"Letzte Chance, um Brexit zu vermeiden", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Beim EU-Gipfel wird es am Donnerstag und Freitag zunächst um den möglichen EU-Ausstieg Großbritanniens gehen. Auf dem Tisch liegt ein Papier von EU-Ratspräsident Donald Tusk, in dem den Briten gegenüber eine Reihe von Zugeständnissen gemacht wird. Allerdings rechnet Het Nieuwsblad mit einer Marathonsitzung. Der Grund: Das Tusk-Papier wird längst nicht von allen EU-Mitgliedsstaaten bedingungslos mitgetragen.
Das gilt etwa für Belgien: "Belgien ist nicht bereit, die EU zu entkernen", titelt De Standaard. Die Zeitung hat eine diplomatische Note einsehen können. Demnach formuliert die Regierung gleich vier Kritikpunkte am derzeitigen Entwurf. Unter anderem lehnt Belgien es ab, dass die Briten faktisch ein Veto-Recht über den Euro bekommen sollen, obwohl das Land ja gar nicht Mitglied der Euro-Zone ist.
Belgien-Electrabel-Deal im Visier der EU-Kommission
Apropos EU: "Die Konvention zwischen dem belgischen Staat und Electrabel ist im Fadenkreuz der Europäischen Kommission", notiert Le Soir auf Seite eins. "Europa stellt knifflige Fragen über die Laufzeitverlängerung von Doel 1 und Doel 2", konstatieren auch L'Echo und De Standaard. Tatsächlich hat die EU-Kommission Belgien eine Liste von 18 Fragen zugestellt, die die Laufzeitverlängerung der beiden Reaktoren betreffen. Im Kern dreht sich hier alles um den Verdacht, dass Belgien dem Kernkraftwerkbetreiber Electrabel so sehr entgegenkommt, dass das einer illegalen Staatsbeihilfe gleichkommt. Die Föderalregierung hat nur 20 Tage Zeit, um die geforderten Erklärungen zu liefern.
Das zeigt, wie wichtig Europa doch sein kann, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zögert nicht, großen Multinationals auf den Schlips zu treten, eben um zu verhindern, dass diese Konzerne am Ende in kleineren EU-Staaten quasi die Gesetze vordiktieren. Auf der einen Seite gibt es das selbstzweifelnde Europa, das sich ein ums andere Mal überwirft. Zum Glück gibt es da noch die andere EU, die von Margrethe Vestager.
Le Soir versteht seinerseits nicht, warum die föderale Energieminister Marie-Christine Marghem in Bezug auf Doel 1 und Doel 2 einmal mehr auf stur schaltet. Der Fragenkatalog der EU-Kommission ist keine Fußnote, es gibt eindeutig einen Klärungsbedarf. In anderen Zusammenhängen hat Marghem Bemerkungen der EU-Kommission als Argumentationsgrundlage benutzt, diesmal fegt sie sie vom Tisch. Damit fordert die MR-Politikerin die Gesetze der Logik und der Weisheit heraus.
Hatten es die Terroristen auch auf belgische AKWs abgesehen?
Spektakuläre Schlagzeile auf Seite eins von La Dernière Heure: "Die Terroristen von Paris hatten auch die belgischen Kernkraftwerke im Fadenkreuz", schreibt das Blatt. Demnach ist es so: Bei einer der vielen Hausdurchsuchungen in Belgien nach den Anschlägen vom 13. November haben die Ermittler ein Video sichergestellt. Darauf ist immer nur ein Wohnhaus zu sehen, das offensichtlich Tag und Nacht überwacht wurde. Jetzt weiß man auch, wer da beobachtet wurde, nämlich kein geringerer als der Direktor des nuklearen Forschungsprogramms.
Streit ums Erben
"Vier von zehn Erbstreitigkeiten werden nie gelöst", so die Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws. Grund dafür ist insbesondere, dass es immer mehr Patchwork-Familien gibt. Damit wird die Regelung des Nachlasses nur noch komplizierter. Deswegen arbeitet Justizminister Koen Geens an einer Reform des Erbrechts.
Anlass für diesen Bericht ist wohl eine neue Studie der König-Baudouin-Stiftung eben zum Thema Erbschaft, mit der sich heute mehrere Zeitungen beschäftigen. Das Fazit etwa von L'Echo: "Die Belgier wünschen sich mehr Freiheiten bei der Regelung ihres Nachlasses." Wie die Zeitung berichtet, können diese Wünsche aber durchaus widersprüchlich sein. Beispiel: Viele hätten gerne die Möglichkeit, ihre Kinder gegebenenfalls zu enterben. Zugleich pocht aber auch eine Mehrheit auf einen garantierten Pflichtteil beim Tod der eigenen Eltern.
Hier zeigen sich auch schon die Grenzen der angestrebten Reform, meint L'Echo in seinem Leitartikel. Alle möglichen Streitfragen kann das Gesetz nicht aus der Welt schaffen. Das ändert nichts daran, dass eine Modernisierung längst überfällig ist. Am besten wäre es aber, wenn sich jeder einmal eingehend über seine Rechte und Pflichten informieren würde.
Keine Einigung über Reform des Streikrechts
Viele Zeitungen befassen sich auch mit dem Scheitern der Verhandlungen am Dienstag über ein neues Streikrecht. Die Gespräche zwischen den Sozialpartnern wurden ergebnislos abgebrochen. Die Arbeitgeber hatten insbesondere ein Verbot von Straßenblockaden verlangt. Außerdem sollten einzelne Gewerkschafter für ihre Aktionen juristisch haftbar gemacht werden können. Die Gewerkschaften lehnten das kategorisch ab.
Diese Haltung ist zum Teil nachvollziehbar, zum Teil nicht, urteilt Het Belang van Limburg. Einzelne Gewerkschafter juristisch haftbar machen zu wollen, das wäre tatsächlich ein Angriff auf das Streikrecht. Unter diesen Bedingungen wird es kaum noch jemand wagen, sich zu engagieren. In einem anderen Punkt hingegen gibt es kein Vertun: Wenn es ein Recht auf Streik gibt, dann gibt es auch ein Recht auf Arbeit.
Die Arbeitnehmervertretungen begeben sich damit auf dünnes Eis, warnt L'Avenir in seinem Kommentar. Jetzt, nach dem Scheitern der Verhandlungen, besteht nämlich die Gefahr, dass die Regierung alleine entscheidet.
Roger Pint - Archivbild: Nicolas Maeterlinck/BELGA