"Neugeborenes Baby am Straßenrand ausgesetzt", titelt Het Belang van Limburg. Viele Zeitungen beschäftigen sich heute zunächst mit der unglaublichen Geschichte, die sich am Dienstag in Sint-Truiden ereignet hat. Ein Busfahrer der flämischen Nahverkehrsgesellschaft De Lijn hatte eine Frühstückspause eingelegt und sein Fahrzeug am Straßenrand geparkt. Plötzlich hört er ein Geräusch und beschließt, der Sache nachzugehen. Als er aussteigt, sieht er ein Bündel Decken, aus denen ein Köpfchen herauslugt. "Ich dachte erst, dass es eine Puppe war.", zitiert Gazet van Antwerpen den Fahrer auf Seite eins. Der Mann verständigt sofort die Rettungsdienste und nimmt das Kind an sich. "Ich war so froh, dass der Säugling anfing zu schreien.", sagt er in Het Belang van Limburg. Wie knapp das Ganze war, das hebt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite hervor: "Das Findelkind hatte nur noch drei Stunden zu leben.", so die Schlagzeile.
Suche nach Mutter von "Baby Marie"
Die Mutter konnte bislang noch nicht identifiziert werden. Nach ihr wird fieberhaft gefahndet. In jedem Fall wird gegen die Frau "wegen versuchten Babymords ermittelt", wie Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite unterstreicht. Baby Marie, so hat man das Kind provisorisch genannt, wird jetzt erstmal zehn Tage im Krankenhaus bleiben.
Diese Geschichte verschlägt einem eigentlich die Sprache, notiert Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Es war reiner Zufall, dass der Busfahrer den Säugling gefunden hat. Er war danach genauso schockiert, wie wir es jetzt sind. Eine Mutter, die nicht für ihr Neugeborenes sorgen kann oder will, das trifft wohl jeden mitten ins Herz. Hier zeigt sich, dass selbst das engmaschigste Sozialnetz immer noch kleine Löcher aufweisen kann. Das wird wohl nie ganz zu vermeiden sein. Diese Geschichte beweist, dass Babyklappen, wie die in Antwerpen, mit Sicherheit eine Existenzberechtigung haben.
Flüchtlinge müssen besser auf Länder aufgeteilt werden
Auch die Flüchtlingskrise ist nach wie vor Thema in vielen Zeitungen. "Alle wollen nach Deutschland", schreibt etwa De Standaard auf Seite eins. Allein in diesem Jahr werden demnach wohl schätzungsweise 750.000 Menschen im Nachbarland Asyl beantragen. Sogar die Vereinten Nationen ziehen jetzt die Alarmglocke: "Europa muss die Flüchtlinge intern besser verteilen", fordert die UNO.
Auch in Belgien ist die Zahl der Asylanträge in den letzten Wochen sprunghaft angestiegen.
Le Soir befasst sich zunächst mit der ersten Etappe, die nach dem Einreichen des Asylantrags ansteht: "Wie die Geschichte der Flüchtlinge überprüft wird", so die Schlagzeile. Es ist so, dass jetzt kontrolliert werden muss, ob die Menschen wirklich aus einem Kriegsgebiet kommen. Und die müssen dann ihre teils schmerzlichen Erfahrungen noch einmal schildern.
Francken macht sich bei eigenen Wählern unbeliebt
Im Fokus steht in dieser Thematik aber auch der zuständige Asyl-Staatssekretär Theo Francken. Der N-VA-Politiker hatte sich in letzter Zeit mit seinem demonstrativen Engagement profiliert, möglichst allen Flüchtlingen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Offensichtlich stößt diese Politik aber bei der N-VA-Basis nicht immer auf Zustimmung, wie Het Laatste Nieuws berichtet. "Die N-VA-Wähler tun sich schwer mit Franckens Flüchtlingspolitik.", schreibt das Blatt.
Am Dienstag hatte ja Het Laatste Nieuws berichtet, dass der Staatssekretär wegen seiner Politik sogar schon mit dem Tod bedroht wurde. Offensichtlich gilt das auch für CD&V-Politiker Kris Peeters und Wouter Beke. Die Liste der Bedrohten ist allerdings noch viel länger; Het Nieuwsblad zählt sie auf: Auch N-VA-Chef Bart De Wever, Innenminister Jan Jambon, PS-Chef Elio Di Rupo und Premier Charles Michel sind schon im Fadenkreuz aller möglichen Hitzköpfe gewesen.
Das Ganze ist schon fast inflationär, bemerkt dazu fast ironisch Het Laatste Nieuws. Im Grunde wissen die Politiker, dass von Menschen, die öffentlich mit Gewalt drohen, in aller Regel keine Gefahr ausgeht. Wer wirklich zur Tat schreiten will, der kündigt das nicht vorher an. Das soll nicht heißen, dass man das Gewaltpotential in der Gesellschaft unterschätzen sollte. In der Zwischenzeit geht aber gerade für Politiker, die polarisieren, eine Morddrohung fast schon als Ritterschlag durch. Oder anders herum gesagt: Der arme Politiker, der noch nie bedroht wurde, ist fast schon ein Außenseiter.
Entweder Bürgermeister - oder eben nicht!
Le Soir befasst sich in seinem Leitartikel mit dem jüngsten Vorstoß des wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette. Der PS-Politiker plädierte für ein neues Dekret, das die Ämterkumulation ein für alle Mal regeln soll. Insbesondere sollten demnach Bürgermeister, die wegen eines Ministeramtes erstere Funktion nicht ausüben können, sich künftig, viel klarer noch als bisher, von kommunalen Angelegenheiten fernhalten müssen.
Diese Initiative ist zwar lobenswert, aber in der Praxis wohl unzureichend, befindet die Brüsseler Zeitung. Einzige Option ist im Grunde, dass ein Minister von seinem Bürgermeisteramt ganz zurücktritt. Das ist auch eine Frage der politischen Lesbarkeit für den Bürger: Wie soll man noch wissen, wer für was zuständig ist, wenn ein Minister, der sich im Rathaus eigentlich vertreten lässt, punktuell dann doch wieder die Bürgermeisterschärpe anlegt. Hinzu kommt der berechtigte Verdacht, dass besagter Minister bei seiner Regierungsarbeit nicht neutral ist. Im Namen der Transparenz sollten aber nicht nur die Wallonie, sondern gleich alle Ebenen des Staates ein für alle Mal aufräumen.
Die Wallonie hat aber offensichtlich noch ein ganz anderes Problem. Der wallonische Fiskus muss noch Steuerrückstände in Höhe von 100 Millionen Euro eintreiben, so die Aufmachergeschichte von L'Echo. Der neue Direktor der Steuerverwaltung stellt jedenfalls eine knallharte Diagnose: Seine Behörde sei im Grunde im Moment noch nicht dazu im Stande, neue Steuern korrekt einzutreiben.
Roger Pint - Archivbild: Siska Gremmelprez (belga)