"Wie der FN zur stärksten Partei Frankreichs geworden ist", titelt Le Soir. "Können Sarkozy und Hollande retten, was noch zu retten ist?", fragt sich De Morgen auf Seite eins.
Der spektakuläre Sieg des rechtsextremen Front National bei der ersten Runde der Regionalwahlen in Frankreich sorgt weiter für Diskussionsstoff. Zwar sind die Regionen in Frankreich politisch eher zweitrangig. Viele Beobachter blicken aber schon mit Sorge auf das Frühjahr 2017. In gut anderthalb Jahren wird nämlich ein neuer Staatspräsident gewählt.
"Was wäre, wenn Le Pen am Ende Präsidentin wird?", fragt sich beunruhigt De Morgen. Und wenn es um Strategien gegen den FN geht, dann sind "Sozialisten und Konservative in Frankreich gespalten", notiert L'Echo. Das Blatt attestiert den beiden angestammten politischen Formationen im südlichen Nachbarland "Panik auf allen Ebenen". Le Soir hat denselben Eindruck: "Es gilt nur noch die Devise: 'Rette sich wer kann!'".
Bestes Beispiel: Die Sozialisten ziehen dort, wo sie erwiesenermaßen keine Chance haben, ihre Kandidaten zurück. Damit will man der konservativen Konkurrenz alle Möglichkeiten geben, den FN im zweiten Wahlgang am Sonntag doch noch zu besiegen. Für den Vorsitzenden der konservativen "Republikaner", Nicolas Sarkozy, kommt eine solche Strategie nicht in Frage.
Idealer Nährboden für rechtsextreme Parteien
Der FN bringt Rechts wie Links in die Bredouille, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. Im Augenblick gibt es erwiesenermaßen einen idealen Nährboden für rechtsextreme Parteien. Die Kombination aus Flüchtlingskrise und den Anschlägen vom 13. November haben dem FN zweifelsohne zum Sieg verholfen. Und den traditionellen Parteien, die ohnehin in einem heillosen Machtspiel verstrickt waren, ihnen fehlt im Moment jeglicher Plan. Da ist die Versuchung groß, sich am Ende hinter dem breiten Rücken der EU zu verschanzen; sprich: Europa alles in die Schuhe zu schieben. Damit würden sie aber die Parolen des FN nur noch bestätigen.
Nach den Anschlägen vom 13. November musste Marine Le Pen nicht mal mehr neue Reden oder Slogans erfinden, meint De Morgen. Sie brauchte einfach nur gegen die traditionellen Parteien zu wettern. Und eben diese Sozialisten und Konservativen sollten sich jetzt nicht darauf beschränken, über taktische Winkelzüge nachzudenken, um dem Front National doch noch den Weg zur Macht zu verbauen.
Vielmehr müssen sich insbesondere die Sozialisten die Frage gefallen lassen, warum sie Themen wie Terrorismus oder Integration immer erst dann anpacken, wenn es schon zu spät ist. Die Sozialdemokraten in ganz Europa sollten sich endlich mal mit diesem Themenkreis auseinandersetzen.
Die Wurzeln des Bösen existieren auch in Belgien
Denn: Was heute in Frankreich passiert, ist morgen überall möglich, sind sich viele Zeitungen einig. "Belgien kann auch so enden", notiert etwa Het Laatste Nieuws. La Libre Belgique und La Dernière Heure stellen die Frage andersherum: "Warum die extreme Rechte bislang im frankophonen Belgien keinen Fuß auf den Boden bekommen hat", schreiben beide Blätter. Denn, in der Tat: In der Wallonie oder in Brüssel hat es bislang noch keine rechtsextreme Partei gegeben, die politisch eine Rolle gespielt hätte.
La Libre liefert auch schon Antworten in Form von Stichworten: "Der Cordon sanitaire", die innere Zerstrittenheit der rechtsradikalen Parteien und die Tatsache, dass es im braunen Spektrum bislang keine wirkliche Führungspersönlichkeit gegeben hat.
Was nicht ist, kann aber leider noch werden, befürchtet La Libre in ihrem Leitartikel. Im Norden des Landes gibt es ja schon den Vlaams Belang. Anfang der 2000er Jahre hatte der damalige Vlaams Blok ja auch schon mal Ergebnisse erzielt, die mit denen des FN in Frankreich heute durchaus vergleichbar sind. Inzwischen wurde der Belang durch die N-VA entzaubert, die vielleicht salonfähiger ist, die aber auch teilweise mit den Grenzen flirtet. Und auch im frankophonen Landesteil würde es wohl reichen, wenn irgendwann einmal ein charismatischer Volkstribun auf die Bühne tritt. Denn nicht vergessen: Die Wurzeln des Bösen, die gibt es schon. Wir sind auch nicht dagegen immun.
Von Emanzipationszügen und Promillegrenzen
"Eine von drei Frauen fühlt sich am Arbeitsplatz diskriminiert", schreiben fast gleichlautend Le Soir und De Standaard. Es ist also immer noch schwieriger, Karriere zu machen, wenn man eine Frau ist, meint Le Soir. "Und Männer geben den Frauen bei dieser Feststellung Recht", fügt De Standaard hinzu.
Diese Umfrage zeigt einmal mehr, dass Feminismus nach wie vor längst nicht nur eine Sache für Nostalgiker ist, meint Le Soir. Der Zug der Emanzipation ist offensichtlich auf freiem Feld zwischen zwei Bahnhöfen zum Stehen gekommen. Immer häufiger hört man Sätze wie: "In der westlichen Welt haben die Frauen alles bekommen, worum sie gebeten haben." Das ist erwiesenermaßen ein Irrglaube. Gegen Vorurteile aller Art gibt es aber nur ein Mittel: Bildung.
Einige Zeitungen befassen sich weiter mit der Forderung nach einer Nulltoleranzpolitik in puncto Alkohol am Steuer. "Erhöht stattdessen die Zahl der Kontrollen", fordert das Belgische Institut für Straßenverkehrssicherheit in Het Belang van Limburg. "Ein Gläschen Aperitif, das muss möglich sein", sagt eine Polizeirichterin auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. Sie sei gegen eine Gesellschaft, "in der nichts mehr erlaubt ist", sagt die Magistratin.
Het Laatste Nieuws gibt der Richterin zu hundert Prozent Recht. Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Promillegrenze und der Zahl der Verkehrstoten. Eine Nulltoleranzpolitik, das ist populistisch gefärbter Aktivismus. Der Zweck heiligt nicht die Mittel, zumal, wenn deren Wirkung nicht erwiesen ist.
Roger Pint - Bild: Denis Charlet (afp)