"Audis Elektro SUV wird in Forest gebaut", titelt das GrenzEcho. "'Tesla-Killer' kommt dann doch nach Forest", schreibt Het Nieuwsblad. Und bei Le Soir heißt es: "Audi Brüssel wird es mindestens bis 2025 geben".
Der gestern veröffentlichten Entscheidung von Audi, seinen neuen Elektro-Geländewagen ab 2018 im Brüsseler Audi-Werk Forest bauen zu lassen, widmen gleich mehrere Zeitungen auch ihren Leitartikel.
La Libre Belgique jubelt: Die deutschen Investoren haben ihre Entscheidung nicht aus Menschenliebe getroffen, sondern wegen vieler guter Gründe. Im Audi-Werk Forest gibt es gute Mitarbeiter, die sich durch Fleiß und Flexibilität auszeichnen. Die Politik der Föderalregierung hat mit dem Tax-Shift ein steuerliches Umfeld geschaffen, in dem Unternehmen wieder gerne in Belgien investieren.
Die Region Brüssel hat enorme Summen versprochen, die die Umgestaltung des Werks für die Produktion eines Elektroautos erleichtern sollen. Die Werksführung und die Gewerkschaften in Forest bemühen sich darum, den sozialen Frieden zu wahren. All das zusammen hat Audi dazu bewogen, den vielen tausenden Mitarbeitern des Brüsseler Werks eine Zukunft zu geben, schreibt La Libre Belgique.
Wie lange dauert Zukunft?
Über die Dauer dieser Zukunft macht sich Het Laatste Nieuws Gedanken: Ist gestern die Zukunft des Audi-Werks in Brüssel beschlossen worden? Nun ja, wenn man mit Zukunft ein paar Jahre meint. Lange vorbei sind die Zeiten, in denen Volvo Gent eine 15-jährige Produktion seines Modells Volvo 240 versprochen hat. Heute hat sich die Lebensdauer eines Automodells halbiert. Deshalb ist die Zukunft von Audi in Forest auch nur bis 2025 gesichert. Ist das beunruhigend? Nein. Denn in welchem Sektor gibt es anno 2016 noch längerfristige Versprechen, fragt rhetorisch Het Laatste Nieuws.
"Peinliche Niederlage für Europa"
"Die Kehrtwende von Angela Merkel", titelt De Morgen und druckt in großen Buchstaben zwei Zitate der deutschen Bundeskanzlerin auf Seite eins. Dem "Wir schaffen das" vom 31. August vergangenen Jahres - von De Morgen in Deutsch zitiert - steht Merkels Aussage von gestern entgegen, diesmal in Flämisch: "Die Zahl der Asylsuchenden muss sinken".
Resigniert darüber zeigt sich der Leitartikler von De Morgen: Jetzt gibt also auch Deutschland auf. Und man braucht kein großer Analytiker zu sein, um den Grund dafür finden. Das, was in der Silvesternacht in Köln passiert ist, hat Angela Merkel zum Einlenken bewogen. Das mögen tolle Nachrichten für ihre Kritiker sein. Für Europa ist es eine peinliche Niederlage.
Jetzt ist auch das letzte Bollwerk der Union gefallen. Verschärfte Aufnahmekriterien, Obergrenzen oder gar die komplette Abschottung, wie es bereits einige osteuropäische Staaten betreiben, werden jetzt das Gesicht Europas prägen. Sicher: Köln hat gezeigt, dass die Integration gerade von jungen männlichen Flüchtlingen sehr schwer sein kann. Aber von unserer Verantwortung gegenüber Hilfsbedürftigen spricht uns das nicht frei. Wir haben moralische Verpflichtungen. Denn Köln hat leider nichts an der schlimmen Bürgerkriegssituation in Syrien und im Irak geändert, auch nicht an den anderen Konflikten, aus denen die Flüchtlinge zu uns kommen, bemerkt De Morgen.
Billig tanken allein macht nicht glücklich
Die Wirtschaftszeitung L'Echo schaut besorgt auf die Börsen. "Die Börsen sehen weiter schwarz", titelt das Blatt. Die Talfahrt der Aktienkurse nehme besorgniserregende Ausmaße an. Allein der belgische Aktienindex habe seit Jahresbeginn 11,2 Prozent verloren.
Kommentierend meint dazu L'Avenir: Viele sehen sich an den Börsenkrach von 2008 erinnert. Die Weltwirtschaft badet schon im Angstschweiß. Diesmal die Gründe: das moderate Wirtschaftswachstum in China, der Verfall des Ölpreises, die große geopolitische Instabilität auf dem Planeten mit vielen Krisenherden.
Eifrig sucht jetzt jeder nach einem Mittel dagegen, ohne es zu finden. Und ohne wirklich dran zu glauben, dass man das Wundermittel finden kann. Denn es sieht so aus, als ob die neuen Mechanismen der modernen Wirtschaftswelt ein Eigenleben entwickelt haben. Sie entziehen sich unserem herkömmlichen Verständnis. Und man kann davon ausgehen, dass diese Mechanismen des weltweiten Liberalismus noch nicht ihr letztes Wort gesprochen haben, orakelt pessimistisch l'Avenir.
Positiver La Dernière Heure, die eindeutig in dem Verfall des Ölpreises den Grund für die aktuelle Börsenkrise sieht: Bereits früher gab es zwei weltweite Wirtschaftskrisen, beide ausgelöst durch Erdöl. Dem Öl-Embargo von 1973 wegen des Jom Kippur-Kriegs in Israel folgte 1979 eine Krise wegen schwindelerregend hoher Ölpreise. Jetzt erleben wir also wieder, dass zu hohe oder zu niedrige Ölpreise schwer verdaulich für die Wirtschaft sind. Darüber kann auch das derzeit so preiswerte Benzin nicht hinwegtrösten. Billig tanken allein reicht halt nicht aus für unser Glück, stellt La Dernière Heure fest.
Kay Wagner - Illustrationsbild: Nicolas Maeterlinck/BELGA