Einige belgische Tageszeitungen kommentieren die Rolle Viktor Orbáns in der Flüchtlingskrise. Der ungarische Premier hatte gestern den Notstand an der Grenze zu Serbien ausgerufen. Damit kann Ungarn das Militär einsetzen. 200 Flüchtlinge, die versuchten, über die Grenze zu kommen, wurden festgenommen. Sie riskieren eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren, was allen internationalen Regeln widerspricht.
Dazu schreibt die Wirtschaftszeitung L'Echo: Man muss einräumen, dass Ungarn als Eingangstor in den Schengen-Raum mit enormen Schwierigkeiten konfrontiert ist. Doch die Art und Weise, wie Budapest damit umgeht, ist inakzeptabel. Eine Mauer mit Stacheldraht, Kriminalisierung, Verschmähung und Misshandlung von Flüchtlingen - und das alles zur "Verteidigung der christlichen Wurzeln Europas". Orbán tritt die europäischen Werte mit Füßen. Das ist nichts Neues. Seit seinem Amtsantritt steht der ungarische Premier wegen seiner Angriffe auf die Meinungsfreiheit und demokratischen Prinzipien unter Beschuss. Es ist höchste Zeit, dass Europa den Druck auf Orbán erhöht. In seinen Grundwerten darf Europa nicht mit sich handeln lassen, findet L'Echo.
Desaströses Budapester Flüchtlingsmanagement
Auch für Le Soir tritt Viktor Orbán europäische Werte mit den Füßen. Sogar diejenigen, die es seinen Landsleuten ermöglicht hatten, vor dem Kommunismus zu fliehen und Zuflucht im Westen zu finden. Doch wie soll man Orbán bestrafen? Sanktionen würden sich auch gegen diejenigen richten, die ihn gewählt haben. Das ungarische Flüchtlingsmanagement ist in Sachen Image desaströs. Nach dem Wirbel um den Euro und Griechenland unterstreicht es, wie zerbrechlich die Europäische Union ist, analysiert Le Soir.
De Morgen kommt in diesem Zusammenhang auf die CD&V zurück. Die flämischen Christdemokraten im Europaparlament vergleichen den ungarischen Premier mit N-VA-Chef Bart De Wever. Er sehe wenig Unterschied zwischen der Taktik von Orbán und der von De Wever, wird ein CD&V-Parlamentsmitglied zitiert. Beide versuchten, ihre rechtsextremen Wähler bei der Stange zu halten. Dazu meint die Zeitung: Schon seit langem bringen die Extravaganzen Orbáns und seiner Partei Fidesz die europäische Mutterpartei EVP, zu der auch die CD&V gehört, in Verlegenheit. Noch voriges Jahr dachte Orbán über die Einführung der Todesstrafe in seinem Land nach. Erst als Europa mit Sanktionen drohte, kam er zur Vernunft. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, das ist der ethische Grundstein der ungarischen Politik unter Fidesz.
"Bart De Wever ist nicht Viktor Orbán"
Die Zeitung wundert sich über den Vergleich mit Bart De Wever. Man habe die Fehler und Provokationen des N-VA-Vorsitzenden in der Asyldebatte kritisiert. Ebenso seinen Mangel an politischem Mut, einen nuancierten und empathischen Standpunkt einzunehmen. Seine berechnende Rhetorik ist glücklicherweise noch ein großes Stück vom Budapester Fremdenhass entfernt. Bart De Wever ist nicht Viktor Orbán, Gott sei Dank. Die Kritik der CD&V an der N-VA in Sachen Asyl ist berechtigt. Aber eine Partei, die um der Macht in Europa willen Orbán nicht zur Ordnung ruft, sollte da lieber schweigen, mahnt De Morgen.
Zur Flüchtlingskrise allgemein findet De Standaard: Es gibt keine Wunderlösung. Es geht darum, die Krise so effizient wie möglich zu managen. Das muss der Bevölkerung so oft wie möglich deutlich gemacht werden. Die Asylkrise muss als das gesehen werden, was sie ist: eine langwierige und schwere Belastung unseres sozialen und politischen Systems. Wir dürfen nicht darauf hoffen, dass alles halb so schlimm sein wird. Der Preis wird in jedem Fall hoch sein, meint De Standaard.
Uber-Umfrage: Verbieten nein, reglementieren ja
"Belgier wollen kein Verbot von Uber", titelt La Libre Belgique. Anlass ist die heutige Demonstration der Taxifahrer in Brüssel. Sie protestieren gegen den US-amerikanischen Fahrdienst Uber. Dieser hat sich in den letzten anderthalb Jahren trotz Verbots zu einem Konkurrenten der Taxifahrer in Brüssel entwickelt. Laut einer Internetumfrage der Zeitung zusammen mit der RTBF sind lediglich sieben Prozent der Belgier für ein Verbot von Uber. 25 Prozent sind für eine strikte Reglementierung.
Ein Jahr Familiengerichte
Het Laatste Nieuws blickt zurück auf ein Jahr Familiengerichte. Seit dem 1. September 2014 sind sie für alle familiären Streitfälle zuständig. Die Familiengerichte übernehmen die Aufgaben, die bis dahin Jugendgerichte, die Gerichte erster Instanz und die Friedensgerichte übernommen hatten. Seit ihrer Einführung sind über 80.000 Dossiers eröffnet worden, das sind 400 am Tag. Bei den meisten Fällen geht es um Scheidungen, Sorgerechtsfälle oder Kindergeld.
Vor allem für den Bürger ist es besser geworden, wird der Genter Familienrichter Daniel Van den Bossche zitiert. Waren bei einer Scheidung vorher drei Gerichte zuständig, ist es jetzt nur noch ein einziges. Van den Bossche beklagt jedoch den sich hinziehenden Personalmangel an den Familiengerichten. Justizminister Koen Geens arbeite aber bereits daran.
SNCB-Minimaldienst für bis zu 200.000 Reisende
L'Echo berichtet von den derzeitigen Verhandlungen der Sozialpartner bei der Bahn. Die SNCB-Führung hat drei Szenarien präsentiert, wie im Falle eines Streiks ein Minimaldienst gewährleistet werden kann. Dabei könnten im besten Fall bis zu 200.000 Passagiere befördert werden. Das wäre die Hälfte der durchschnittlichen Passagierzahlen pro Tag. Mobilitätsministerin Jacqueline Galant will, dass sich Direktion und Gewerkschaften bis Ende des Jahres einigen. Andernfalls werde sie ihre eigenen Vorschläge auf den Tisch legen.
Volker Krings - Bild: Attila Kisbenedek (afp)