"Der große Test für die Gewerkschaften", titelt Le Soir. "Gemeinschaftsfront wird auf die Probe gestellt", meint De Standaard. "Was bringt der Gewerkschaftsprotest überhaupt noch?", fragt L'Avenir auf Seite eins.
Um ihren Ärger gegen die Maßnahmen der Regierung zum Ausdruck zu bringen, wollen die drei großen Gewerkschaften heute mit Zehntausenden Anhängern durch die Straßen von Brüssel ziehen. Allerdings ist Het Nieuwsblad überzeugt: 120.000 Teilnehmer, wie bei der Großdemo im November vergangenen Jahres, werden sie nicht mehr mobilisieren können. De Standaard meint ebenfalls, dass die heutige Demo eher ein Test für die Gewerkschaften selbst ist als für die Mitte-Rechts-Koalition, deren Maßnahmen sie anprangern.
"Die Gewerkschaften sind selbst ihr größter Feind"
Auch La Libre Belgique findet: Das Verständnis und der Rückhalt für die Gewerkschaften in der Bevölkerung lassen nach. Erstens, weil ihre Proteste gegen die Maßnahmen der Föderalregierung bislang nicht wirklich von Erfolg gekrönt waren: Indexsprung und Erhöhung des Rentenalters kommen. Zweitens, weil FGTB und CSC sich untereinander alles andere als einig sind. L'Echo meint: Obwohl die Gewerkschaften nicht vorankommen, halten sie an ihrer alten Vorgehensweise fest. Dabei weiß doch jeder: Wenn ein Rezept nicht funktioniert, dann muss man die Zutaten ändern. Doch die Gewerkschaften tun sich schwer damit, sich zu erneuern, bedauert die Zeitung. Wenn sie so weitermachen, verlieren sie jeden Tag mehr an Glaubwürdigkeit. Die Gewerkschaften sind inzwischen selbst ihr größter Feind, meint Het Nieuwsblad.
La Libre Belgique wünscht sich von den Arbeitnehmervertretern ein konstruktiveres Verhalten - so wie in Deutschland, wo die Gewerkschaften längst begriffen haben, dass sie Reformen zustimmen und sie begleiten müssen, um das Land wirtschaftlich voranzubringen. Dennoch gibt Gazet van Antwerpen zu bedenken: Jubeln sollte die Regierung nicht, wenn die Anzahl Demonstranten heute hinter den Erwartungen der Gewerkschaften zurückbleibt. Ein Stromausfall, ein neues Haushaltsloch oder eine Verschlechterung der Konjunktur können ausreichen, um die Stimmung in der Bevölkerung wieder kippen zu lassen.
EuGH stärkt Nutzerrechte gegen Facebook und Co.
"Ein Mann gegen mehr als 4.000 Firmen", titelt De Morgen und berichtet über das historische Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Datenschutz. Der österreichische Student Max Schrems war gegen das soziale Netzwerk Facebook vor Gericht gezogen, weil das Unternehmen seine persönlichen Nutzerdaten nicht in Europa, sondern auf einem Server irgendwo in den USA speichert. Der EuGH hat der Klage des 28- Jährigen jetzt stattgegeben. Damit dürfen nationale Datenschutzbehörden Großkonzerne wie Facebook, Google, Microsoft, Apple, eBay und Amazon dazu verpflichten, die Daten ihrer Nutzer in Europa zu speichern. De Morgen meint: Wir schimpfen oft auf die Europäische Union, aber das, was die Richter in Luxemburg gestern entschieden haben, ist sehr gut für uns Bürger. Es bietet uns und unseren Daten einen besseren Schutz vor allzu neugierigen Schnüfflern in Übersee.
Fahrerfluchten und Zukunftspessimismus in Belgien nehmen zu
Wie Het Laatste Nieuws meldet, hat die Anzahl von Unfällen mit Fahrerflucht deutlich zugenommen. Letztes Jahr machten sich 868 Fahrer nach einem Unfall mit Verletzten aus dem Staub - zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Verurteilungen wegen Fahrerflucht hat im vergangenen Jahr um mehr als 20 Prozent zugenommen. Verkehrsexperten sprechen von einer besorgniserregenden Entwicklung und fordern schnellere und härtere Strafen.
"Jugendliche blicken düster in die Zukunft", titelt derweil De Standaard. Die Zeitung befasst sich mit den Ergebnissen einer großangelegten Studie des Brüsseler Soziologen Mark Elchardus. Demnach befürchten 92 Prozent der Belgier zwischen 20 und 30 Jahren mehr Naturkatastrophen durch die Erderwärmung. 82 Prozent denken, dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößern wird. Und fast acht von zehn befragten jungen Menschen in Belgien glauben, dass viele Moslems sich nicht an die europäische Kultur anpassen werden.
Kontroversen und Pannen bei Erdogan-Besuch
Le Soir kommt auf den umstrittenen Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Belgien und bei der EU zurück. Viele haben sich darüber geärgert, dass die Brüsseler Politiker dem Hardliner Erdogan den roten Teppich ausgerollt haben. So geht Realpolitik, meint die Zeitung. In der Flüchtlingsfrage ist die EU auf die Türkei angewiesen. Da werden die Menschenrechtsverletzungen, die konservative und religiöse Haltung gerne mal übersehen. Im Gegenzug verspricht Europa den Türken Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen. Dabei weiß doch jeder, dass es nie zu einem Beitritt kommen wird. Wer will schon ein großes muslimisches Land in der EU, fragt Le Soir.
Apropos Erdogan-Besuch: Het Nieuwsblad berichtet über zahlreiche Pannen. Zum Mittagessen bei König Philippe und Königin Mathilde kamen der türkische Präsidentin und seine Frau über eine Stunde zu spät. Davor hatten sich bereits belgische Sicherheitsbeamte und Erdogans Bodyguards in die Haare bekommen. Es soll sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein...
Alain Kniebs - Illustrationsbild: Eric Lalmand (belga)