"Jacqueline Galant muss die Klappe halten", titelt L'Avenir. "Selbst für die MR ist das Maß voll", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Die föderale Mobilitätsministerin Jacqueline Galant hat offensichtlich die "Panne zu viel" produziert. Diesmal steht die MR-Politikerin am Pranger wegen ihrer Kommunikation um die Brüsseler S-Bahn, den sogenannten RER. Am Dienstag gab die Ministerin bekannt, dass der vierspurige Ausbau einiger Trassen in der Wallonie nicht beendet werden könne, weil das Geld fehle. Einen Tag später ruderte sie zurück und erklärte, sie sei da wohl falsch verstanden worden. Offensichtlich ist dabei, dass Galant insbesondere von Premierminister Charles Michel zurückgepfiffen wurde.
Im Grunde musste quasi die komplette Führungsriege der MR den Feuerwehrmann spielen, stellt La Libre Belgique fest. Neben Charles Michel hatten auch MR-Verantwortliche insbesondere aus der Provinz Wallonisch-Brabant die Kommunikation der Ministerin "geradebiegen" müssen. La Libre Belgique zitiert den MR-Chef Olivier Chastel, der Galant gegenüber gesagt haben soll: "Pass auf, was Du sagst!" Chastel spürt offensichtlich, dass einige flämische Koalitionspartner mit ihrer Geduld am Ende sind.
Jacqueline Galant mutterseelenallein
"Auch die MR hat die Nase voll von Galant", stellt De Standaard auf seiner Titelseite fest. Die Ministerin sei am Donnerstag in der Kammer "mutterseelenallein" gewesen. Einige Liberale scheinen aber aus der Not eine Tugend zu machen, wie die Zeitung L'Avenir erfahren haben will: Jacqueline Galant gebe doch einen wunderbaren Punching ball ab, so die etwas zynische Überlegung. Galant wäre damit also so eine Art Blitzableiter.
Das Problem mit Jacqueline Galant ist, dass sie nicht aus ihren Fehlern lernt, meint L'Avenir in seinem Leitartikel. Es bleibt unverständlich, wie man ausgerechnet in für die Wallonie wichtigen Dossiers so taktlos sein kann. Der Frau mangelt es ganz offensichtlich an profunder Aktenkenntnis. Und langsam aber sicher färbt das auch auf Charles Michel ab. Hier keimt der Verdacht auf, dass dem Premierminister die Stabilität seiner Regierungskoalition wichtiger ist, als die Interessen der Frankophonen.
Für De Standaard wirft Jacqueline Galant einen Schatten auf die gesamte Regierungsarbeit. Diese Regierung wollte doch eigentlich die "belgischen Krankheiten" bekämpfen. Und dann kam Galant... In gewisser Weise steht die Mobilitätsministerin aber stellvertretend für den belgischen Scherbenhaufen in dieser Materie. Keine Regierung in Belgien glänzt wirklich durch Weitsicht in der Mobilitätspolitik.
Le Soir macht eben im Zusammenhang mit dem RER eine grundsätzliche Feststellung: "Nein, öffentliche Ausgaben sind nicht zwangsläufig kontraproduktiv", meint das Blatt in seinem Leitartikel. Anders gesagt: Es ist kein Verlustgeschäft, wenn der Staat in die SNCB investiert. Internationale Studien beweisen, dass Investitionen in Transport und Infrastruktur sehr schnell Wirtschaftswachstum generieren. Gerade in Belgien wären außerdem zusätzliche Alternativen willkommen, um die Straßen zu "entstopfen". Die derzeitigen politischen Verantwortlichen denken offensichtlich nicht weiter, als ihre Nase reicht.
Di Rupo gegen De Wever: 1:0
"Wenn denn noch wenigstens die Zahlen stimmen würden", beklagt der CD&V-Abgeordnete Eric Van Rompuy in De Standaard. "Dieses Haushaltsergebnis ist schlechter als unter dem PS-Premier Di Rupo", wettert Van Rompuy. Nach neuesten Zahlen der EU-Kommission hat Belgien das Haushaltsjahr 2015 mit einem Defizit von 2,9 Prozent abgeschlossen.
"Di Rupo gegen De Wever: 1:0", frotzelt denn auch Het Laatste Nieuws. Man muss offensichtlich nicht PS-Mitglied sein, um weiterhin belgische Schulden auf dem Rücken von flämischen Jugendlichen zu machen, wie es doch noch vor Kurzem N-VA-Chef Bart De Wever beklagt hatte. Und damit das klar ist: Die Regierung kann keine mildernden Umstände geltend machen. Es gab keine wirtschaftliche oder finanzielle Naturkatastrophe. Bleibt also die Feststellung: Die selbsternannte Reformregierung hat ein schlechteres Ergebnis aufzuweisen als die angeblich verschwenderischen Sozialisten.
Skandalurteil
"Nein heißt Nein!", steht auf Seite eins von Het Nieuwsblad. Genauer gesagt halten Frauen Plakate in der Hand, auf denen genau diese Worte stehen: "Nein heißt Nein!" Hintergrund ist das jüngste Urteil des Genter Strafgerichts in einem Vergewaltigungsfall. Der im Übrigen geständige Täter wurde zwar schuldig gesprochen, aber nicht bestraft, weil das Opfer angeblich "missverständliche Signale" ausgesendet habe. Frauenverbände reagieren empört.
Und Het Nieuwsblad schließt sich dem an. Wie muss man das verstehen? Wenn sich ein Mann wie ein Höhlenmensch aufführt, das Opfer aber nicht gleich durch die Ecken schleudert, dann ist das OK? Es gibt vielleicht den Gentleman-Einbrecher, aber nicht den Gentleman-Vergewaltiger. Es wird höchste Zeit, dass einige Männer ihre Entwicklung zum Homo sapiens abschließen.
Justizminister Koen Geens will jedenfalls das Urteil nicht so stehen lassen und plant dafür eine ungewöhnliche Maßnahme: "Geens will 'Sexualkunde' für Richter", berichten Het Nieuwsblad und De Standaard. Demnach kann Geens die Magistrate zwar nicht dazu zwingen, ihnen würden aber entsprechende Kurse wärmstens ans Herz gelegt.
Kein Wi-Fi für Flamen im Justizpalast
Apropos Justiz. L'Echo bringt heute eine neue "typisch belgische" Geschichte: Im Brüsseler Justizpalast soll bald drahtloses Internet installiert werden. Das Wi-Fi-Netz soll aber nur für die frankophonen Anwälte offenstehen. Es ist nämlich so: Die Initiative stammt von der frankophonen Anwaltskammer; die flämischen Kollegen wollten sich nicht beteiligen. Resultat ist eben: Wer nicht zahlt, der surft auch nicht!
Roger Pint - Bild: Dirk Waem/BELGA