"Der Todesfahrer ist mit seiner Freundin und seinem Vater untergetaucht", titelt das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws. "Der Todesfahrer bekam schon drei Mal den Führerschein abgenommen", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Vor allem in Flandern sorgt seit einigen Tagen ein tragisches Verkehrsunglück für Schlagzeilen. Am Mittwoch war in Vilvoorde die zwölfjährige Merel angefahren worden. Der Unfallfahrer ergriff die Flucht. Das Mädchen verstarb wenig später im Krankenhaus. Nach Auswertung von Bildern einer Überwachungskamera konnten aber der Wagen und auch der Fahrer identifiziert werden. Es handelt sich dabei um einen 21-jährigen Mann aus Schaerbeek.
Der Mann ist seitdem spurlos verschwunden. Nicht ausgeschlossen wird, dass der Mann mit türkischen Wurzeln sich in die Heimat seiner Familie abgesetzt hat. Der 21-Jährige ist in punkto Verkehrsdelikte offensichtlich kein unbeschriebenes Blatt. Het Nieuwsblad nennt ihn einen "Straßencowboy". Die Familie der toten Merel ruft ihn auf, sich zu stellen: "Komm zurück und melde dich bei der Polizei!", so der eindringliche Appell in Het Laatste Nieuws.
Irgendwann wird man ihn schon finden, meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Doch was dann? Auf Fahrerflucht stehen eine Höchststrafe von 2.400 Euro und eine Haftstrafe von zwei Jahren. In der Praxis wird er wohl kaum längere Zeit hinter Gittern verbringen. Eine Reform ist hier überfällig. Polizeigerichte müssen die Möglichkeit bekommen, bei schweren Verkehrsdelikten viel strengere Strafen zu verhängen. Denn nur das schreckt Verkehrsrowdys wirklich ab. Unverantwortliches Fahrverhalten, sei es überhöhte Geschwindigkeit oder auch Fahren unter Drogen- oder Alkoholeinfluss, das ist nichts anderes als eine mutwillige Straftat.
Jacqueline Galant, unfreiwilliger "Star" der Schlagzeilen
Die umstrittene Mobilitätsministerin Jacqueline Galant schafft es derweil nicht, von den Titelseiten zu verschwinden. La Libre Belgique etwa bringt heute ein Porträt der MR-Politikerin. Titel: "Die Unkontrollierbare". Galant ist ja im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie ein Anwaltsbüro engagiert hatte, dieser Auftrag aber nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben wurde. In dieser Sache wird sie von der Opposition der Lüge bezichtigt. Sogar Premier Charles Michel musste einräumen, dass seine Ministerin "unvorsichtig" gewesen sei.
Der frankophone Flügel der Föderalregierung wirkt in diesen Tagen doch allzu zerbrechlich, analysiert L'Echo in seinem Leitartikel. Neben Galant gerät ja auch die MR-Energieministerien Marie-Christine Marghem regelmäßig in die Bredouille. Und auch die übrigen MR-Minister machen nicht immer den solidesten Eindruck. Dabei wussten die frankophonen Liberalen doch, dass es als einzige frankophone Partei in dieser Regierung ein harter Job würde. Die unaufhörlichen Pannen verdecken jedenfalls die durchaus auch positiven Anstrengungen dieser Regierung. Es wird Zeit, dass Premier Michel seine Equipe auf Linie bringt und ihr Ambition einhaucht.
De Morgen glaubt seinerseits schon, eine Werteverschiebung zu erkennen. Jacqueline Galant hat gegen einige Grundregeln verstoßen. Dass sie noch auf ihrem Stuhl sitzt, hat rein taktische Gründe. Nach dem Ausscheiden des blassen Haushaltsministers Hervé Jamar wollte man wohl den Eindruck einer Gurkentruppe vermeiden. Marie-Christine Marghem hat auch erwiesenermaßen schon das Parlament belogen. Premier Michel geht ein großes Risiko ein, wenn er solche Fehler deckt. Hier wird auf Dauer Fehlverhalten zur Norm.
