"Marsch ins gelobte Land", titelt De Standaard. "Auf dem Weg in ein besseres Leben", schreibt Het Nieuwsblad. "Exodus", so Het Belang van Limburg.
Zu sehen sind Bilder der mehr als 1.000 Migranten, die sich am Freitag zu Fuß auf den Weg vom Budapester Bahnhof nach Wien gemacht haben, um von dort aus nach Deutschland zu kommen. Mehrere Tage hatten die Menschen am Budapester Bahnhof festgesessen. Am Tag nach dem Bild des toten Jungen am Strand von Bodrum sind es wieder unvorstellbare Bilder, die der Flüchtlingskrise ein Gesicht geben.
Auf die Kraft der Bilder nimmt auch Gazet van Antwerpen Bezug: Ist es wegen des Fotos des toten Aylan am türkischen Strand? Oder wegen der Bilder aus dem Budapester Bahnhof? Sind es die Zelte vor dem Ausländeramt in Brüssel, oder einfach nur die ersten kühlen Nächte, fragt die Zeitung? Auf jeden Fall scheint es, dass wir nicht länger erlahmt und entsetzt den Flüchtlingsstrom anschauen, sondern dass wir anfangen, anzupacken. Jeder auf seinem Gebiet und auf seine Weise. Die Behörden sind mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigt. Die Zeit scheint vorbei, dass wir den Kopf in den Sand stecken, in Panik geraten und übereilte politische Diskussionen führen. Wir haben uns vom ersten Schock erholt. Regeln und Pläne bekommen eine konkrete Form. Endlich, findet Gazet van Antwerpen.
Solidarität vielleicht naiv, aber herzerwärmend
Het Belang van Limburg mahnt zur Besonnenheit: Die Politik darf nicht in Panik-Fußball verfallen. Ein höherer Zaun in Calais, eine Mauer in Ungarn, größere Asylzentren oder militärische Interventionen – das sind allemal Tropfen auf den heißen Stein. Die Krise kann nicht mit Aktionismus oder gut klingenden Reden angepackt werden. Alle Länder müssen ihr Scherflein dazu beitragen, auch die ehemaligen Ostblock- und die Golfstaaten. Mit Russland, dem Iran und den Vereinigten Staaten muss geschaut werden, ob es eine politische Lösung geben kann.
Unterdessen entsteht eine Welle der Solidarität. Ein bisschen naiv vielleicht, aber herzerwärmend. Es zeigt unsere Menschlichkeit, entlässt uns aber nicht aus unserer Verantwortung, findet Het Belang van Limburg.
Der politische Wille fehlt
De Morgen sieht eine Kluft zwischen Solidarität und Realpolitik: Der Unterschied zwischen den Bürgern, die die Hände aus den Taschen nehmen, und den Politikern, die in Gedanken einen Krieg in Syrien vorbereiten, ist groß. Genauso groß, wie die vielen Dringlichkeitssitzungen in der Griechenland-Krise und der fehlenden Eile bei der Flüchtlingskrise jetzt. Nicht nur in Belgien, sondern fast überall in Europa zögern die Politiker einzugreifen. Nicht so in Deutschland, wo hunderttausende Flüchtlinge ankommen. Wie groß ist hier der Unterschied zwischen Angela Merkel, die ihrer Bevölkerung deutlich macht, dass Deutschland es schaffen wird, die Asylkrise anzupacken, und unserem eigenen Premier, der die Kommunikation größtenteils seinem Staatssekretär überlässt? Unser Land kann den Flüchtlingsstrom auffangen. Finanziell und organisatorisch. Was fehlt, ist der politische Wille, meint De Morgen.
De Standaard kommt auf den Vorschlag des CD&V-Vorsitzenden Wouter Beke zurück. Der hatte am Donnerstag im flämischen Fernsehen angeregt, über eine Militärintervention in Syrien nachzudenken. Mit seinem Vorschlag, so die Zeitung, deutet Beke bereits an: Wenn wir nicht mit größerem Eifer und Einsatz an die Ursachen der Flüchtlingsströme gehen, dann bekommen wir das Problem nie in den Griff. Ein militärisches Eingreifen ist sehr komplex. Sowohl Eingreifen als auch Sich-Heraushalten ist uns schon sauer aufgestoßen. Es ist unabdingbar, dass sich Europa als regionale Großmacht und Stabilitätsgarant entwickelt. Doch der Weg dahin ist noch lang, so De Standaard.
Proximus – Sammelbecken ausrangierter Spitzenpolitiker
Die Wirtschaftszeitung De Tijd kommentiert die Ernennung von Karel De Gucht, den ehemaligen EU-Handelskommissar, in den Verwaltungsrat von Proximus. Das Kernkabinett hatte dazu am Freitag grünes Licht gegeben. Ursprünglich war dieser Posten eigentlich für die N-VA vorgesehen. Innerhalb der Regierung wurde aber am Pöstchenkarussell gedreht. Die liberale OpenVLD bekommt Proximus, und die N-VA dafür die Bahn. Dazu meint De Tijd: De Gucht landet beim Telekombetrieb, nicht weil er der richtige Mann für den Posten ist, sondern weil seine Partei, die OpenVLD, ihm noch was schuldig war. Bei der Regierungsbildung 2014 ging der EU-Kommissionsposten an die CD&V-Politikerin Marianne Thyssen. Für Karel De Gucht blieb kein Top-Job übrig. Auch nicht für seinen Sohn Jean-Jacques.
Es ist ungesund, wenn der Verwaltungsrat eines börsennotierten Staatsunternehmens zum Sammelbecken ausrangierter Spitzenpolitiker wird. Die Ernennungspolitik in Sachen Proximus zeigt, dass es nicht um eine geeignete Unternehmensführung geht, sondern dass Proximus immer noch Spielball der Politik ist. Es ist ein Zeichen mangelnden Respekts gegenüber Proximus, seinen Mitarbeitern und allen anderen Aktionären, dass die Politik die Posten in der Unternehmensführung benutzt, um parteipolitische Probleme zu regeln.
Volker Krings - Bild: Joe Klamar (afp)
Proximus – Sammelbecken ausrangierter Spitzenpolitiker!!!
Wie viele dieser Nichtsnutze und Schmarotzer lungern nicht in anderen Aufsichts- und Verwaltungsräten rum. In nicht allzu ferner Zeit werden sich mit Sicherheit auch im Aufsichtsrat des belgischen Atomstromproduzenten "verdiente" Freunde tummeln.