"Juncker rüttelt die EU wach", titelt La Libre Belgique. "Juncker hält Europa den Spiegel vor", meint De Standaard. "Solidarität und Mut", fasst Le Soir die Rede des Kommissionspräsidenten zusammen.
Im Europäischen Parlament hat Jean-Claude Juncker die Mitgliedsstaaten gestern dazu aufgerufen, in der Flüchtlingskrise endlich zu handeln. Für Het Belang van Limburg hat der Kommissionspräsident die richtigen Worte gefunden, als er sagte, dass es der Europäischen Union an Europa und an Union fehle. Das war aber auch schon vor der Flüchtlingskrise so, stellt Gazet van Antwerpen fest. Ob in Griechenland, der Ukraine, beim britischen Euroskeptizismus oder dem Klimawandel - die Union befindet sich in keinem guten Zustand. La Libre Belgique meint: Die 28 Mitgliedsländer müssen sich jetzt solidarisch zeigen - untereinander und gegenüber den Flüchtlingen. L'Echo begrüßt die Pläne der EU-Kommission. Jetzt müssen allerdings die Staats- und Regierungschefs handeln.
Nach Ansicht von Le Soir hat Juncker zu Recht an Europas historische Verantwortung erinnert. Er rief den Menschen ins Gedächtnis, dass fast alle Europäer irgendwann einmal selbst Flüchtlinge waren: als Hugenotten, die aus Frankreich fliehen mussten, Juden aus Nazi-Deutschland, republikanische Spanier nach dem Bürgerkrieg aus ihrem Land oder Regimegegner aus dem Ostblock - und das noch bis vor wenigen Jahren.
Juncker trifft den richtigen Ton
De Standaard bemerkt: Juncker hat gestern gesagt, was gesagt werden musste. Allerdings war das nicht allzu schwer - nach einem Sommer, in dem die EU der Flüchtlingskrise fast tatenlos zugesehen hatte. Und in dem Donald Tusk durch auffälliges Schweigen geglänzt hatte. In Momenten wie diesen merkt man, dass es an Verantwortlichen vom Format des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy fehlt, urteilt De Standaard.
Het Laatste Nieuws meint: Jean-Claude Juncker hat gestern zwar die richtigen Worte gefunden, hätte er aber nur einen Bruchteil des Charismas und des rhetorischen Könnens eines Barack Obama, dann hätte er nach seiner Rede im Europaparlament stehende Ovationen bekommen. Leider ist er aber so mitreißend wie eine Schnecke, so das Blatt. Und leider werden dem Idealismus in der Flüchtlingsfrage immer wieder Grenzen durch die Realpolitik gesetzt. Genau das kann man derzeit auch in der Föderalregierung beobachten. An den Flüchtlingen scheiden sich die Geister. Nicht nur zwischen den vier Koalitionspartnern, sondern ebenfalls parteiintern. Das ist nachvollziehbar, meint die Zeitung. Immerhin geht es in dieser Krise nicht um steuerliche Banalitäten, sondern um Menschen.
...Francken eher nicht
Wegen der umstrittenen Äußerungen von Staatssekretär Theo Francken dürfte es heute Nachmittag im Kammerausschuss heiß hergehen, sagt L'Avenir voraus. Die Opposition wird aus allen Rohren auf den N- VA-Politiker feuern. Premierminister Charles Michel kann diesen Sturm zwar noch vorüberziehen lassen, aber lange wird das so nicht mehr weitergehen können. Die flämischen Nationalisten bringen das Kabinett mit ihrer zweideutigen Vorgehensweise in Gefahr.
Wie De Standaard berichtet, freut sich die belgische Wirtschaft auf die syrischen Flüchtlinge. Vor allem im Baugewerbe und im Hightech-Bereich wird händeringend nach Arbeitskräften gesucht. Viele Syrer verfügen über eine Ausbildung und sprechen Englisch, was eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtert.
VRT muss sparen
De Morgen befasst sich mit den Sparplänen beim öffentlich-rechtlichen flämischen Rundfunk, der VRT. Knapp 300 Stellen sollen gestrichen werden. Am stärksten trifft es die regionalen Hörfunkprogramme von "Radio 2". Die Zeitung kann diese Maßnahme überhaupt nicht nachvollziehen. Regionale Berichterstattung ist für die Menschen im Land besonders wichtig. Die Leitung der VRT erklärt, das Unternehmen werde sich künftig auf seine Kernaufgaben konzentrieren. De Morgen sieht das anders: Die VRT-Führung hat nur noch die finanzstarke Altersgruppe der 18- bis 54-Jährigen im Blick. Doch wer macht künftig noch Programme für Jugendliche, Senioren, Kultur- und Sportliebhaber, wenn es die öffentlich-rechtlichen Sender nicht tun?
"Folter" im Kindergarten oder schlicht und ergreifend ein Unfall?
Het Nieuwsblad berichtet über einen rätselhaften Vorfall, der sich in einem Antwerpener Kindergarten ereignet hat. Die Eltern eines 5- Jährigen haben Anzeige erstattet und werfen der Lehrerin ihres Sohnes "Folter" vor. Sie behaupten, sie habe das Kind an einer Kordel aufgehängt, um es zu bestrafen. Die Schule bestreitet diese Darstellung vehement. Der Junge habe sich die Kordel beim Spielen selbst um den Hals gelegt und sei dann gestolpert.
De Morgen schließlich empfiehlt, nicht vor zehn Uhr morgens zur Arbeit zu gehen. Laut einer neuen Studie der Universität Oxford ist ein Arbeitsbeginn vor 9 Uhr schlecht für den Biorhythmus. Das gilt laut den Forschern aber nur für Unter-55-Jährige. Danach braucht der Mensch weniger Schlaf und kann deshalb früher aufstehen.
Alain Kniebs - Bild: John Thys (afp)