Gescheitertes belgisches Klimaabkommen: ein Debakel
Apropos Marie-Christine Marghem: Die Energieministerin hatte für die Föderalregierung die Verhandlungen über das innerbelgische Klimaabkommen geführt. Vor einer Woche wurde mit Pauken und Trompeten ein Entwurf vorgelegt, in dem sich also der Föderalstaat und die Regionen auf die Lastenverteilung beim Klimaschutz verständigt hatten. Die N-VA übte aber postwendend Kritik; das Abkommen falle zum Nachteil Flanderns aus. Jetzt verlangt auch der Föderalstaat Neuverhandlungen, allerdings werden dafür technische Gründe angeführt.
Für L'Avenir ist nach wie vor offensichtlich, dass die N-VA das Abkommen gekippt hat. Und dafür gab es allein gemeinschaftspolitische Gründe. Den Klimaschutz zum Anlass zu nehmen, um einen neuen Streit zwischen Flamen und Wallonen vom Zaun zu brechen, ist aber vollkommen hirnrissig, meint das Blatt. Wir brauchen jetzt eine entschlossene Klimaschutzpolitik, jedenfalls keine engstirnigen Sandkastenquerelen.
Was für ein Debakel!, wettert auch Het Nieuwsblad. Noch vor einer Woche lachten die vier Minister in die Kameras und präsentierten stolz ihr Klimaabkommen, das dann aber nur wenige Tage später in Scherben flog. Die Gefahr ist groß, dass Belgien bei der Klimaschutzkonferenz von Paris in einem Monat ohne eine einheitliche Position dasteht. Und wenn es doch noch eine Einigung gibt, dann wird es bestimmt kein ehrgeiziger Plan sondern allenfalls der kleinste gemeinsame Nenner.
"Beschämend!", meint auch das GrenzEcho. Um das Klimaproblem in den Griff zu bekommen, müssen vor allem die Industrieländer das Ruder herumreißen. Und der ohnehin schon magere belgische Kompromiss-Entwurf wurde dann zu allem Überfluss noch auf dem Altar gemeinschaftspolitischer Interessen geopfert. Wenn die Belgier bei den Verhandlungen in Paris eine Rolle spielen und andere Länder mit ins Boot bekommen wollen, dann müssen sie erst zu Hause die richtigen Schritte setzen. Und zwar schnell!
Flüchtlingsunterbringung à la belge
"Die Flüchtlinge werden in heruntergekommenen Gebäuden untergebracht", titelt De Morgen. Anscheinend sind demnach einige Flüchtlingsheime in einem doch grenzwertigen Zustand. "Die Menschen landen in alten Kasernen mit undichten Dächern", beklagt ein Mitarbeiter des Flüchtlingshilfswerks.
Het Laatste Nieuws hebt auf seiner Titelseite einen anderen Aspekt hervor: "Die Minister nehmen Tausend Flüchtlinge in ihren eigenen Gemeinden auf", schreibt das Blatt. Tatsächlich hat Asylstaatssekretär Theo Francken angekündigt, dass 300 Asylbewerber in Lubbeek untergebracht werden sollen, wo er Titularbürgermeister ist. In Brasschaat, der Heimat von Innenminister Jan Jambon, werden 250 Flüchtlinge aufgenommen. Gazet van Antwerpen ist voll des Lobes. Niemand kann der Föderalregierung vorwerfen, ihre Macht zu missbrauchen, indem sie die eigenen Wahlkreise in der Flüchtlingskrise schont. Dieses Vorgehen ist ein Beweis mehr dafür, dass die Koalition in dieser heiklen Angelegenheit weitgehend gute Arbeit leistet. Die Politik ist effizient, und sie wird auch gut kommuniziert. Das mag ein Grund dafür sein, dass es im Gegensatz zu anderen Ländern in Belgien bislang noch ziemlich ruhig geblieben ist.
Illegale Überwachungskameras und ein "explosiver" Skiurlaub
Bemerkenswerte Schlagzeile auf Seite eins von La Dernière Heure: "Die Bilder von 15.000 Überwachungskameras sind illegal", schreibt das Blatt. Zu diesem Schluss kommt Philippe Pivin, der nicht nur Bürgermeister von Koekelberg, sondern auch Jurist ist. Der hatte die geltende Rechtslage überprüft, und hat dabei das Problem bemerkt.
"Prinz Laurent fährt mit dem Geld seiner Dotation in Skiurlaub", titelt Het Nieuwsblad. Demnach hat der Rechnungshof vernichtende Kritik an der Abrechnung des Prinzen geübt. In der Akte steckt Sprengstoff, heißt es.
Roger Pint - Illustrationsbild: Nicolas Lambert (belga)