Zahlreiche belgische Tageszeitungen kommentieren die geplatzte Klimavereinbarung. Nach jahrelangen Verhandlungen waren sich Föderalstaat und Regionen einig geworden, wie die Anstrengungen zum Klimaschutz untereinander verteilt werden sollen. In Flandern torpedierte die N-VA den Beschluss. Nach Ansicht der Partei werde Flandern benachteiligt.
Es ist mal wieder ein wenig erhebendes Schauspiel, so Gazet van Antwerpen. Während der Rest der Welt in Kürze beim Klimagipfel in Paris versucht, über internationale Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten, ist man sich in Flandern uneinig. Die N-VA ist der Ansicht, dass die flämische Umweltministerin Joke Schauvliege von der CD&V einen unvorteilhaften Deal gemacht hat. Die Zeitung fragt sich, ob die N-VA genauso reagieren würde, wenn die Vereinbarung mit der Wallonie und Brüssel von ihren eigenen Leuten verhandelt worden wäre.
Doch viel wichtiger ist nun, dass die Diskussionen schnellstmöglich beigelegt werden. Ansonsten wird wohl weltweit über unser Land wieder höhnisch gelacht werden. Der Erhalt unserer Erde darf nicht zum Spielball gemeinschaftspolitischer Streitigkeiten werden. Denn dabei geht es um nichts weniger als um die Zukunft unserer Kinder und Enkel, warnt Gazet van Antwerpen.
Klimavereinbarung: ein peinliches Schauspiel für Belgien
Auch De Morgen hat für die Diskussionen wenig übrig. Die flämische und die föderale Regierung scheinen den von ihnen zutiefst verabscheuten früheren Regierungen ähnlicher als sie glauben. Sie beschließen Prinzipvereinbarungen, deren Haltbarkeitsdatum nicht einmal bis zum nächsten Tag reicht. Was dieses Schauspiel so peinlich macht, ist, dass es in dieser Diskussion nicht mehr um Ambitionen geht. Die Klimavereinbarung fragt nicht mehr, was wir für einen nachhaltigen Klimaschutz tun müssen. Es geht höchstens darum, was wir weniger tun müssen, als ursprünglich versprochen.
Und selbst bei einem solch schlaffen Kompromiss werden wir uns scheinbar nicht einig. Bei allen Sparmaßnahmen sollen wir die Zukunft unserer Kinder im Auge haben: Indexsprung, länger und härter arbeiten, mehr bezahlen für Energie, Kinderbetreuung, Unterricht, Altenpflege - alles für unsere Kinder. Aber das Klima? Nein, das bringt die Zukunft unsere Kinder scheinbar nicht in Gefahr, spottet De Morgen.
"Die N-VA gewinnt mit ihrer Strategie immer"
Für L'Avenir ist das Ganze nur ein Beispiel dafür, dass die N-VA mit ihrer Strategie immer gewinnt. Wenn sie im Recht ist, dann spielt sie sich als flämische Jeanne d'Arc auf, die alles für ihre Region erreicht. Wenn nicht, macht sie einen auf Résistance und jeden Kompromiss zunichte und beweist damit, dass das gemeinsame Leben unter einem Dach von jetzt an unmöglich sei, so L'Avenir.
Für Het Belang van Limburg muss man das Ganze durch zwei verschiedene Brillen sehen. Beschaut man sich das Ganze durch die klassische gemeinschaftspolitische Brille, dann ist es keine gute Vereinbarung. Dass wallonische und Brüsseler Regierung sie so schnell für gut befanden, kann man als Beweis dafür sehen. Man kann es aber auch anders sehen. Wenn Flandern wenig Emissionsrechte erhält, dann müssen andere Ziele verfolgt werden. Zum Beispiel die Reduzierung von Treibhausgasen und die Steigerung erneuerbarer Energiequellen.
Man kann es als eine Herausforderung für die flämische Regierung, die Wissenschaft und die Unternehmen sehen. Nehmen sie diese an, dann kann das die technologische Wettbewerbsfähigkeit der flämischen Betriebe erhöhen und deren Zukunft sichern.
Jambons "Badge"-Idee nur nächste Strophe im alten N-VA-Lied?
Le Soir kommt auf den Vorschlag von Innenminister Jan Jambon zurück, Asylbewerber mit einem Badge auszustatten. Dieser soll dazu dienen, polizeiliche Kontrollen zu vereinfachen. Die Idee sorgte gestern für einigen Aufruhr in den sozialen Medien. Für den Minister, so Le Soir, soll diese Maßnahme das Leben des Asylbewerbers erleichtern.
Außerhalb des Kontexts mag das stimmen. Doch leider ist er da, dieser Kontext. Es sind die Briefe an die Iraker, in denen sie entmutigt werden sollen, Asyl zu beantragen. Es sind die Vorschläge von Bart De Wever, dass Kriegsflüchtlinge nicht sofort Zugang zur sozialen Sicherheit haben. Genauso wie seine Forderung nach Schließung der Grenzen. Es sind die Vorschläge der N-VA, die Kinderzulagen zu verweigern, wenn man nicht seit mehreren Jahren in Belgien lebt. Es sind die völkerrechtswidrigen Asylrechtsbedingungen.
An der Badge-Affäre ist noch keiner gestorben. Doch die N-VA hat hiermit wieder einmal ihr arglistiges Lied von der Angst vor dem Anderen angestimmt. Ein Lied, dessen Parolen diesmal doch allzu direkt an die jüngere Geschichte erinnern, so Le Soir.
... oder doch "Schutz" und "Form der Anerkennung"?
De Standaard findet die Idee des Badge gut. Ihn mit dem Judenstern zu vergleichen, sei übel. Der Badge macht die Träger nicht zu Ausgestoßenen, das waren sie schon von dem Tag an, als sie in unserem Land angekommen sind. Im Gegenteil, er ist Form einer Anerkennung und gibt ihnen Rechte, die sie vorher nicht besaßen.
Weil der Badge es einfacher macht, eventuellen Missbrauch zu kontrollieren, schützt er die Träger vor ständigen Verdächtigungen. Der Empfang einer außergewöhnlich großen Gruppe von Menschen, in der ein Teil Recht auf Asyl hat, aber viele auch nicht, ist eine Notsituation. Eine Notsituation verlangt eine besondere Herangehensweise.
Rechte und Freiheit müssen bewahrt werden. Aber der Zustand muss beherrschbar bleiben. Tapfer über den Badge zu twittern, benötigt wenig Engagement. Wer wirklich etwas für die Menschen tun will, der kann doch einfach mal mit ihnen sprechen.
vk - Bild: Jonas Hamers (belga)