"Die Grenzen in Europa sind wieder da", titelt Le Soir. "Merkel macht die Tür zu", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Europa in der Klemme", so De Morgens Schlagzeile zum Thema.
Völlig überraschend hat Deutschland gestern Abend Kontrollen an der Grenze zu Österreich eingeführt. Damit will die Bundesrepublik den anhaltenden Ansturm von Flüchtlingen vorerst stoppen. Unmittelbarer Anlass für die drastische Maßnahme ist ein Hilferuf aus München. In der bayerischen Hauptstadt sind in den letzten Wochen 63.000 Migranten angekommen - alleine am Wochenende waren es 13.000. Die Stadt ist damit völlig überfordert.
Für De Standaard hat die plötzliche Wiedereinführung von Grenzkontrollen durch die Bundesrepublik aber noch einen anderen Grund: Angela Merkel legt die Personenfreizügigkeit auf den Verhandlungstisch, um die osteuropäischen Staaten zu mehr Solidarität in der Flüchtlingsfrage zu zwingen. Kurz vor Beginn des Treffens der EU-Innenminister erhöht sie damit den Druck. Der "Riese" Deutschland will sich nicht länger von den osteuropäischen "Zwergen" übers Ohr hauen lassen, fasst die Zeitung die Berliner Maßnahme in drastische Worte.
Angela Merkels Kehrtwende
Le Soir meint: Jetzt schon vom Ende des Schengen-Raums zu sprechen, wäre übertrieben. Dennoch haben die Deutschen der Personenfreizügigkeit, einem unserer zentralen europäischen Werte, einen schweren Schlag zugefügt.
Deutschland vollzieht eine Kehrtwende: Noch vor drei Wochen hatte Merkel die Landesgrenzen für die Flüchtlinge geöffnet. Diese überraschende Maßnahme, die in völligem Widerspruch zu den geltenden EU-Regeln steht, hatte den Flüchtlingsstrom in die Bundesrepublik unkontrolliert anschwellen lassen. Deutschland nun den Schwarzen Peter für das mögliche Schengen-Aus zuzuschieben, wäre aber zu einfach, findet auch Het Nieuwsblad. Eine größere Schuld kommt den Staaten zu, die bei der Aufnahme und Umverteilung von Flüchtlingen mauern.
Het Belang van Limburg fügt hinzu: Wer sich noch an den tiefen Graben erinnern kann, den der Eiserne Vorhang durch Europa gezogen hatte, der kann sich nur kopfschüttelnd über den Gruppen-Egoismus der osteuropäischen Staaten wundern.
Der europäische Grundgedanke ist in Gefahr
Het Laatste Nieuws sieht denn auch die Europäische Union an sich in Gefahr. Werden sich die Innenminister heute nicht einig, dann wird die Angelegenheit zur Chefsache. Bei einem Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs stünde aber nichts weniger als der Fortbestand des Schengen-Raums und damit des europäischen Grundgedankens auf dem Spiel.
Sarkastisch fragt sich die Zeitung, ob man nicht langsam eine Vermisstenanzeige für Donald Tusk aufgeben sollte. Der EU-Ratspräsident, Herman Van Rompuys Nachfolger, der Mann, der eigentlich nach Lösungen suchen sollte, glänzt momentan durch Abwesenheit. In vielen EU-Staaten herrscht Chaos und zu allem Überfluss sind am Wochenende auch wieder Flüchtlinge vor Griechenland ertrunken.
Unangemessene Wortwahl für ein berechtigtes Anliegen
Wie Gazet van Antwerpen bemerkt, beschäftigt die Flüchtlingskrise nicht nur die große Politik, sondern auch den kleinen Mann auf der Straße. Viele Menschen sind besorgt über den Umfang der Einwanderung. Für Ärger sorgt das improvisierte Zeltlager im Maximilianpark in der Nähe des Brüsseler Nordbahnhofs. Vize-Premierminister Alexander De Croo von der OpenVLD hatte am Wochenende gefordert, dass die Stadt Brüssel den Park räumen lassen müsse.
La Libre Belgique ist empört über De Croos Wortwahl. Er hatte das Flüchtlingslager mit einem Campingplatz und einem Musikfestival verglichen. Für die Zeitung ein inakzeptabler Vergleich. Nicht nur den Schutzsuchenden gegenüber, sondern auch für die unzähligen freiwilligen Helfer, die dort seit Tagen unermüdlich im Einsatz sind. Die Asylsuchenden würden ja nur in dem Park übernachten, weil die Föderalregierung daran festhält, dass das Ausländeramt pro Tag nicht mehr als 250 Asylanträge bearbeiten darf. Außerdem hat es die Regierung versäumt, für angemessene Notunterkünfte für Flüchtlinge zu sorgen, die darauf warten, ihren Antrag stellen zu können.
Genauso sieht es De Morgen: De Croos Ausdrucksweise war unangemessen, im Grunde hat er aber Recht. Der Maximilianpark muss geräumt werden. Angesichts sinkender Temperaturen und Dauerregens kann man Flüchtlinge in Europas Hauptstadt nicht unter solchen Bedingungen hausen lassen. Es ist die verdammte Pflicht der Regierung, für eine vernünftige Unterbringung zu sorgen, wettert das Blatt.
Auf Krawall gebürstet
Von einer im wahrsten Sinne des Wortes haarsträubenden Geschichte berichtet L'Avenir. Angefangen hatte alles mit einem Frisörtermin im Raum Charleroi. Weil die Kundin äußerst unzufrieden über ihre neue Färbung war, bekamen sie und die Frisörin sich schon im Salon in die Haare. Am Ende bekam die Kundin ihr Geld zurückerstattet. Doch die Frau war offenbar so auf Krawall gebürstet, dass sie in der Nacht zum Sonntag das Auto ihrer Frisörin in Brand steckte. Die wollte das nicht auf sich sitzen lassen und stürmte mit einem Dutzend Maskierten die Wohnung ihrer Kontrahentin und bedrohte sie mit einer Schreckschusspistole. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt. Fazit der Zeitung: Die Geschichte ist so verrückt, man könnte meinen, sie wäre an den Haaren herbeigezogen.
Alain Kniebs - Bild: Guenter Schiffmann (afp)