Die griechische Krise und ihre Ansteckungsgefahr sowie der Wahlkampf im eigenen Land beschäftigen heute die belgischen Tageszeitungen.
Wahlen: Noch viele Unentschlossene
Vers l'Avenir veröffentlicht das Ergebnis einer Umfrage bei den unentschlossenen Wählern. Ihre Zahl liegt bei 30%, doch in Wirklichkeit müssen die Parteien sogar die Hälfte der Bürger überzeugen: Neben den Unentschlossenen auch jene, die sich enthalten wollen, und jene, die eine andere Partei wählen wollen als beim letzten Mal. Die Zeitung unterstreicht auch den voraussichtlichen Wandel in Flandern. Die nationalistische N-VA erwartet den Zustrom einer Reihe von Wählern des Vlaams Belang. Bei den Verhandlungen über eine Regierungsbildung ist die N-VA mit am Tisch. Sie repräsentiert zum Glück nicht das radikalste Flandern.
Het Laatste Nieuws spricht von einem Aufstand in der N-VA. Der ihr vorausgesagte große Wahlerfolg lässt sie eine Regierungsbeteiligung erwarten. Die Parteispitze muss ständig neue Stimmenfänger aus dem Hut zaubern. Dadurch müssen viele treue Parteisoldaten ihren Platz räumen. Das geschieht nicht reibungslos.
Die Wahlen sind gefährlich
La Libre Belgique schreibt: Die bevorstehenden Wahlen sind gefährlich. Die Neuverteilung der Sitze kann dazu führen, dass die politische Krise sich sogar bis zum Ende des europäischen Vorsitzes erstrecken wird. Wenn in Flandern die extremistischen Kräfte noch Stimmen gewinnen werden, wird es sehr schwierig, mit diesen Parteien, die sich zum Ziel gesetzt haben, das Land zu spalten, über eine neue Staatsreform zu verhandeln.
La Dernière Heure warnt: Die Finanzkrise ist noch nicht vorbei. Nach Griechenland könnte sie andere Staaten erfassen. Wenn Belgien nach den Wahlen lange Zeit in politischer Unsicherheit bleiben sollte, könnte es auch ein Opfer werden. Der vorhersehbare Wahlerfolg der flämischen Nationalisten kann das Land in eine längere Zeit politischer Diskussionen stürzen und die Bildung der nächsten Regierung sehr hinauszögern.
Es gibt keine belgische Gemeinschaft mehr
Het Belang van Limburg kritisiert die frankophonen Politiker, die die N-VA als separatistische Partei abstempeln, mit der sie nicht reden wollen. Solange eine Gemeinschaft sich berufen fühlt, der anderen Lehren zu erteilen, kann es keine vernünftigen Verhandlungen geben. Es gibt keine belgische Gemeinschaft mehr. Wer das nicht wissen will, bringt durch seine Haltung das Ende Belgiens näher.
De Morgen meint: Die Frage ist, ob die Bürger den Erben des belgischen Kompromisses ihre Stimme geben werden, oder den Kandidaten, die glauben, dass eine radikal andere Staatsstruktur oder der Separatismus die Antwort auf alle Probleme einschließlich der sozialwirtschaftlichen bietet.
Belgien und Europa: Ground Zero?
Le Soir bemerkt unter dem Titel „Belgien, Europa: Ground Zero?“: Die Belgier leben in einem Land, das in einer existentiellen Krise steckt und das sich auf vorgezogene Neuwahlen vorbereitet, deren Legalität schon in Frage gestellt wurde. Und das in einer ungewissen sozialwirtschaftlichen Konjunktur. Eine Bedrohung Europas erscheint als undenkbar, doch hatte man das nicht auch von der Fortis-Bank gesagt, ehe sie zugrunde ging?
L'Echo fügt hinzu: Die jüngste Geschichte hat gezeigt, dass die Zentralbanken und die Staaten die Finanzmärkte nicht auf ihrem eigenen Gebiet schlagen können. Griechenland muss beweisen, dass seine Sparpolitik einen dauerhaften Einfluss auf seine Staatsfinanzen haben wird. Die Zentralbank muss in der gesamten Eurozone vernünftige Zinssätze handhaben und die Länder der EU müssen begreifen, dass das Heil jedes Landes vom Heil der Schwächsten abhängt.
Keine Vogel-Strauss-Politik
De Tijd behauptet: Die führenden Politiker dürfen keine Vogel-Strauß- Politik betreiben. Sie müssen den Märkten beweisen, dass sie das Ausmaß der Probleme erkannt haben.
De Standaard erklärt: Disziplin ist notwendig. Eine europäische Währung ohne Deutschland ist undenkbar. Doch nur eine Union, die die Spannungen zwischen dem stärksten und dem schwächsten Land beherrscht, kann überleben. Eine solche Union haben wir heute nicht.