"Die Streikbewegung radikalisiert sich", titelt Le Soir. "Gleisanlagen sabotiert, Autobahn blockiert", schreibt Het Nieuwsblad. "Soziale Entgleisung bei der FGTB", so La Dernière Heure. Zu den besetzten Gleisen, der blockierten E40 bei Lüttich und den brennenden Holzpaletten auf der Autobahn meint La Libre Belgique:
Die Aktionen einiger Mitglieder der sozialistischen Gewerkschaft sind schlicht und ergreifend skandalös. Den Zugverkehr im Süden des Landes fast vollständig zum Erliegen gebracht, die einzige Autobahnverbindung von Lüttich sowohl nach Brüssel als auch nach Deutschland gesperrt, und, zu allem Überfluss, durch die Feuer auch noch den Straßenbelag schwer beschädigt zu haben - reife Leistung, Jungs, fasst es die Zeitung sarkastisch zusammen. Diese Vorfälle diskreditieren die Gewerkschaften und ihre Anliegen.
La Libre Belgique kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum sich die FGTB-Bosse nicht von den Hitzköpfen in ihren Reihen distanzieren.
FGTB-Steilvorlage für Premierminister Michel
Ähnlich äußert sich Le Soir: Von der Kunst, sich unbeliebt zu machen, resümiert das Blatt die Exzesse der FGTB. Bei der breiten Öffentlichkeit hat die sozialistische Gewerkschaft so sicher nicht gepunktet. Der Einzige, der sich bedanken wird, ist Charles Michel - und zwar für die Steilvorlage der Arbeitnehmervertretung.
L'Avenir kann die Sorgen und die Argumente der Gewerkschafter zwar nachvollziehen, das rechtfertigt aber keinesfalls das übertriebene Vorgehen. Gewalt ist ein Zeichen der Schwäche, die Waffe der Feiglinge meinen La Libre Belgique und La Dernière Heure. Dass die FGTB alleine in den Arbeitskampf gezogen ist, hinterlässt bei L'Avenir einen bitteren Beigeschmack.
Weder die christliche noch die liberale Gewerkschaft machen mit, da bleibt der Eindruck nicht aus, dass dieser Streik vermeidbar war. Vielleicht spielen die Sozialwahlen im kommenden Jahr bereits eine Rolle - eine sehr beunruhigende Aussicht, so das Blatt.
Het Belang van Limburg fordert die Gewerkschaften auf, von ihren Streiks abzusehen. Bei der Bahn etwa beklagt sich das Personal, dass viel Geld für teure externe Berater ausgegeben wird, anstatt die Mitarbeiter selbst zur Zukunft ihres Unternehmens zu befragen. Statt zu streiken und Pendler in Geiselhaft zu nehmen, sollten die Gewerkschaften lieber eigene, konstruktive Vorschläge einbringen.
Horeca: Automatische Registrierkassen jetzt für (fast) alle
"Registrierkassen auch für kleinere Gastronomiebetriebe", titelt Het Laatste Nieuws. Zum 1. Januar 2016 müssen Cafés und Restaurants in Belgien automatische Registrierkassen verwenden. Ausgenommen waren bislang Gaststätten, die weniger als zehn Prozent ihres Umsatzes mit Essen erzielen. Der Staatsrat hat nun geurteilt, dass diese Ausnahme ungerecht ist und deshalb alle Horeca-Betriebe gleich zu behandeln sind. Die Folge: Alle Kneipen und Cafés werden künftig Registrierkassen benutzen müssen, wenn sie mehr als nur kleine Snacks wie Chips und Erdnüsse anbieten.
Gazet van Antwerpen findet: Dass die Regierung Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung in der Gastronomiewelt bekämpfen will, ist lobenswert. Allerdings bemängelt das Blatt, dass die Gesetze nicht wohl durchdacht sind und deshalb Schlupflöcher bieten. Genauso sieht es Het Nieuwsblad: Das ist in Belgien oft ein Problem. Nur allzu selten wird ein Gesetz im Staatsblatt veröffentlicht, ohne dass danach noch einmal der Korrekturstift angesetzt werden muss.
Bürger sollen Verkehrsministerin helfen
In einem offenen Brief in De Standaard bittet Verkehrsministerin Jacqueline Galant die Belgier um Mithilfe für mehr Sicherheit auf den Straßen. Der Staat stoße bei seinem Vorhaben, die Anzahl von Verkehrstoten bis 2020 zu halbieren, an seine Grenzen. "Ich bin Ministerin, nicht Zauberin", erklärt die MR-Politikerin und fordert die Menschen im Land auf, ihre Ideen einzubringen. Mit strengeren Verkehrsregeln und mehr Polizeikontrollen allein werde man die Anzahl an Verkehrstoten von derzeit 700 im Jahr nicht auf die angepeilten 400 senken können.
De Standaard begrüßt den ungewöhnlichen Vorstoß der Ministerin. Zwei Tote pro Tag auf unseren Straßen - das sollte uns zum Umdenken bewegen. Der lasche und selektive Umgang mit Verkehrsregeln hierzulande muss ein Ende haben. Überhöhte Geschwindigkeit, Alkohol am Steuer und Herumspielen mit dem Handy, also vermeidbares menschliches Fehlverhalten, sind die häufigsten Unfallursachen, mahnt das Blatt.
"Es braucht nur einen Verrückten..."
Het Laatste Nieuws greift einen Vorfall in Gent auf. In einer Schießbude waren Fotos von Staatssekretär Theo Francken als Zielscheibe benutzt worden. Die Verantwortlichen wollten mit der Aktion die Flüchtlingspolitik des N-VA-Politikers kritisieren. Sie mögen das zwar lustig gefunden haben, aber das Beispiel Köln zeigt, wie schnell aus solchen "Scherzen" blutiger Ernst werden kann. Es braucht nur einen Verrückten, der mit einem Messer zusticht...
Fast provokativ meint Het Laatste Nieuws schließlich: "Die Deutschen sind nicht besser als der Rest der Welt". Der VW-Skandal, die möglicherweise gekaufte Fußball-WM, das Doping von Radprofi Jan Ulrich, die Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß: Die Deutschen sind keinen Deut besser als wir Belgier, Franzosen, Italiener oder Griechen.
ak - Bild: Nicolas Lambert (belga)