"Massaker in Paris", titelt Le Soir. "Blutbad in Paris", so die Schlagzeile von La Libre Belgique, L'Avenir und Gazet van Antwerpen. "Terror in Paris", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins.
Frankreich, besser gesagt die ganze Welt, steht unter Schock. Am Abend wurde die französische Hauptstadt von einer beispiellosen Terrorwelle erschüttert. Es gab mindestens sechs Anschläge, die an verschiedenen Orten nahezu gleichzeitig stattfanden. "Blut und Feuer in den Straßen von Paris", fasst es La Dernière Heure zusammen. "Schießereien und Explosionen; mindestens 120 Tote", schreibt L'Avenir. "Diese Attacke ist ohne Beispiel, es ist der blanke Horror", zitiert das Blatt einen Augenzeugen.
Die dramatischsten Szenen ereigneten sich in einem bekannten Pariser Konzertsaal, dem Bataclan. Dort fand gerade ein Rockkonzert statt, ausverkauft, 1.500 Zuschauer. "Plötzlich stürmten fünf oder sechs bewaffnete Männer das Gebäude. Erst schossen sie wild um sich. "Sie knallten alle ab, einen nach dem anderen", zitiert Het Nieuwsblad einen Überlebenden. Im Anschluss nahmen die Täter Geiseln. Gegen 1:00 Uhr wurde das Gebäude von den Sicherheitskräften gestürmt. Drei der Attentäter sprengten sich in die Luft, ein vierter wurde von der Polizei erschossen. Die Bilanz ist dramatisch: Allein im Bataclan wurden mindestens 80 Konzertbesucher getötet.
Mehrfachanschlag: Bataclan, Cafés, Restaurants, Stade de France
Ganz in der Nähe waren quasi zeitgleich mit dem Angriff auf den Bataclan auch Schüsse zu hören. Im Zehnten und Elften Arrondissement wurden mehrere Cafés und Restaurants attackiert. Auch hier schossen die Täter wahllos um sich. Viele Zeitungen bringen auf ihren Titelseiten schreckliche Fotos: Zu sehen sind Café-Terrassen im Herzen der französischen Hauptstadt, auf denen zugedeckte Leichen liegen. Auf anderen Bildern sieht man Menschen, die sichtbar unter Schock stehen.
Und dann wurde auch noch eine Serie von Selbstmordanschlägen gemeldet. In der Nähe des Stade de France sprengten sich offenbar drei Attentäter in die Luft. "Es sind die ersten Selbstmordanschläge auf französischem Boden", schreibt De Standaard auf Seite eins. In dem Stadion fand gerade das Freundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland statt. Der französische Präsident François Hollande, der sich auf der Ehrentribüne befand, wurde umgehend aus dem Stadion in Sicherheit gebracht.
Wenig später trat Hollande vor die Presse und kündigte eine fast beispiellose Maßnahme an: Der Ausnahmezustand wird verhängt, und zwar für das ganze Land. "Hollande schließt die französischen Grenzen und ruft die Armee zur Hilfe", notiert denn auch Het Nieuwsblad. Die Zeitung spricht von "nie dagewesenen Maßnahmen".
War es die Terrorgruppe Islamischer Staat?
Verschiedene Augenzeugen gaben an, dass einige Angreifer offenbar "Allah Akbar", "Gott ist groß", gerufen haben. "Alles weist auf die Terrorgruppe IS", meint Le Soir in einem Kommentar. Zwar hat sich noch niemand offiziell zu der Terrorwelle bekannt, der Verdacht ist aber naheliegend. Gerade in den letzten Tagen hatte sich gezeigt, dass die Terrororganisation wegen des Drucks an ihrer Heimatfront in Syrien und im Irak ihre Aktionen zunehmend "nach außen" verlagert hat. Jüngste Beispiele sind der mutmaßliche Anschlag auf ein russisches Verkehrsflugzeug oder das doppelte Bombenattentat in Beirut. Im Nahen Osten ist IS in der Defensive; und jetzt wollen die Terroristen eben beweisen, dass sie keineswegs an Schlagkraft verloren haben.
Für La Dernière Heure ist Frankreich jetzt "im Kriegszustand". Die Terroristen schlagen in unseren Städten zu. Was da am Freitag in Paris geschehen ist, hätte auch Brüssel treffen können. Man muss den Realitäten ins Auge sehen: Der Terrorismus ist überall.
"Wo soll das noch enden?", fragt sich Het Nieuwsblad. Wieder wurde Paris zum Ziel eines barbarischen Anschlags. Eine Stadt, die die meisten von uns mit Romantik verbinden, Mode, gutem Essen. Und jetzt muss man schmerzlich feststellen, dass nach Cartoonisten nun auch Restaurant- und Konzertbesucher ihres Lebens nicht mehr sicher sein können. Die Reaktion ist vorhersehbar: verschärfte Sicherheitsvorkehrungen, schwerbewaffnete Soldaten, vielleicht sogar am Ende Security-Checks an jeder Straßenecke. Bis wir feststellen, dass auch das nicht ausreicht. Wie soll das bloß enden? Es gibt im Moment viel mehr Fragen als Antworten.
"Nous sommes tous des Parisiens"
"Wieder Paris", bemerkt jedenfalls De Standaard auf Seite eins. Noch vor zehn Monaten, am 7. Januar, hatte ja ein brutaler Anschlag von islamistischen Terroristen auf die Satirezeitung Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt Frankreich erschüttert.
Jetzt erst recht sind wir alle Bürger von Paris, unterstreicht denn auch Le Soir, dessen Titelseite im Übrigen ganz in schwarz gehalten ist. "Nous sommes tous des Parisiens". Die Terroristen wollten Frankreich ins Herz treffen. Den Opfern gilt unser ganzes Mitgefühl. Dennoch sollten wir jetzt einen kühlen Kopf behalten. Eine Gewaltspirale, in diese Falle dürfen wir nicht tappen. Viel mehr ist das alles ein Grund mehr, jetzt unter Hochdruck nach politischen Lösungen zu suchen, um Syrien und den Irak zu befrieden. Wir müssen den Terroristen das Wasser abgraben.
La Libre Belgique sieht das ähnlich: Jeder weiß, dass man für den Kampf gegen die verblendeten religiösen Fanatiker einen langen Atem brauchen wird. Die tieferen Wurzeln des Terrorismus auszureißen, das geht nicht von heute auf morgen. Und es wird wohl auch nicht der letzte Anschlag gewesen sein. Umso wichtiger ist es, dass die Bevölkerung die Ruhe bewahrt. Deswegen auch der flammende Appell von La Libre: "Lasst uns stärker sein als der Hass".
Roger Pint - Kenzo Tribouillard/AFP