"Die Linken bringen die Verringerung der Wochenarbeitszeit wieder ins Spiel", titelt La Libre Belgique. Das Kalkül sähe also so aus: Alle arbeiten weniger und dafür können eben zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden. Nach den frankophonen Sozialisten PS und den Grünen von Ecolo plädiert jetzt auch die Partei Défi, die frühere FDF, für ein solches Modell. Der Brüsseler Beschäftigungsminister Didier Gosuin will die Idee sogar in die Praxis umsetzen, und zwar bei der Brüsseler Stadtreinigung "Bruxelles-Propreté". Gosuin lässt prüfen, ob man dort nicht die Viert-Tage-Woche einführen könnte. Im Gegenzug könnte man bis zu 500 zusätzliche Mitarbeiter einstellen.
Warum eigentlich nicht?, fragt sich L'Avenir in seinem Leitartikel. Angesicht von Massenarbeitslosigkeit und mauen Wachstumsaussichten muss man vielleicht am Ende neue Wege beschreiten. Kreative Lösungsansätze sind jedenfalls bestimmt nicht verkehrt. Und es ist auch richtig, wenn der Staat damit mit gutem Beispiel vorangeht.
Ökonomen sind da aber eher skeptisch. "Das ist eine alte Idee aus dem 20. Jahrhundert", sagt etwa der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Paul De Grauwe in La Libre Belgique. Das Problem liege doch ganz anderswo. Viele Arbeitssuchende verfügten schlicht und einfach nicht über die erforderliche Qualifikation.
Niedrige Bildung bedeutet häufig lange warten
Genau das scheint die Aufmachergeschichte von Le Soir zu bestätigen. "Nicht jeder profitiert vom Rückgang der Arbeitslosigkeit", schreibt das Blatt. Demnach sind es vor allem Niedrigqualifizierte, die auf der Strecke bleiben. Ein junger Masterabsolvent sucht im Durchschnitt drei Monate lang nach einem Job. Ein Gleichaltriger, der nur über ein Grundschuldiplom verfügt, muss dagegen 13 Monate warten.
"Ohne Ruling wären wir nicht nach Belgien gekommen", titelt derweil De Standaard. Das ist ein Zitat des Geschäftsführers der belgischen Niederlassung des schwedischen Industriekonzerns Atlas Copco. Mit "Rulings" sind ja Steuerdeals gemeint, die also zur Folge haben, dass große Unternehmen unter ein vorteilhaftes Fiskalregime fallen. Die EU Kommission hat einige dieser Rulings für illegal erklärt und Belgien dazu verurteilt, die Steuervorteile zurückzufordern. Eins der betroffenen Unternehmen, das wohl eine Nachzahlung leisten muss, ist Atlas Copco. Und der Belgien-Chef des Konzerns will nicht ausschließen, dass man Belgien als Folge der Geschichte wieder verlässt.
Geld geht unterschiedliche Wege
Spektakuläre Schlagzeile auf Seite eins von Le Soir: "62 Superreiche besitzen so viel wie 3,6 Milliarden arme Menschen", schreibt das Blatt. Diese Zahlen stammen aus einer Studie der Nicht-Regierungsorganisation Oxfam. Demnach wird die Schere zwischen Arm und Reich immer größer; vor allem konzentriert sich das Kapital auf immer weniger Leute.
Wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken?, fragt sich La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass das alles andere als einfach ist. Beim kleinsten Anzeichen, etwa einer bevorstehenden Gesetzesänderung, setzen sich in Windeseile Milliarden und Abermilliarden in Bewegung, fließen in sicherere Gegenden ab. Dabei werden nicht selten ganze Volkswirtschaften oder Währungen destabilisiert. Auf so genannte Experten kann man sich auch längst nicht mehr verlassen. Beispiel: Namhafte Ökonomen hatten für 2015 einen Ölpreis von 380 Dollar je Barrel vorhergesagt. Bekanntlich liegt er jetzt unter 30 Dollar.
Hafen von Antwerpen mit Rekordergebnis
Gazet van Antwerpen kann gute Neuigkeiten vermelden: "Der Antwerpener Hafen sprengt den bisherigen Rekord", notiert das Blatt. Demnach sind alle Parameter im grünen Bereich. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr über 200 Millionen Tonnen Waren umgeschlagen. Das ist ein Plus von eben mal fünf Prozent. Diese fantastischen Zahlen stellen aber keinen Freibrief dar, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Die Hafenbosse sehen sich nämlich jetzt in ihrer Forderung bestätigt, das Hafengebiet weiter auszubreiten. Dagegen spricht aber vor allem ein Argument, nämlich die Mobilität. Schon jetzt erstickt die Scheldestadt im Stau. Wer über die Eröffnung eines neuen Docks nachdenkt, der riskiert einen LKW-Infarkt.
Für Le Soir stecken unterdessen die frankophonen Sozialisten PS in Schwierigkeiten. Und die Probleme sind buchstäblich hausgemacht. Auf der einen Seite erscheint in kürze eine "Abrechnung in Buchform" aus der bekanntermaßen spitzen Feder von Altmeister Philippe Moureaux. Und zu allem Überfluss meldet sich auch Jean-Claude Van Cauwenberghe zurück. Der Mann, dessen Name stellvertretend steht für den Affären-Sumpf von Charleroi, kandidiert wieder für den Vorsitz der örtlichen PS-Sektion. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Die PS hat ohnehin schon bessere Zeiten erlebt, da kommt dieser unfreiwillige Trip in die Vergangenheit doch sehr ungelegen.
Besorgter Blick nach Deutschland
De Standaard schließlich beschäftigt sich einmal mehr mit der Flüchtlingskrise und blickt dabei besorgt auf das Nachbarland Deutschland. Deutschland darf nicht das tun, was andere EU-Mitgliedsstaaten machen wollen, mahnt das Blatt. Konkret: Es steht zu befürchten, dass am Ende auch Deutschland die Grenzen dicht macht. Der Druck insbesondere auf Kanzlerin Merkel wird einfach zu groß. Dann wird sich aber sehr schnell die Frage stellen, wo die Flüchtlinge denn hin sollen. Fakt ist, und das ist auch nachvollziehbar, dass die deutsche Geduld mit Europa am Ende ist. Dass sich viele Mitgliedsstaaten hier aus der Verantwortung ziehen wollen, diese Position ist inzwischen unhaltbar.
Roger Pint - Illustrationsbild: BRF