"Das Silvesterfeuerwerk in Brüssel ist abgeblasen", schreiben L'Echo und Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Neuer Lockdown in Brüssel", titelt Le Soir. Die große Silvesterparty auf der Brüsseler Place de Brouckère unweit der Börse ist abgesagt worden. Das gab der Brüsseler Bürgermeister Yvan Mayeur am Abend bekannt. "Das Risiko war einfach zu groß", schreibt L'Avenir in Blockbuchstaben auf Seite eins. Die Gründe für die Entscheidung fasst Het Laatste Nieuws trefflich zusammen: "Kein Feuerwerk, weil die Justiz nach Terroristen sucht".
Hintergrund ist demnach die jüngste Aushebung einer neuen Terrorzelle. Zwei Männer sitzen in U-Haft, weil sie einen Anschlag eben zum Jahreswechsel in Brüssel geplant haben sollen. Offen ist, ob die Terrorzelle damit unschädlich gemacht wurde, oder ob nicht doch noch Mitglieder auf freiem Fuß sind, die jederzeit losschlagen könnten. Bei den Verdächtigen handelt es sich um Mitglieder des Brüsseler Motorradclubs "Kamikaze Riders".
Wer sind eigentlich die "Kamikaze Riders"?
Einige Blätter versuchen zu ergründen, was sich hinter der Gruppe verbirgt. "Asphalt-Samurais oder eine Gang von Radikalisierten?", fragt sich La Libre Belgique. La Dernière Heure rekonstruiert den "Weg einer radikalisierten Gruppe". In der Zeitung übernimmt ein Mitglied der Kamikaze Riders die Verteidigung seiner Clubkollegen. "Man sollte uns jetzt nicht durch den Dreck ziehen", meint Ludovic. Er kenne die beiden inhaftierten Verdächtigen schon seit Jahren. Diese Männer hätten ein großes Herz. Von einer gleich wie gearteten Radikalisierung einige Mitglieder habe er nie etwas bemerkt.
La Libre Belgique vermutet ihrerseits, dass auch noch eine andere Spur verfolgt wird: "Die Behörde suchen vier Terroristen", schreibt das Blatt und zeigt auf Seite eins neue Fahndungsfotos. Dabei handelt es sich um Mitglieder der inzwischen verbotenen Terrororganisation Sharia4Belgium. Die Männer werden in Syrien vermutet. Man will aber anscheinend nicht ausschließen, dass sie nach Belgien zurückgekehrt sind.
All das hat jedenfalls dazu geführt, dass die Behörden kein Risiko eingehen wollen. Damit droht ein Déjà-vu, glaubt Le Soir. Wie schon vor knapp sechs Wochen, als Terrorwarnstufe vier ausgelöst wurde, könnten die Straßen der Hauptstadt nun auch zum Jahreswechsel wieder menschenleer sein. Lockdown eben.
Absage ein "schlimmer Rückschlag"
Die Bomben sind zwar noch nicht explodiert, es fühlt sich aber schon mal so an, meint Le Soir in einem nachdenklichen Leitartikel. Die Behörden werden wohl gute Gründe für die Absage des Silvesterfeuerwerks gehabt haben. Für die Stadt und ihre Verantwortlichen ist das nichtsdestotrotz ein schlimmer Rückschlag. Gerade erst hatte man eine internationale Pressekampagne lanciert, um das Image der Hauptstadt wieder aufzupolieren. Doch jetzt müssen wir wieder zurück in den Keller, wo wir schon am 21. November und an den darauffolgenden Tagen gesessen haben. Die Terroristen schaffen es immer wieder, uns und auch den Geschäftsleuten den Alltag zu verhageln.
Die Dschihadisten haben der Party den Garaus gemacht, kann auch La Libre Belgique nur feststellen. Man darf annehmen, dass den Brüsseler Behörden, allen voran dem Bürgermeister Yvan Mayeur, diese Entscheidung sehr schwer gefallen ist. Jeder ist sich darüber im Klaren, dass die Absage ein neuer Sieg für die Dschihadisten ist. Man kann nur hoffen, dass der Verdacht, der der Maßnahme zugrunde liegt, ausreichend begründet ist. Die Zukunft wirds zeigen.
Auch La Dernière Heure kann die Absage des Silvesterfeuerwerks nur bedauern. Zwar reden wir uns immer wieder ein, dass die terroristische Bedrohung nicht die Grundfesten unserer Zivilisation ins Wanken bringen darf. Und doch werden wir von der Realität immer wieder rechts überholt. In diesem Zusammenhang sollte man sich an das Foto des Soldaten erinnern, der mit Einkaufstüte erwischt worden war. Frei nach dem Motto: Wenn wir schon in Unsicherheit leben müssen, dann sollte uns das doch nicht die gute Laune verderben.
2015 war das "Jahr der Angst"
De Morgen sieht das ähnlich, formuliert es aber in drastischeren Worten: 2015 war das Jahr der Angst. Im kommenden Jahr wartet eine wichtige Mission auf die Bürger und ihre Politiker: Die durchaus nachvollziehbare Angst darf nicht in eine Psychose umschlagen. Freiheit und Offenheit machen unsere Gesellschaft verletzlich. Wir müssen lernen, das Schicksal zu umarmen, es ist eben nicht alles kontrollierbar. Risiko gehört dazu - und das darf uns nicht daran hindern, zusammenzuleben.
2015 war alles andere als ein Grand Cru, meint auch Het Nieuwsblad. Die Welt, so hat sich gezeigt, wird mehr und mehr zu einem grimmigen Ort. Und das dürfte wohl auch erstmal so bleiben. Das Leben lässt sich aber glücklicherweise nicht zusammenfassen allein über die Geschichtsbücher. Jeder von uns hat in den vergangenen zwölf Monaten glückliche Momente erlebt. Oft sind es eben die kleinen Dinge des Lebens. Genau diese Augenblicke sollte man in vollen Zügen genießen.
Trotz der tristen Nachrichtenlage lassen es sich jedenfalls die meisten Blätter nicht nehmen, ihren Lesern einen "Guten Rutsch" zu wünschen. "Alles Gute für 2016", schreiben L'Avenir, Het Belang van Limburg und das GrenzEcho auf Seite eins. Gazet van Antwerpen wünscht uns sogar ein "fantastisches 2016". Und De Standaard empfiehlt bei aller Tristesse eine positive Grundeinstellung. Im letzten Jahr wurden wir ein ums andere Mal von der rauen Wirklichkeit überrollt. Die Welt hat sich rasend schnell verändert, so wie es wohl niemand vermutet hätte. Warum sollte uns 2016 da nicht einmal positiv überraschen?
In diesem Sinne wünscht das ganze Team des BRF Studios in Brüssel einen guten Rutsch und ein gutes Neues Jahr 2016!
Roger Pint - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)