Die meisten Kommentatoren und Leitartikler beschäftigen sich mit der Frage, welche Maßnahmen man ergreifen muss, um sinnvoll auf die Anschläge von Paris zu reagieren. Das Kernkabinett um Premierminister Charles Michel (MR) hat sich Mittwoch Abend auf ein Maßnahmenpaket geeinigt, das heute in der Kammer offiziell vorgestellt wird. Einige Zeitungen bringen schon heute Kernpunkte dieses Pakets.
Der wichtigste Beschluss für sie ist, dass zurückkehrende Syrienkämpfer direkt festgenommen und ins Gefängnis gesteckt werden dürfen. "Ex-Dschihadisten kommen direkt ins Gefängnis", lautet die entsprechende Schlagzeile von La Libre Belgique. "Knast für Rückkehrer aus Syrien", schreibt Le Soir. Und fast gleichlautend De Standaard: "Zurückkehrende Syrienkämpfer ins Gefängnis".
Was tun gegen zurückkehrende Syrienkämpfer?
Für eine detaillierte Analyse der neuen Maßnahmen ist es für die Zeitungen noch zu früh. Deshalb lassen sie sich nur allgemein dazu aus, wie die Reaktionen auf die vergangenen Tage am besten aussehen sollten. La Libre Belgique meint: Man kann natürlich nicht alle Verdächtigen sofort festnehmen. Es ist sehr wichtig, die Unschuldsvermutung zu beachten.
Trotzdem darf die Frage erlaubt sein, ob diese radikalen Personen, die sich dafür entscheiden, nach Syrien zu gehen, um dort zu kämpfen, und wir davon erfahren, nicht ihr Recht auf Freiheit verlieren sollten. Sie sind tickende Zeitbomben. Denn es sind diese Personen, die Terroranschläge verüben. Hätte Belgien früher so gehandelt, hätte man die Anschläge von Paris vielleicht verhindern können, spekuliert La Libre Belgique.
Ganz anders dagegen Le Soir. Die Zeitung warnt: Beim Kampf gegen die Barbarei gibt es zwei Dinge zu beachten. Erstens müssen wir alles in Bewegung setzen, um gefährliche Elemente so früh wie möglich unschädlich zu machen, um Anschläge zu vermeiden. Zweitens gilt es aber auch, die Grundlagen unserer Demokratie zu bewahren. Dazu gehört auch die Freiheit.
In Krisenzeiten wie heute läuft die Demokratie Gefahr, diese Werte in Frage zu stellen. Die Demokratie hat also alles zu verlieren. Verwechseln wir nicht Sicherheit mit Repression. Aber das macht auch keiner, oder?, fragt sich Le Soir.
Het Nieuwsblad findet: Egal, was Charles Michel uns heute präsentiert, die Maßnahmen müssen auf dem Hintergrund von vier Fragen beschlossen worden sein. Erstens: Wissen wir, was falsch gelaufen ist? Zweitens: Machen die Maßregeln die Sicherheitsdienste effizienter? Drittens: Fühlen wir uns sicherer und sind wir das auch? Und viertens: Ist genug Geld dafür vorhanden? Nur wenn man die richtigen Antworten auf diese Fragen gefunden hat, werden die Maßnahmen ihre Wirkung zeigen, so Het Nieuwsblad.
Mehr in den Geheimdienst investieren - und in gemäßigte Muslime
Die Wirtschaftszeitung L'Echo hat zu dem Vorgehen gegen Islamisten schon konkrete Ideen: Terroristen sind Menschen und haben deshalb Schwächen. Sie sind in Gruppen organisiert, die auch Probleme und Schwachstellen haben, zum Beispiel logistischer Art. An diesen Schwachpunkten müssen wir ansetzen. Wir müssen die potentiellen Terroristen erkennen, sie überwachen und sie dazu benutzen, um sich selbst unschädlich zu machen.
Die Informationen des Geheimdienstes sind der Schlüssel, um die Dschihadisten zu bekämpfen. Hier darf nicht an Investitionen gespart werden. Und auch nicht bei der Unterstützung der gemäßigten Moslems, sei es in Belgien, Europa oder Syrien. So könnte der Kampf gegen den Terror gewonnen werden, glaubt L'Echo.
Dem schließt sich De Morgen in gewisser Weise an: In Gent gibt es den Imam Brahim Laytouss. Er setzt alle Hebel in Bewegung, um gläubige Moslems von der Radikalisierung fernzuhalten: Er bietet Bildungsprogramme für Kinder und Jugendliche an; er organisiert Internetkampagnen, um vor Islamisten zu warnen; er hat eine Whatsapp-Gruppe gegründet, der mittlerweile Hunderte gemäßigte Imame in Europa angehören. Solche Menschen gilt es zu unterstützen.
Das Problem ist nur, dass viele Moscheen ihr Geld von Ländern erhalten, die an einem aufgeklärten Islam nach europäischem Zuschnitt kein Interesse haben. Die Türkei, Marokko und Saudi-Arabien gehören zu diesen Ländern. Und unsere Politiker versäumen es, bei Gesprächen mit diesen Ländern dieses Problem anzusprechen. Das ist ein großer Fehler. Und auch ein Grund dafür, warum wir in den vergangenen Tagen so viel Schreckliches erlebt haben, meint De Morgen.
Für den Kampf gegen den IS werden Prinzipien über Bord geworfen
Auch Het Laatste Nieuws schaut ins Ausland. Die Anschläge in Paris haben eine bemerkenswerte Konsequenz: Plötzlich ist es allen westlichen Mächten, angeführt von Frankreich, ganz besonders wichtig, den IS in Syrien zu zerstören. Da werden schnell vormals gehegte Prinzipien über den Haufen geworfen.
Eine Ächtung Russlands wegen der Ukraine oder des Abschusses einer Passagiermaschine? Assad als Schlächter seines eigenen Volkes? Alles nicht mehr so wichtig. Sie sind jetzt als Partner im Kampf gegen den IS willkommen. Das ist schon eine große Kröte, die wir da zu schlucken haben, findet Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner - Bild: Bruno Fahy (Belga)