"Das große Regierungszeugnis", titelt De Morgen. Die Equipe um Charles Michel ist seit genau einem Jahr im Amt. Streng genommen erfolgte die Eidesleistung erst am 11. Oktober 2014, die Zeitungen starten aber heute schon mit entsprechenden Serien.
De Morgen macht es wie in der Schule und vergibt Noten. Premierminister Charles Michel bekommt eine sehr mittelmäßige fünf auf zehn. In den Reihen seiner Minister schneiden Gesundheitsministerin Maggie De Block und Innenminister Jan Jambon mit sieben auf zehn am besten ab. Schlusslichter sind die N-VA-Staatssekretärin Elke Sleurs mit zwei auf zehn und der ehemalige MR-Haushaltsminister Hervé Jamar mit eins auf zehn. Jamar hat inzwischen die Regierung verlassen.
L'Echo bringt ein Interview mit Charles Michels Amtsvorgänger, dem PS-Vorsitzenden Elio Di Rupo. Der übt erwartungsgemäß scharfe Kritik an der Arbeit der Regierung, findet dabei aber ungewöhnlich harte Worte: "Sollte die Regierung stürzen, dann wäre das eine gute Neuigkeit", sagt Di Rupo. Nach Ansicht von Di Rupo flirten einige N-VA-Leute mit rechtsextremen Ideen, eigentlich hätte Premier Michel sie dafür zur Ordnung rufen müssen.
Bruch mit der Vergangenheit?
La Libre Belgique vergleicht die Amtsführung von Charles Michel mit der von Elio Di Rupo. "Zwei Premiers, zwei völlig unterschiedliche Stile", so die Schlagzeile. Das Blatt spricht sogar von einem veritablen Bruch: Di Rupo war fast schon aufgetreten wie ein Präsident, Michel ist da aber wieder viel zugänglicher.
In der eigentlichen Regierungsbilanz können viele Leitartikler aber keinen Bruch erkennen. Insbesondere die N-VA hatte im Wahlkampf Veränderung, fast schon eine Zeitenwende, versprochen. Inzwischen scheint man da aber in der Wirklichkeit angekommen zu sein, notiert L'Echo. Nach einem Jahr muss man jedenfalls feststellen, dass die Regierung hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Zwar wurde ein Index-Sprung beschlossen und auch eine Pensionsreform auf die Schienen gesetzt. Einen "Bruch" kann man das aber nicht nennen.
Zwischen der markigen Rhetorik und der praktischen Umsetzung klafft doch ein ziemlich tiefer Graben, analysiert auch De Morgen. Diese Regierung verfügte doch über ein ziemlich außergewöhnliches Fenster: fünf Jahre ohne Wahl. Da kann man sich doch mal was trauen! Stattdessen ist die Politik dieser Mitte-Rechts-Koalition aber nur allzu typisch, einfallslos, um nicht zu sagen: banal. Am sichtbarsten sind eigentlich die permanenten Streitereien unter den Partnern. Die Legislaturperiode dauert zwar noch vier Jahre, nach einer kleinen Revolution sieht es aber erstmal nicht aus.
La Libre Belgique ist da nicht ganz so streng. Zwar muten die von der Regierung angestoßen Reformen bislang noch vorsichtig an, sie gehen aber zumindest in die richtige Richtung. Außerdem muss man festhalten, dass sich einige frankophone Ängste bislang nicht bewahrheitet haben, etwa in Bezug auf die N-VA. Ehre, wem Ehre gebührt, aber die N-VA-Minister haben sich im ersten Regierungsjahr als loyale Staatsdiener gezeigt. Charles Michel hat seinerseits durch Autorität und zugleich Weisheit geglänzt in einem Maß, das man ihm nicht zugetraut hätte. Jetzt wird es darum gehen, den Kurs konsequent beizubehalten.
25 Jahre deutsche Einheit
De Standaard beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit dem 25. Jahrestag der deutschen Einheit. Am Anfang gab es da durchaus keine Erfolgsgarantie, analysiert das Blatt. Die Eingliederung der ostdeutschen Bundesländer war längst kein Sonntagsspaziergang. Wieder einmal kann man aber behaupten, dass in Deutschland aus den Trümmern eine europäische Großmacht entstanden ist. Was lernen wir daraus? Was einen nicht umbringt, macht ihn stärker.
VW-Skandal - nur die Spitze des Eisbergs
"Der Betrug beschränkt sich nicht auf Volkswagen und auch nicht auf Diesel-Motoren", so derweil die Aufmachergeschichte von Le Soir. Inzwischen zeigt sich ja, dass wohl auch Elektrohersteller Daten in puncto Energieverbrauch manipuliert haben.
La Dernière Heure greift das Thema ebenfalls auf und bringt unter anderem die Ergebnisse einer Untersuchung des deutschen Automobilclubs ADAC. Demnach sind bei einer Studie zwei von drei Autos beim Stickstoffoxidtest durchgefallen und erreichten dadurch nicht die versprochene Euro-6-Norm.
Het Laatste Nieuws setzt heute noch einen drauf: "Auch gewisse Lebensmittel-Kennzeichnungen taugen nichts", schreibt das Blatt auf Seite eins. Das Label "Delfinfreundlich gefangen", das auf gewissen Fischdosen prangt, entbehrt eigentlich jeglicher Grundlage. Auch die belgische Fahne auf einigen Verpackungen sagt überhaupt nichts aus, sogar deutsche Milch kann dieses Label tragen, solange sie in Belgien abgepackt wurde. Als "vertrauenswürdig" bezeichnet Het Laatste Nieuws zum Beispiel das "Fair-Trade"-Label.
Gerüchte um Léonards Nachfolger
La Libre Belgique glaubt indes inzwischen zu wissen, wer der Nachfolger von Erzbischof André-Joseph Léonard werden könnte. Alle Welt hatte eigentlich damit gerechnet, dass der derzeitige Bischof von Antwerpen, Johan Bonny, zum neuen Erzbischof von Mechelen-Brüssel ernannt würde. In Rom kursiert aber offensichtlich ein anderer Name, nämlich Lode Van Ecke, Vorsteher der Abtei von Orval.
"Großflächige Ansteckung befürchtet nach einem Laufwettbewerb", so die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. 2.500 Menschen, die an einem Querfeldeinlauf teilgenommen haben, könnten sich mit der Krankheit Leptospirose angesteckt haben. Das ist eine bakterielle Infektion, mit der sich bislang vor allem Stallarbeiter, Tierärzte und Erdbeerpflücker ansteckten. Der Flame spricht von der "Rattenkrankheit". Jedenfalls könnten die Läufer bei dem Hindernis-Parcours mit dem Erreger in Berührung gekommen sein, zum Beispiel im Matsch. Drei Teilnehmer sind schon im Krankenhaus, die Gesundheitsbehörden sind alarmiert.
Roger Pint - Bild: Benoit Doppagne (belga)