"Krank vor Trauer um Saar", titelt Het Laatste Nieuws. "Getrunken, nicht versichert, schon zwei Mal verurteilt", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
In Flandern ist wieder ein Kind bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Am Donnerstagabend wurde im westflämischen Gits die 15- jährige Saar Gevaert überfahren. Der Unfallfahrer ergriff die Flucht. Als er sich später doch der Polizei stellte, hatte er immer noch 0,4 Promille Alkohol im Blut. Laut Experten war er damit zum Unfallzeitpunkt mit 1,3 Promille unterwegs. Außerdem handelte es sich um einen Wiederholungstäter. Erst am Dienstag war unter vergleichbaren Umständen der 16-jährige Dylan ums Leben gekommen. "Stopp!", fordern Angehörige von Verkehrstoten denn auch lautstark in Het Nieuwsblad. "Fahrerflucht, das ist das Feigste, was es gibt".
Der Heimatort der 15-jährigen Saar steht derweil unter Schock. Freundinnen organisierten gestern eine Mahnwache für ihre tote Klassenkameradin. Viele Zeitungen, unter anderem Het Laatste Nieuws auf Seite eins, bringen die emotionalen Fotos.
Zu viel Verständnis und Scheinheiligkeit in der Gesellschaft
Zwei Familien versinken in diesen vorweihnachtlichen Tagen in Trauer, notiert dazu De Standaard in seinem Leitartikel. Ihre Kinder, 15 beziehungsweise 16 Jahre alt, wurden von angetrunkenen Autofahrern von der Straße gemäht. Das Schlimme ist: Diese Fälle kommen nicht von ungefähr. Die jüngsten Bob-Kampagnen haben gezeigt, dass die Zahl derer, die sich unter Alkoholeinfluss hinters Steuer setzen, wieder steigt.
Diese Gesellschaft bringt einfach zu viel Verständnis auf. Verständnis dafür, dass Unfallflucht ja auf einen "natürlichen Reflex" zurückgeht; Verständnis dafür, dass Alkohol in unserer burgundischen Lebensart eine zentrale Rolle einnimmt. Heißt wohl: Erst das intelligente Auto wird die Erlösung bringen.
Het Nieuwsblad schlägt in dieselbe Kerbe. Der normale Gedankengang sieht so aus: Zwei Fahrer sind nach überhöhtem Alkoholkonsum unterwegs. Einer von beiden verursacht einen Unfall. Dann hat der eben nur Pech gehabt, denken viele. Dabei ist der andere ebenfalls zu verurteilen. Unser aller Haltung ist einfach nur scheinheilig.
Offensichtlich nehmen wir 750 Verkehrstote billigend in Kauf, wettert auch Gazet van Antwerpen. Schließlich ist es so, dass Politiker es offensichtlich nicht wagen, wirklich konsequente Maßnahmen zu ergreifen, weil dafür angeblich die allgemeine Akzeptanz fehlt. Der Belgier fährt nun mal gerne schnell, trinkt nun mal gerne ein Gläschen, telefoniert nun mal gerne am Steuer und will von einem Punkteführerschein nichts wissen. Andere Länder, in denen man hart durchgegriffen hat, müssen jedenfalls nicht 750 Begräbnisse pro Jahr organisieren.
Die Regierung zwischen Sozialem Dialog und Thatcherismus
"Die Regierung setzt den Gewerkschaften die Pistole auf die Brust", titelt derweil Het Laatste Nieuws. Es ist ja so: Im Januar rufen die SNCB-Gewerkschaften gleich an fünf Tagen zum Streik auf. Sie wollen damit gegen den Strategieplan der Direktion protestieren. Vor einigen Tagen war der Dialogfaden gerissen. Die Direktion kündigte an, den Plan im Alleingang durchdrücken zu wollen. Die Gewerkschaften forderten daraufhin die Benennung eines Sozialschlichters.
Die Regierung ist jetzt damit einverstanden; allerdings nur unter einer Bedingung: Es wird nur ein Sozialschlichter benannt, wenn die Gewerkschaften ihre Streikankündigung zurückziehen. Eben deswegen spricht Het Laatste Nieuws denn auch von einer "Drohkulisse".
Einer der Hauptakteure in diesem Dossier, das ist Vizepremier und Arbeitsminister Kris Peeters. La Libre Belgique und Het Nieuwsblad bringen heute ein Interview mit dem CD&V-Politiker. Und der macht von Anfang an klar, wie wichtig für ihn der Soziale Dialog ist. In La Libre räumt der Vizepremier aber ein, dass es, Zitat, "in der Regierung Leute gibt, die sich für Maggie Thatcher halten". Die frühere britische Premierministerin ist ja unter anderem dadurch bekannt geworden, dass sie die Macht der Gewerkschaften gebrochen hat.
Good Bye, Europa der 28, welcome EU der zwei Geschwindigkeiten
Apropos Großbritannien. Der britische Premier David Cameron hat beim EU-Gipfel gestern in Brüssel erneut auf Reformen gedrängt. In der Praxis verlangt er eine Reihe von Ausnahmeregelungen, die er dann seiner Bevölkerung präsentieren will, damit diese am Ende doch beim Referendum in einigen Monaten für einen Verbleib ihres Landes in der EU stimmen wird.
Das Schlimme ist, meint etwas resigniert Le Soir: Am Ende gewinnt ohnehin immer Großbritannien. Und tatsächlich haben die übrigen 27 EU-Staaten schon wieder Entgegenkommen signalisiert. Der ein oder andere ist offensichtlich bereit, Grundprinzipien auf dem britischen Altar zu opfern. Aber seien wir doch mal pragmatisch: Von einer EU mit 28 Mitgliedsstaaten kann man sich eigentlich innerlich schon einmal verabschieden und stattdessen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten ins Auge fassen.
Die Mobilitätsministerin ist in den falschen Zug eingestiegen
Zurück zur SNCB. Die sorgt nämlich in diesen Tagen nicht nur wegen der drohenden Streiks für Schlagzeilen. "Die neuen Züge der Staatsbahn sind für die belgischen Bahnsteige zu hoch", so die Aufmachergeschichte von L'Echo. Die Nationale Eisenbahngesellschaft hat gerade erst 445 neue Züge bestellt. Konkret handelt es sich um Doppelstock-Triebwagen, die also bei gleicher Länge deutlich mehr Fahrgäste transportieren können. Aufgrund der speziellen Konstruktion sind die Eingangstüren aber relativ hoch angesetzt, "zu hoch", meinen Fahrgastverbände.
L'Echo fällt denn auch ein vernichtendes Urteil: Die SNCB ist jetzt für Jahrzehnte auf dem falschen Gleis; leider ist Mobilitätsministerin Jacqueline Galant in den falschen Zug eingestiegen.
Het Belang van Limburg kann seinerseits die Investition nur begrüßen. Je mehr Fahrgäste die Bahn transportieren kann, desto eher kann sie dazu beitragen, dass sich das Stauproblem in diesem Land löst. Der Milliardenbetrag, den die SNCB in die neuen Züge investieren will, der ist jedenfalls gut angelegt.
Roger Pint - Illustrationsbild: Siska Gremmelprez (belga)