpflichtet. Das neuerliche Ausscheren der liberalen Parteivorsitzenden sorgt denn auch für Befremden bei den Partnern.
"Die OpenVLD boxt über ihrer Gewichtsklasse", sind sich die flämischen Leitartikler einig. "Rutten will sich wohl in erster Linie profilieren", meint etwa Gazet van Antwerpen. Denn nicht vergessen: Rein rechnerisch sind die Liberalen in der flämischen Koalition gar nicht nötig, und das lassen die beiden anderen sie immer wieder mal spüren. Allerdings, so gibt Het Belang van Limburg zu bedenken: Ohne die OpenVLD würde das Regieren in Flandern bestimmt nicht einfacher. Dann stünden sich die unversöhnlichen Streithähne N-VA und CD&V permanent gegenüber.
De Standaard fragt sich, wie Gwendolyn Rutten in dieser Geschichte das Gesicht wahren kann. Wer pokert, dabei aber nicht über ein probates Druckmittel verfügt, der verliert am Ende lediglich an Macht und Einfluss.
Schwarzer Peter
L'Avenir und L'Écho blicken auf die Wallonie. Dort läuft die Aufarbeitung des Betrugsfalls bei der Wallonischen Müllentsorgungsbehörde OWD. Dort hatte ja ein Buchhalter zwei Millionen Euro abgezweigt. Der Präsident des Rechnungshofes musste gestern einräumen, dass seine Behörde den Betrug übersehen hatte. L'Avenir sieht hier ein Problem für die Glaubwürdigkeit des Rechnungshofs, der als Sicherheitsriegel versagt hat. Für L'Écho ist es genau umgekehrt: Seit 15 Jahren mahnt der Rechnungshof effiziente interne Kontrollen in den wallonischen Behörden an. Passiert ist allerdings wenig. Und hier hat auch die Politik versagt.