Le Soir schreibt zum Kampf gegen den Terrorismus in Belgien: Mit den Ereignissen der vergangenen Woche hat eine neue Ära begonnen. Sie ist geprägt von vielen Lehren, von denen die wichtigste ist: Wir befinden uns nicht in einem Religionskrieg, sondern wir kämpfen gegen Barbaren. Diese Barbaren manipulieren eine Religion, machen sich die Identitätskrise von Jugendlichen in der Pubertät zu eigen, um sie für die Ziele des Islamischen Staats zu instrumentalisieren. Ein Islamischer Staat, der viel mehr im Weltlichen verankert ist - Stichwort Geld und Macht - als im Spirituellen. Wenn Sicherheitsmaßnahmen kurzfristig unverzichtbar sind, so müssen wir langfristig vor allem daran arbeiten, den jungen Menschen eine Zukunftsperspektive zu gestalten, Hoffnung zu geben. Stichworte hier: Arbeit, Entfaltungsmöglichkeiten, Respekt, so Le Soir.
Das GrenzEcho stellt sich die Frage, ob wir uns nach all dem, was in den vergangenen zwei Wochen passiert ist, überhaupt noch sicher fühlen können, und antwortet: Wir werden lernen müssen, mit dem Sicherheitsrisiko zu leben. Denn so sehr die Sicherheitsdienste und die Polizei sich bemühen, das Risiko einzuschränken, nicht alles lässt sich vorbeugen - wie die Pariser Anschläge belegen. Das kommt auch daher, dass Terrorismus ein schwer fassbares Phänomen für die Sicherheitsdienste und mit anderen kriminellen Formen nicht zu vergleichen ist. Heute wird eine Terrorzelle ausgehoben, morgen wächst schon eine neue nach, schreibt das GrenzEcho.
Das Bild Belgiens in der Welt hat (weiter) gelitten
Auch La Libre Belgique zieht Bilanz: Belgien hat viele Schwächen. Das weiß die ganze Welt. Jetzt hat sich gezeigt, dass wir eine weitere Schwäche haben, nämlich die Kommunikation in Krisenzeiten. Die Unfähigkeit in diesem Bereich hat dazu beigetragen, die Bevölkerung zu verwirren. Angst wurde mehr geschürt, als dass sie beruhigt wurde. Zurzeit gilt es noch, den nationalen Konsens zu wahren. Doch wenn es erstmal an die Aufarbeitung geht, ist eins jetzt schon klar: Die Kommunikation muss professionalisiert werden, ist sich La Libre Belgique sicher.
Mit dem Bild Belgiens in der Welt beschäftigt sich auch L'Echo: Viele ausländische Journalisten haben jetzt wieder mit dem Finger auf Belgien gezeigt. Nicht immer war das fair, aber in einem haben sie doch Recht: Die Regionalisierung unseres Landes und das Denken, das über die eigene Gemeinschaft oft nicht hinausgeht, haben ihren Beitrag zu der Krise geleistet. Denn so etwas ist nicht förderlich, wenn es um Themen wie Sicherheit, Gesundheit und Mobilität für ein ganzes Land geht. Vor allem Brüssel hat die Folgen davon jetzt zu spüren bekommen. Und daran schuld und verantwortlich sind, in unterschiedlichem Grad, durchgehend alle Parteien, urteilt L'Echo.
Ohne Plan zum Klimagipfel
Ähnlich sieht das De Standaard. Belgien scheint unfähig zu sein, als ein einheitlicher Staat an einem Strang zu ziehen. Nicht nur beim Thema Terrorbekämpfung, sondern auch beim Thema Klima hat sich das gerade wieder gezeigt. Ohne ein einheitliches Konzept fährt Belgien nächste Woche nach Paris zur Weltklimakonferenz. Diese Uneinigkeit muss aufhören. Wir brauchen neue Persönlichkeiten für eine belgische Politik. Wir brauchen auch neue Mechanismen, um zurück zu den grundlegenden Aufgaben eines Staates zu kommen: Nämlich, die Sicherheit zu garantieren und den Wohlstand zu fördern. Wir müssen wieder fähig werden, Konflikte zu lösen. Sonst wird sich in unserem Land nicht viel ändern, glaubt De Standaard.
Auf den bevorstehenden Klimagipfel in Paris schaut auch De Morgen. Während der Protestmarsch in der französischen Hauptstadt aus Sicherheitsgründen untersagt und kurzerhand nach Ostende verlagert wurde, hat auf den Champs-Elysées der große Weihnachtsmarkt eröffnet. Während in Ostende viel zu wenig Polizei sein wird, um die Sicherheit der Demonstranten zu gewährleisten, sind für Weihnachtsmärkte wie in Paris, Brüssel und anderen Städten genug Kräfte vorhanden, um die Terrorgefahr von diesen Märkten fernzuhalten. Sind Menschen, die Glühwein trinken, schützenswerter als Klima-Demonstranten? Ist die Sicherheitspolitik wirklich politisch so neutral, wie wir alle glauben wollen?, fragt sich De Morgen.
Trotz Trauer für Terroropfer auch Kritik an Frankreich
Äußerst kritisch kommentiert L'Avenir die gestrige Trauerfeier in Paris für die Opfer der Attentate vom 13. November: Frankreich hat gestern wieder mal seine Größe demonstriert, sich als Land der Aufklärung und des Gegenpols zu allem Radikalen gezeigt. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn es gibt auch das arrogante Frankreich. Das Land war schon vor Freitag, dem 13., im Krieg. Frankreich verkauft Waffen in alle Teile der Welt und benutzt sie selbst. Nämlich immer dort, wo jemand anderes andere Interessen verfolgt. Frankreich bombardiert und tötet. Und nicht nur die Dschihadisten des IS. Jede Bombe, die zehn Zivilisten tötet, erzeugt zehn Personen, die Rache üben wollen. Auch das ist Frankreich, das gestern um seine Opfer getrauert hat, schreibt L'Avenir.
Auch Het Laatste Nieuws übt Kritik an Frankreich: Das Licht geht aus, nicht nur für Präsident François Hollande und seine Regierung, die in Frankreich völlig unpopulär geworden sind. Sondern auch für die hoch und heilig gehaltenen Werte der Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit. Gestern hat Frankreich an den Europarat gemeldet, dass es sich an die Europäische Menschenrechtskonvention beim Kampf gegen IS nicht mehr gebunden fühlt. Das ist schlimm. Und wir können nur hoffen, dass der Affe, der die Franzosen bei dieser Entscheidung geritten hat, nicht auch nach Brüssel kommt, so Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)