"Üble Zeiten für Belgien", titelt Le Soir. "Belgien, das Klima-Fossil", so die Schlagzeile von L'Avenir.
Am ersten Tag der Weltklimakonferenz in Paris stand Belgien gleich am Pranger. Das Land bekam den Titel "Fossil des Tages" verliehen. Ein Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen will mit dieser Auszeichnung Länder brandmarken, die besonders wenig für den Klimaschutz tun. Entsprechend hat Belgien gestern also die "Rote Karte" bekommen, wie L'Avenir festhält. Und das ausgerechnet jetzt, wo Belgien international ohnehin schon am Pranger steht, Stichwort Molenbeek.
Hintergrund für den Titel "Fossil des Tages" ist vor allem die Tatsache, dass es weiterhin kein innerbelgisches Klimaabkommen gibt. Sechs Jahre lang haben der Föderalstaat und die Regionen des Landes über die interne Lastenverteilung verhandelt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wer wieviel beisteuert, damit das Land seine Klimaschutzziele erreicht.
"Flandern sagt wieder 'Nein' zum belgischen Klimaabkommen", stellt Het Belang van Limburg auf seiner Titelseite fest. Tatsächlich hat die Regierung um den N- VA-Ministerpräsident Geert Bourgeois zum zweiten Mal einen Kompromissentwurf verworfen. Stattdessen will man jetzt offensichtlich sogar die Verhandlungen teilweise neu aufrollen. "Flandern lanciert einen alternativen Klimaplan", schreibt jedenfalls De Standaard.
Peinlicher Auftritt für Premierminister Michel in Paris
Das Ganze hat den föderalen Premierminister Charles Michel in eine peinliche Situation gebracht. Der Regierungschef hatte gestern bei der Klimakonferenz seinen Auftritt. Anzubieten hatte er am Rednerpult allerdings nichts. "Er hat zwar geredet, aber nichts gesagt", fasst es denn auch De Morgen zusammen.
Het Laatste Nieuws formuliert es noch drastischer: "Michel wurde vorgeführt", schreibt das Blatt. Es ist offensichtlich, dass hier vor allem die N- VA mit beiden Füßen auf der Bremse steht.
Und Het Belang van Limburg bringt in seinem Leitartikel auch Verständnis für die harte Haltung auf. Dass die flämische Regierung ihre Finanzen im Auge behält, das ist legitim. Erneuerbare Energien sind nun einmal teuer; und die Mehrkosten, die trägt am Ende der Verbraucher. Für die Wallonie ist es geografisch bedingt leichter, alternative Energiequellen zu erschließen. Warum kann die Solidarität in diesem Land nicht einmal von Süden Richtung Norden laufen?
Vor allem eins fehlt in diesem Land: politischer Wille
Die meisten anderen Zeitungen bringen da aber deutlich weniger Verständnis auf. Besonders wütend ist Gazet van Antwerpen. Für das innerbelgische Gewurstel gibt es beim besten Willen keine Entschuldigung. Wie kann es der flämische Ministerpräsident wagen, allen Ernstes in der Öffentlichkeit von sich zu geben, dass er sich bei diesen Verhandlungen, "keine Deadline auferlegen lasse". Nach sechs Jahren? Als würde die Welt auf Flandern warten! Oder ist es einfach so, dass die N- VA einmal mehr beweisen will, dass das Land unregierbar ist? Ich für meinen Teil, so sagt die Leitartiklerin, ich schäme mich mehr noch als vor einigen Tagen, dass ich Belgierin bin.
Belgien ist offensichtlich doch ein "failed state", ein gescheiterter Staat, wettert auch De Morgen. Das gilt zumindest für die Klimaschutzpolitik. Nicht nur, dass keine Regierung in diesem Land auch nur den Hauch einer wirklichen Vision in Sachen Klimaschutz hat, jetzt glänzen wir auch noch mit gemeinschaftspolitisch gefärbter buchhalterischer Erbsenzählerei. Wenn es auch so ist, dass gerade die N- VA Belgien nur allzu gerne als "gescheiterten Staat" verkaufen will, so sollte sie nicht vergessen, dass diesmal eben nicht die PS an dem Debakel schuld ist.
Für Le Soir dürfen sich die flämischen Nationalisten hier durchaus einmal mehr bestätigt sehen. Das gescheiterte innerbelgische Klimaabkommen kann durchaus wieder als Argument für eine Siebte Staatsreform ins Feld geführt werden. Der Punkt ist: Mit jeder gescheiterten Verhandlung wächst auch bei den anderen die Akzeptanz für eine Neuordnung des Staatsgefüges. Das alles wird aber nichts daran ändern, dass in diesem Land vor allem eins fehlt: politischer Wille.
Zum Glück hängt die Zukunft des Planeten nicht von Belgien ab
Was die Sache besonders jämmerlich macht, so bemerkt De Standaard: Bei den Verhandlungen geht es um den Zeitraum 2013 bis 2020. Konkret: Das innerbelgische Klimaabkommen dreht sich um die Klimaschutzziele, auf die man sich bei der letzten Konferenz verständigt hatte. In Paris geht es um die Zukunft. Heißt: In Belgien sind wir buchstäblich einen Krieg im Rückstand. Da kann man von Glück reden, dass Belgien ein relativ kleiner Spieler ist und die Zukunft des Planeten nicht von uns abhängt. Mit seiner Kleingeistigkeit und seinem provinziellen Kirchturmdenken ist Belgien jedenfalls das beste Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.
L'Avenir sieht das genauso. Belgien wird den hehren Zielen des Weltklimagipfels nicht mal ansatzweise gerecht. Da darf man gar nicht darüber nachdenken, dass das Land in Paris durch 150 Leute vertreten wird, darunter ein halbes Dutzend Minister. Und einige von ihnen haben offensichtlich immer noch nicht kapiert, worum es geht. Nämlich um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft unseres Planeten, die so einzigartige und so verletzliche Erde.
Im Grunde ist die Politik aber da wohl nur das Spiegelbild ihrer Bevölkerung, beklagt Het Laatste Nieuws. Das Klima lässt viele von uns immer noch kalt. CO2 sieht und riecht man nicht. Und wenn es ein paar Grad wärmer wäre: wunderbar! Fakt ist jedenfalls, dass Belgien definitiv ein nicht sehr vertrauenswürdiger Partner ist, wenn es um Investitionen in erneuerbare Energien geht. Nicht vergessen: Gerade erst wurde die Laufzeitverlängerung für Doel 1 und Doel 2 endgültig besiegelt. Ein Bekenntnis zur Grünen Energie sähe wohl anders aus.