"Die USA attackieren die belgischen Fiktivzinsen", titeln Le Soir und L'Écho. "Die USA nehmen die Fiktivzinsen unter Beschuss", schreibt auch Het Laatste Nieuws.
Die belgischen Steuer-Sparmodelle geraten zunehmend unter Druck. Erst hat ja die EU-Kommission die hierzulande praktizierten "Excess Profit Rulings" für illegal erklärt. Und jetzt stehen in den USA die belgischen Fiktivzinsen am Pranger. Grob zusammengefasst: Ein Unternehmen kann Investitionen auch dann steuerlich geltend machen, wenn sie aus Eigenmitteln und nicht mit Krediten finanziert wurden. In der Praxis erlauben es diese Fiktivzinsen den Unternehmen, ihre Steuern zum Teil erheblich zu drücken. Dies im Falle von US-Konzernen auch zu Lasten des amerikanischen Fiskus'. In Washington will man deshalb die Tragweite der Regelung einschränken.
Reform der Körperschaftssteuer "kein Tabu" mehr
Vor diesem Hintergrund plädiert Finanzminister Johan Van Overtveldt in den Zeitungen Le Soir und L'Écho "jetzt erst recht" für eine Reform der Körperschaftssteuer. Wenn inzwischen reinweise Steuervorteile zur Diskussion stehen, dann sollte man die Besteuerung der Unternehmen generell einmal überdenken, meint Van Overtveldt. Bereits vor zwei Wochen hatte der N-VA-Politiker eine Senkung der Körperschaftssteuer von derzeit 34 auf 20 Prozent angeregt. Dafür gab es heftige Kritik insbesondere vom flämischen Koalitionspartner CD&V.
"Jetzt liefern die USA dem Finanzminister Munition gegen die flämischen Christdemokraten", meint denn auch Het Nieuwsblad. Der CD&V-Parlamentarier Eric Van Rompuy hält dagegen: "Wir werden jetzt nicht eine Debatte über die Fiktivzinsen führen, nur weil die Amerikaner damit ein Problem haben, sagt Van Rompuy in Het Nieuwsblad De Standaard.
Die Reform der Körperschaftssteuer ist kein Tabu mehr, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Eigentlich wäre schon der Tax-Shift eine gute Gelegenheit gewesen für eine Neuordnung der Unternehmensbesteuerung. Was man damals nicht spontan gemacht hat, dazu könnte man jetzt aufgrund des äußeren Drucks gezwungen werden. Eine allgemeine Senkung der Körperschaftssteuer hätte unter anderem auch den Vorteil, dass nicht nur Großkonzerne davon profitieren, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen. Kontraproduktiv ist da die Kritik der CD&V. Die derzeitige Polemik verhindert eine nüchterne Debatte zu dem Thema. Und am Ende kommt eine wohl unausweichliche Reform wieder zu spät.
Das bisherige System ist nicht mehr tragbar, meint auch Het Belang van Limburg. Es wäre eine Katastrophe, wenn Belgien die Fiktivzinsen und die "Excess Profit Rulings" zurücknehmen müsste. Dann gilt nämlich mit einem Mal wieder die "volle" Körperschaftssteuer von 33,9 Prozent. Für ausländische Investoren wäre das ein guter Grund, dem Land fern zu bleiben. Die einzige Lösung wäre auf Dauer, eine europäische Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung.
Amedeo-Gate?
Die flämischen Nationalisten der N-VA haben derweil eine neue Polemik um das Königshaus losgetreten. Anlass ist die Hochzeit von Prinz Amedeo im Jahr 2014. Der Sohn von Prinzessin Astrid hatte seinerzeit den König nicht formal um Erlaubnis gebeten. Damit verlor er jeglichen Anspruch auf die Thronfolge. Später änderte der Prinz seine Meinung, und die Erlaubnis wurde "nachträglich" doch noch erteilt. Damit bleibt Amedeo in der Thronfolge auf Platz 6. Für die N-VA war diese "rückwirkende Regularisierung" ein Verfassungsbruch. Demnach hätte das Parlament dem Beschluss zustimmen müssen, was nicht erfolgt ist.
"Bagatelle artet aus in Mini-Königsfrage", notiert denn auch De Morgen. La Libre Belgique hebt ihrerseits hervor, dass die flämischen Nationalisten es ausdrücklich auf das Staatsoberhaupt abgesehen haben: "Die N-VA wirft dem König vor, die Verfassung missachtet zu haben", schreibt das Blatt.
"Die N-VA macht aus einer Mücke einen Elefanten", bemerkt dazu De Morgen in seinem Leitartikel. Sicher: Gesetz ist Gesetz. Im vorliegenden Fall geht es aber um eine waschechte Bagatelle. Davon abgesehen: In dieser Sache steht nicht der König im Fadenkreuz. Schließlich werden all seine Handlungen von der Regierung gedeckt. Insofern attackiert die N-VA hier im Grunde die eigene Regierung um Premier Charles Michel. Wenn überhaupt, dann muss man hier also nicht von einem "Amedeo-Gate" sprechen, sondern von einem "Charles-Gate".
De Standaard sieht das ähnlich: Der Platz von Prinz Amedeo in der Thronfolge ist absolut belanglos. Davon abgesehen kann man davon ausgehen, dass König Philippe immer mit der Hochzeit einverstanden war. Schließlich war er auf der Zeremonie sogar anwesend.
Daens mit Smartphone
"Ein zusätzlicher Urlaubstag, wenn keine Gewerkschaft kommt", so die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Das ist die Idee der Zeitarbeitsfirma "Accent Jobs". Der Deal wäre folgender: Wenn niemand bei den Sozialwahlen im kommenden Monat Mai kandidiert, dann wird das Personal belohnt, nicht nur mit einem zusätzlichen Urlaubstag, sondern obendrauf gibt’s auch noch ein Smartphone. Auch Het Laatste Nieuws greift die Geschichte auf seiner Titelseite auf.
Das ist ein Rückschritt ins 19. Jahrhundert, in die Zeit des Arbeiterpriesters Daens, wettert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Die Mitarbeiter von Accent Jobs werden hier schlicht und ergreifend erpresst. Das Unternehmen hat offensichtlich ein falsches Bild von den Gewerkschaften. Die Arbeitnehmervertretungen sind ein wichtiges Bindeglied zwischen "denen da oben" und "denen da unten". Eine gut funktionierende Gewerkschaftsdelegation erlaubt es, unnötigen Konflikten vorzubeugen.
Rollator-Rock
Viele Zeitungen befassen sich schließlich mit dem jetzt bekannt gewordenen neuen Topakt des Rockfestivals von Werchter. Es handelt sich um keinen geringeren als den Ex-Beatle Paul McCartney. "Paul Mac-Wer?", fragen Jugendliche in Het Nieuwsblad. Andere witzeln schon über den "Rollator-Rocker".
Het Laatste Nieuws und De Morgen halten dagegen: "Nein, Paul McCartney ist nicht zu alt für Werchter".
Roger Pint - Bild: Maxime Anciaux/BELGA