"Chaos auf Kos", titelt De Standaard. Auf den griechischen Mittelmeerinseln kommen immer mehr Flüchtlinge an. Kos ist da nur ein Beispiel. Inseln wie Lesbos oder Chios sind in derselben Lage. Insgesamt sind allein in diesem Jahr schon 125.000 Flüchtlinge auf den Inseln gezählt worden. Und vor Ort ist man vollkommen überfordert - Chaos eben, wie die Zeitung schreibt.
Das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws greift seinerseits das Schicksal eines kleinen syrischen Jungen auf. Das Bild des vierjährigen Mohammed, der von seinen Eltern schwerverletzt in einer Reisetasche transportiert wurde, war um die Welt gegangen. "Alle suchen nach dem kleinen Flüchtling; wir haben ihn gefunden", schreibt das Blatt auf Seite eins. Das Kind, das schwere Verletzungen am ganzen Körper aufwies, befindet sich demnach auf der Intensivstation eines Krankenhauses in der ungarischen Hauptstadt Budapest.
Le Soir bringt eine Reportage, die die Situation vor den Toren des Ausländeramtes am Brüsseler Nordbahnhof dokumentiert. In letzter Zeit herrscht dort an jedem Montag ein großer Andrang, weil die Büros am Wochenende geschlossen sind. Einige Flüchtlinge zeigen sich gegenüber der Zeitung enttäuscht. "Wir verstehen ja die Probleme, es wäre aber schön gewesen, wenn man uns wenigstens eine Flasche Wasser oder ein Zelt zur Verfügung gestellt hätte.", sagt ein junger Iraker.
Flüchtlingsdebatte: die Bruchlinien der Gesellschaft
Einige Zeitungen kommen zurück auf die Polemik, die die sozialistischen Stadtväter von Tournai angestoßen hatten. Dort soll ja in einer örtlichen Kaserne ein provisorisches Auffanglager eingerichtet werden. Die PS, allen voran Rudy Demotte, der Ministerpräsident der Französischen Gemeinschaft und Titular-Bürgermeister von Tournai, hat eine ganze Reihe von Argumenten gegen das Asylbewerberheim geltend gemacht.
Diese Geschichte steht beispielhaft für die Bruchlinien, die sich angesichts der Flüchtlingsproblematik in unserer Gesellschaft auftun, notiert dazu L'Avenir. Die einen setzen alles daran, Flüchtlinge aufzunehmen. Andere sagen, dass es jetzt schon zu viele im Land gibt und dass wir uns schließlich nicht um das Elend der ganzen Welt kümmern können. Und bei dieser Diskussion kollidieren häufig große humanistische Prinzipien mit kleinen politischen Kindereien. Das Ganze gewürzt mit einer gehörigen Prise Populismus und Scheinheiligkeit. Dazu nur so viel: Wenn jemand eine einfache Lösung für das Problem kennt, dann sollte er es bitte ganz schnell sagen.
Auch La Dernière Heure will da einen Punkt noch einmal klarstellen: Es gibt Leute, die glauben, dass es schon jetzt zu viele Einwanderer in Belgien gibt. Die sollten sich vielleicht mal die Alterspyramide des Landes anschauen. Streicht man die Menschen mit Migrationshintergrund, dann sähe Belgien aus wie ein Altersheim unter freiem Himmel.
Die Gewerkschaften melden sich zurück
Auf Seite eins von Le Soir meldet sich der derweil Marc Goblet zurück, der Generalsekretär der sozialistischen Gewerkschaft FGTB. Und Goblet geht gleich in die Vollen: Der Gewerkschaftsboss will eine Senkung der Wochenarbeitszeit vorschlagen. Dies sozusagen als Ausgleich für die versprochene Lastensenkung für die Unternehmen. Demnach könnten insbesondere ältere Arbeitnehmer von 38 auf 32 Stunden gehen. Le Soir spricht den FGTB-Generalsekretär auch auf die jüngste Verbalattacke der CSC-Kollegin Marie-Hélène Ska an. Die hatte Goblet ja unlängst übelst beschimpft. Er habe noch nicht mir ihr darüber gesprochen, sagt Goblet. Alles zu seiner Zeit.
Die Gewerkschaften wären gut beraten, solche persönlichen Differenzen schnellstens aus der Welt zu schaffen, mahnt Le Soir in seinem Leitartikel. Im Herbst werden wichtige Akten auf dem Tisch liegen, dann sollte das Tandem Goblet-Ska auf einer Wellenlänge sein. In gewissen Punkten ist man das schon. Auch die CSC spielt mit der Idee einer Senkung der Wochenarbeitszeit. Man darf erwarten, dass die Arbeitgeber sie deswegen für verrückt erklären werden. Im Grunde geht es hier aber nur darum, dass wirklich neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
In Flandern stellt sich derweil die Frage nach dem Verhältnis zwischen der CD&V und der ihr nahestehenden christlichen Gewerkschaft CSC. In einem Radiointerview beklagte gestern der frühere CSC-Chef Luc Cortebeeck den schwindenden Einfluss der Christdemokraten.
Die Gründe hierfür liegen auf der Hand, bemerkt dazu Het Belang van Limburg. Die CD&V ist nun mal nur die drittstärkste Kraft in der Regierung, hinter N-VA und MR. Cortebeeck ist aber in gewisser Weise ein Relikt aus alten Zeiten. Sein Plädoyer für den Sozialen Dialog wirkt angestaubt. Wer im Zeitalter der Globalisierung die Sozialsysteme festigen will, der muss auch bereit sein, gewisse soziale Errungenschaften in Frage zu stellen.
Muslime und Juden gemeinsam gegen rituelles Schlachtverbot
In Flandern tobt seit einigen Tagen ein heftiger Streit über rituelle Schlachtungen. Ben Weyts, N-VA-Politiker und flämischer Tierschutzminister, hat rituelle Schlachtungen ohne Betäubung ausnahmslos verboten. Seit einigen Tagen schon laufen Muslime Sturm gegen die Entscheidung. Jetzt meldet sich aber die jüdische Glaubensgemeinschaft zu Wort: "Hier werden Juden rausgemobbt!", wettert der Chefredakteur der jüdischen Zeitung Joods Actueel auf Seite eins von De Standaard. Und er legt noch eine Schippe drauf: "Der letzte, der unsere rituellen Schlachtungen verboten hat, der hieß Adolf Hitler."
Roger Pint - Foto: Angelos Tzortzinis (afp)