"Ihre Gruppenversicherung wird weniger einbringen", so die warnende Schlagzeile von Het Belang van Limburg. "Die Gruppenversicherungen werden weniger attraktiv", schreibt auch La Libre Belgique. Einige Zeitungen wissen es genauer: "Die Mindestrendite der Zusatzrenten wird halbiert", notiert etwa L'Echo auf Seite eins. Het Laatste Nieuws kommt zu einem drastischeren Fazit: "Die Gruppenversicherungen werden um ein Viertel beschnitten".
Im Mittelpunkt steht hier also die betriebliche Altersvorsorge, das für viele zweite Pensionsstandbein. In der Praxis zahlen sowohl der Mitarbeiter als auch der Arbeitgeber in diesen Sparstrumpf ein. Bislang war es so: Für diese Gruppenversicherungen galt ein fester Zinssatz von 3,25 beziehungsweise 3,75 Prozent. Angesichts der derzeit niedrigen Zinssätze drängten aber insbesondere die Unternehmen auf eine Reform des Systems. Arbeitgeber und Gewerkschaften einigten sich jetzt auf einen Kompromiss. Demnach wird ein variabler Zinssatz festgelegt. Garantiert ist eine Mindestrendite von 1,75 Prozent, die je nach Marktumfeld auf bis zu 3,75 Prozent steigen kann.
Gruppenversicherung-Einigung: Der Soziale Dialog lebt
"Das ist eine kalte Dusche", meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Was hier passiert, das ist zumindest ein kleiner Tabubruch. Hier werden im laufenden Spiel die Regeln geändert. Das schürt das Misstrauen, das viele Bürger ohnehin schon dem System gegenüber empfinden. Die Reform der Zusatzrenten ist ein Zeichen an der Wand. Wir wissen, dass die Pensionen mit Sicherheit nicht mehr spürbar steigen werden. Soviel zum Thema Generationsgerechtigkeit. Diejenigen, die längst überfällige Reformen viel zu lange vor sich her geschoben haben, sind die letzten, die noch vom alten System profitieren.
Alle Zeichen deuten in dieselbe Richtung, konstatiert auch De Standaard: Alle Pensionsversprechen, auf denen diese Gesellschaft jahrzehntelang aufbaute, stehen jetzt auf dem Prüfstand. Nach und nach werden die bestehenden Regelungen der ebenso harten wie unvermeidlichen Realität angepasst. Der Wohlstand wird von der langlebigen Generation aufgebraucht, die ihn aufgebaut hat. Resultat: Für die Jungen ist der Topf leer.
Einige Zeitungen heben aber lobend hervor, dass es überhaupt zu einer Einigung gekommen ist. "Wie war das noch?", fragen sich L'Echo und Le Soir. Es hieß doch, der Soziale Dialog sei tot. Jetzt erbringen Arbeitgeber und Gewerkschaften den Beweis, dass sie sogar in einer so heiklen Materie wie der Beschneidung der Gruppenversicherungen eine Einigung erzielen können. Das schafft Vertrauen; und das ist eine gute Neuigkeit, meint Le Soir. Doch sollte die Regierung diesem Sozialen Dialog jetzt erst recht auch mit Respekt begegnen, fügt L'Echo hinzu.
Bei der VRT brennt der Baum
"Chaos bei der VRT", titelt derweil De Standaard. Het Belang van Limburg glaubt sogar, einen "Aufstand" beim flämischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender zu erkennen.
Anlass ist ein Interview mit einem zurückgekehrten Syrienkämpfer, das am Montag im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Der Dschihadist machte dabei eine Reihe von haarsträubenden Aussagen, die der Journalist zum Teil unkommentiert im Raum stehen ließ. Daraufhin distanzierte sich die Chefredaktion von dem Moderator und übte in aller Öffentlichkeit harsche Kritik an dessen Arbeit. Die VRT-Journalisten fühlen sich von ihren Vorgesetzten im Stich gelassen. Die Redaktion stellte einen Misstrauensantrag gegen Chefredakteur Luc Rademakers. "Das Haus des Misstrauens", schreibt denn auch Het Nieuwsblad.
"Der VRT-Chefredakteur steht unter Aufsicht", so formuliert es De Morgen auf Seite eins. Was da gerade bei der VRT passiert, ist ein Musterbeispiel für die Chaostheorie, bemerkt De Morgen dazu in seinem Kommentar. Hier zeigt sich, dass ein Flügelschlag eines Schmetterlings tatsächlich einen Orkan verursachen kann. Natürlich ist das kontroverse Interview alles andere als glücklich verlaufen. Was dann folgte, steht aber in keinem Verhältnis. Das Malaise sitzt wohl tiefer. Chefredakteur Luc Rademakers eilte immer der Ruf voraus, dass er es der Politik möglichst Recht machen wollte. Keine andere Nachrichtenredaktion steht unter einem solchen politischen Druck wie die der VRT. Und zu allem Überfluss mischte sich auch noch der flämische Medienminister Sven Gatz in die Interview-Affäre ein und kündigte an, den Geschäftsführungsvertrag mit dem Sender "anschärfen" zu wollen. Wenn das mal keine politische Einflussnahme ist...
... und der Medienminister gießt zusätzlich Öl ins Feuer
Auch Het Belang van Limburg fragt sich, was der OpenVLD-Minister Gatz wohl damit gemeint haben könnte. Den Geschäftsführungsvertrag anschärfen, was muss man sich denn darunter vorstellen? Will der Minister am Ende vielleicht den VRT-Journalisten vorschreiben, wie sie ihre Interviews zu führen haben?
Het Nieuwsblad schlägt in dieselbe Kerbe. Es muss wohl noch Schwarzweißfernseher gegeben haben, als es das letzte Mal ein Medienminister gewagt hat, den Inhalt eines journalistischen Produkts öffentlich zu verurteilen. Hier wird die Kontrolle, die die Politik auf den öffentlichen Sender ausübt, auf den Kopf gestellt. Allerdings muss man sagen: Die Chefredaktion hat für einen solchen Vorstoß Tür und Tor geöffnet. Wenn die Verantwortlichen nicht bereit sind, den Kopf für ihre Mitarbeiter hinzuhalten, dann haben Journalisten am Ende aus nachvollziehbaren Gründen Angst vor ihrem eigenen Schatten.
Roger Pint - Archivbild: Virginie Lefour (belga)