"100.000 Demonstranten auf der Straße, aber die Regierung bleibt hart", titelt Le Soir. "Viel Volk, wenig Wirkung", fassen es De Morgen und Het Nieuwsblad zusammen. "Schon wieder Ausschreitungen am Rande der Großdemo", berichtet Het Belang van Limburg auf Seite eins.
Aus Sicht der Gewerkschaften kann man den Protestmarsch Mittwoch durch Brüssel mit bis zu 100.000 Teilnehmern als vollen Erfolg bezeichnen. Auch ein Jahr nach Amtsantritt der Mitte-Rechts-Regierung haben die Arbeitnehmervertreter viele ihrer Mitglieder gegen die Sparmaßnahmen der Koalition mobilisieren können. Viele Zeitungen hatten von einem "Test für die Gewerkschaften" gesprochen, heute schreiben Le Soir und andere: "Test bestanden".
Regierung kann nicht auf Dauer am Volk vorbei regieren
De Morgen findet: Angesichts so vieler Menschen, die quer durch die Hauptstadt gezogen sind, kann man von einem deutlichen Signal sprechen. Dass die Koalitionsparteien daran festhalten, ihre Politik sei alternativlos, wirkt der Zeitung zufolge immer unglaubwürdiger. Trotz der Sparmaßnahmen kommt die Wirtschaft nur langsam in Fahrt, werden nur wenige neue Arbeitsplätze geschaffen.
Gazet van Antwerpen fügt hinzu: Die Gewerkschaften haben Recht, wenn sie den Druck auf die Regierung aufrecht erhalten. Zwar hat die Koalition die Lohnkosten gesenkt, gleichzeitig steigen aber andere Abgaben, so dass die Brieftasche der Bürger nicht wirklich entlastet wird.
Le Soir findet, dass die Mannschaft von Charles Michel gut beraten wäre, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen. Wenn eine Regierung die Herausforderungen der Zukunft angehen will, kann sie nicht dauerhaft am Volk vorbei regieren - weder in Belgien, noch anderswo in der Welt, gibt das Blatt zu bedenken.
Wie lange hält die Gemeinschaftsfront noch?
Für Het Nieuwsblad hingegen ist das Signal, das von der gestrigen Großdemo ausgeht, längst nicht so einheitlich. Auf der Straße marschieren die Gewerkschaften zwar Seite an Seite. Sobald sie aber an den Verhandlungstisch zurückkehren, kocht jeder wieder sein eigenes Süppchen. Die CSC will vermitteln und die scharfen Kanten der Regierungsvorgaben abrunden. Während die FGTB bereits jetzt mit neuen Aktionen, inklusive Streiks, droht und die Tarifverhandlungen am Ende vermutlich wieder abbrechen wird.
De Standaard findet, dass die Gewerkschaften bei ihrem Kampf gegen die Sparmaßnahmen zunehmend ein Problem haben: Die Streiks stoßen auf immer mehr Ablehnung in der Bevölkerung, von den Großdemos bleiben nur die Bilder von Randalierern in Erinnerung. Und auf die Straße gehen vor allem Angestellte des Öffentlichen Dienstes.
L'Avenir meint dazu, dass die Gewerkschaften sich noch einiges einfallen werden lassen müssen. Schließlich scheint die Regierung nicht von ihrem Kurs abweichen zu wollen - und bis zur nächsten Wahl sind es noch vier Jahre.
Het Laatste Nieuws ärgert sich über die Bahn. Für die Demonstranten wurden gestern Sonderzüge eingesetzt, damit sie bequem nach Brüssel kommen konnten. Die Normalbürger und Pendler aber werden morgen ins Schwitzen kommen, wenn die FGTB-Bahngewerkschafter mal wieder versuchen, den Zugverkehr landesweit lahmzulegen.
L'Echo macht mit einer schlechten Nachricht für die Regierung Michel auf: Die Steuereinnahmen bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der Fehlbetrag bei der Einkommens- und Mehrwertsteuer beträgt fast 900 Millionen Euro. Die eigentlich einfache Haushaltsnachbesserung wird nun zur Herkulesaufgabe, bemerkt das Blatt.
Merkel und Hollande gemeinsam für mehr Europa
"Das deutsch-französische Duo will den europäischen Motor wieder anwerfen", titelt Le Soir. "Merkel und Hollande wollen Europa retten", schreibt Het Nieuwsblad. "Deutschland und Frankreich wollen etwas tun, wissen aber nicht recht wie", bedauert La Libre Belgique.
26 Jahre nach der gemeinsamen Rede von Helmut Kohl und François Mitterand haben auch Angela Merkel und François Hollande eine gemeinsame Rede vor dem Europaparlament in Straßburg gehalten. Angesichts der Flüchtlingskrise und anderer Herausforderungen haben beide mehr Europäische Union gefordert.
Le Soir tut den gemeinsamen Auftritt als "schöne Sonntagsrede" ab, die jeglicher konkreter Ziele und Maßnahmen entbehrt. L'Echo erinnert daran, dass Europa vor allem wegen seiner Träume vorangekommen ist. Die Zeitung hofft, dass auf die Worte Merkels und Hollandes nun auch Taten folgen. Andernfalls werden die Gegner Europas ihren großen Tag haben.
Kreative Entlastung der städtischen Kassen
Immer mehr Kommunen in Belgien geraten in finanzielle Schwierigkeiten, berichtet Het Nieuwsblad. Vielerorts werden die Kämmerer besonders kreativ, wenn es darum geht, die Stadtkassen zu entlasten. In Zelzate ist die Wassertemperatur des kommunalen Schwimmbads auf 28 Grad gesenkt worden. Dadurch gibt die Stadt 15.000 Euro weniger im Jahr aus. Mit Wasser will auch Stabroek Geld sparen: Statt Wasser aus Flaschen wird den Gemeinderatsmitgliedern jetzt nur noch Leitungswasser serviert.
ak - Bild: Thierry Roge (belga)