"Ruhige Lage trotz Säbelrasseln", titelt De Standaard und veröffentlicht eine Wahlumfrage anlässlich des ersten Geburtstags der Regierung Michel. Die N-VA bleibt unangetastet an der Spitze. Premierminister Charles Michel genießt großes Vertrauen - zumindest im Norden des Landes. Und die flämischen Sozialisten in der Opposition stecken weiter im Umfragetief.
Het Nieuwsblad hält fest: Offenbar kann nichts und niemand die flämischen Nationalisten aus dem Sattel werfen. Weder die Flüchtlingskrise, noch die 100.000 Teilnehmer der Großdemo der Gewerkschaften in Brüssel. Würde am Sonntag gewählt, gäbe es eine Neuauflage des N-VA-Sieges vom letzten Jahr, so die Umfrage. Bemerkenswert an den aktuellen Ergebnissen ist vor allem, dass die Regierungsparteien nicht abgestraft werden.
De Standaard fügt hinzu: Aus der Umfrage geht ebenfalls hervor, dass die linke Opposition es weiterhin nicht schafft, sich als eine Alternative für die Wähler zu etablieren. Auf flämischer Seite könnte man das Bild so zusammenfassen: Die N-VA thront in ihrer uneinnehmbaren Festung. Und zu ihren Füßen balgen sich die anderen um die Krümel.
Apropos Alternative: PS- Präsident Elio Di Rupo schließt ein Bündnis mit der linksextremen PTB nicht mehr grundsätzlich aus, berichtet La Libre Belgique. Gemeinsam hätten Sozialisten, Grüne und Linke eine Mehrheit in der Kammer, so Di Rupo.
Ein Jahr Regierung Michel
Zum einjährigen Geburtstag der Föderalregierung versucht Le Soir eine inhaltliche Bewertung: Schwedische Koalition oder doch Kamikaze? Totengräber Belgiens oder innovatives Reformkabinett?, fragt die Zeitung. Nach einem Jahr ist es noch viel zu früh, um zu einer abschließenden Bewertung zu kommen. Regierungschef Michel und sein Team haben noch vier Jahre, um ihr Koalitionsprogramm umzusetzen. So viel kann man aber schon jetzt sagen: So revolutionär, wie die Koalition sich selbst angekündigt hatte, ist sie bei Weitem nicht.
Zum ersten Mal seit Langem werden zwar strukturelle Reformen in Angriff genommen, diese sind aber nur halbherzig. Bestes Beispiel hierfür ist der Tax-Shift. Findet auch das GrenzEcho. Die Mitte-Rechts-Regierung von Michel hat bereits neue Akzente gesetzt und ist bemüht, eine der größten Krankheiten unserer Wirtschaft, die Lohnkosten, zu lindern. Derweil aber bleibt der Steuerdruck unerträglich hoch.Der "kleine Mann" fühlt sich noch ungerechter behandelt als früher. Das Ärzteteam Michel kümmert sich sorgsam um den Patienten Belgien, verschreibt aber nur Schmerzmittel und trägt etwas Salbe auf, bedauert das Blatt.
La Libre Belgique bringt auf ihrer Titelseite ein Interview mit Innenminister Jan Jambon. Der erklärt: "Eine Regierung Michel II nach 2019 ist durchaus möglich." Alles hänge aber vom Wahlergebnis ab und von den gemeinschaftspolitischen Verhandlungen, die die N- VA einfordern will.
Laut einer Umfrage von Le Soir wünschen sich 74 Prozent der Belgier strengere Grenzkontrollen. Mehr als die Hälfte findet, dass Belgien derzeit zu viele Flüchtlinge aufnimmt. Überraschenderweise sind deutlich mehr Wallonen dieser Meinung als Flamen.
Tunesisches Quartett des Nationalen Dialogs gewürdigt
"Würdigung des Arabischen Frühlings in Tunesien", titelt L'Avenir anlässlich der Bekanntgabe des Friedensnobelpreises für das Quartett des Nationalen Dialogs. De Morgen schreibt: Weder Papst Franziskus noch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel - wir haben ganz schön dumm aus der Wäsche geguckt. Nach eingehender Betrachtung muss man aber zugeben, dass das Nobel-Komitee in Oslo richtig lag mit seiner Wahl.
Tunesien war das erste Land, in dem der Arabische Frühling ausgebrochen ist. Mittlerweile ist es zum einzigen Hoffnungsschimmer in der Region geworden. Genau wie Syrien, Libyen und Ägypten taumelte auch Tunesien nach der Jasmin-Revolution auf einen Bürgerkrieg zu. Die frischgebackenen Nobelpreisträger, ein Bündnis aus Gewerkschaftern, Arbeitgebern, Menschenrechtlern und Anwälten, haben aber geholfen, das zu verhindern und haben die Demokratie in Tunesien gefördert.
Dennoch ist das Erreichte gefährdet, meint La Libre Belgique. Dass die Demokratie in Tunesien zerbrechlich ist, haben die islamistischen Anschläge auf das Bardo-Museum in Tunis und den Strand von Sousse gezeigt. Die Anerkennung durch die Weltgemeinschaft ist zwar wichtig, wird aber nicht ausreichen, um die Demokratie dauerhaft zu festigen. Dazu werden die Tunesier noch viel Mut, Opferbereitschaft und Wagemut brauchen, mahnt die Zeitung.
Nachholbedarf bei Justiz und neues "Lutgen vs. Lutgen"-Kapitel
Laut Het Laatste Nieuws besteht bei der Justiz großer Nachholbedarf: 300.000 Urteile aus den vergangenen Jahren sind noch nicht im zentralen Strafregister erfasst worden. Dadurch kommen Wiederholungstäter in gewissen Fällen mit einer leichteren Strafe davon, als vom Gesetz vorgesehen. Den Rückstand aufzuarbeiten, wird schätzungsweise zwei Jahre dauern.
L'Echo macht mit der Saga "Lutgen gegen Lutgen" auf. Jean- Pierre, der Bruder von Benoît Lutgen, will den Namen seiner Heimatstadt Bastogne markenrechtlich schützen lassen. Das passt Benoît und der Einwohnern der Ardennenstadt aber überhaupt nicht. Die Brüder Lutgen liegen seit Jahren im Dauerstreit. Der eine ist CDH-Vorsitzender und Bürgermeister von Bastogne, der andere Chef des weltbekannten Uhrenherstellers Ice Watch.
akn - Bild: Benoit Doppagne (belga)