"Thalys-Terrorist lebte ungestört in Brüssel", titelt Het Nieuwsblad. "Der Thalys-Schütze hat in Molenbeek übernachtet", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Jeder Tag bringt neue Erkenntnisse über die Hintergründe des vereitelten Terroranschlags auf den Thalys Amsterdam-Brüssel-Paris vom vergangenen Freitag. Ayoub El-Khazzani hatte ein wirkliches Waffenarsenal in den Zug geschmuggelt, konnte aber von Fahrgästen überwältigt werden, bevor es zu einem Blutbad kommen konnte. Wie sich inzwischen herausstellte, wohnt die Schwester des Mannes in Brüssel. Und offenbar hat El-Khazzani häufig bei ihr übernachtet. In der Wohnung in der Brüsseler Stadtgemeinde Molenbeek soll er sogar den Anschlag geplant haben.
"Der Terrorist ist mit seinem Waffenarsenal quer durch Brüssel gelaufen", titelt denn auch La Dernière Heure.
Thalys-Attentat: Wieder Molenbeek im Fokus
"Wieder einmal sorgt also Molenbeek für negative Schlagzeilen", notiert dazu La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Und tatsächlich: Es ist beileibe nicht das erste Mal, dass das einst so wohlhabende Viertel im Zusammenhang mit Terrorismusermittlungen in den Fokus gerät. Unter anderem hatte auch Mehdi Nemmouche, der vor anderthalb Jahren im Jüdischen Museum in Brüssel ein Blutbad anrichtete, eine Zeitlang in Molenbeek gewohnt. Doch ist die Gemeinde besser als ihr Ruf, meint das Blatt. Längst sind in Molenbeek neue, moderne Wohnungen entstanden, die die gehobene Mittelklasse anziehen. Man sollte nicht die 100.000 Anwohner des Stadtteils allein mit seiner dunklen Seite gleichsetzen.
Ayoub el-Khazzani sitzt jetzt jedenfalls in Frankreich in U-Haft. Die Behörden gehen davon aus, dass er wirklich einen Terroranschlag verüben wollte. Er selbst hat ja behauptet, er habe die Fahrgäste lediglich ausrauben wollen.
Nach der Pause ist vor der Pause
In der Zwischenzeit erwacht die Politik aus der Sommerpause. Doch scheint die Koalition genau da weiter zu machen, wo sie vor einem Monat aufgehört hat: "Tax-Shift - die Regierung streitet beinahe über alles", so jedenfalls die Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws. Die Regierung hatte sich ja Ende Juli auf die Eckpunkte ihrer Steuerreform geeinigt. Dabei wurden aber längst nicht alle Maßnahmen bis ins Detail ausformuliert. Die entsprechenden Nachverhandlungen könnten sich aber als schwierig erweisen.
Mit ein Grund dafür ist wohl der neuerliche Clash zwischen den Koalitionspartnern CD&V und OpenVLD. Der CD&V-Vizepremier Kris Peeters hat dem OpenVLD-Minister Alexander De Croo unlängst vorgeworfen, Einzelheiten über den Tax-Shift schon vor der Einigung an die Presse weitergegeben zu haben. Die Christdemokraten sprechen in diesem Zusammenhang von einem "schwerwiegenden Vertrauensbruch".
Kris Peeters, der Unruhestifter?
"Das alles ist pathetisch und melodramatisch", wettert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Hier geht es lediglich um die Konfrontation zweier Egos, die zudem allein politisch-strategisch motiviert ist. "Hört auf mit dem Gejammer und macht Euren Job", fordert Het Laatste Nieuws.
"Es fällt auf, dass bei fast jedem Koalitionsstreit die CD&V im Mittelpunkt steht", analysiert L'Écho. Und der Unruhestifter ist meistens Vize-Premier Kris Peeters. Dafür gibt es wohl zwei Gründe. Erstens: Die CD&V ist der Koalitionspartner, der am weitesten links steht und ist deswegen immer wieder versucht, die Regierungspolitik hin zur Mitte zu ziehen. Zweitens gibt es da aber auch noch die Persönlichkeit des Kris Peeters. Auf die Gefahr hin in Küchenpsychologie abzugleiten, aber dem ehemaligen flämischen Ministerpräsidenten fällt es offensichtlich schwer, die zweite Geige zu spielen.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich. Offensichtlich hat Kris Peeters - viel mehr als gedacht - ein Problem damit, dass ihm der Posten des Premiers durch die Lappen gegangen ist. Jetzt wird es aber Zeit, dass einer die Streithähne auseinanderbringt. Premier Charles Michel muss endlich ein Machtwort sprechen.
Flüchtlingskrise: "Status quo ist keine Option"
Die Flüchtlingskrise steht aber auch weiter im Fokus. "Die Politik ist machtlos angesichts des Stroms von Asylbewerbern", schreibt Le Soir. Das gelte sowohl für Belgien, als auch für Europa insgesamt. Auf allen Ebenen fallen die Entscheidungen zu spät und sie bringen zudem nicht viel, meint das Blatt.
In dieselbe Kerbe schlägt auch L'Écho auf Seite eins: "In dieser Flüchtlingskrise ist ein Status quo keine Option", so die Schlagzeile. Die EU-Kommission hat einmal mehr für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa plädiert. Vor allem osteuropäische Mitgliedsstaaten lehnen das aber weiter ab.
Le Soir mahnt in diesem Zusammenhang, dass wir nicht unsere eigene Vergangenheit vergessen. In den beiden Weltkriegen waren hunderttausend Belgier auf der Flucht. Die einen verschlug es nach Frankreich, die anderen in die Niederlande. Allein im Mai 1940 waren bis zu zwei Millionen Belgier in Bewegung. Diese Episoden sollten uns in die Lage versetzen, Verständnis für die Syrer und Iraker aufzubringen, die jetzt bei uns Schutz suchen.
In Vilvoorde nördlich von Brüssel gibt es unterdessen Spannungen um ein geplantes Asylbewerberheim. Die Flüchtlinge könnten dort von radikalisierten Jugendlichen bedroht werden. Darauf deuten unter anderem Einträge in Sozialen Netzwerken hin. Der Bürgermeister der Stadt, Hans Bonte, zieht auf Seite eins von De Morgen die Alarmglocke: "Ich kann die Sicherheit der Flüchtlinge nicht mehr garantieren", sagt Bonte. Er brauche dringend zusätzliche Mittel...
Stromdebakel
"Atomkraftwerke blockieren neue Investitionen", titelt schließlich De Standaard. Offenbar sorgt demnach die geplante Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke für eine abwartende Haltung bei den Stromproduzenten. Niemand will noch investieren. Man spekuliert darauf, dass die Kernkraftwerke auch nach 2025 am Netz bleiben, warnen Fachleute.
Das ist die Folge des jahrelangen Zickzack-Kurses der verschiedenen Regierungen, beklagt De Standaard in seinem Leitartikel. 15 Jahre Improvisation sorgen jetzt für totalen Stillstand in der belgischen Energiepolitik. Resultat: Der Strom wird in absehbarer Zeit nicht nachhaltiger, sondern allenfalls teurer.
Roger Pint - Archivbild: Nicolas Materlinck (belga)