"Asylpolitik - die Gemeinden kriegen die heiße Kartoffel", titelt La Libre Belgique. Die Regierung hat ja die Schaffung von über 2.700 neuen Plätzen in Auffangstrukturen beschlossen, um dem großen Ansturm von Flüchtlingen Herr zu werden. Auf frankophoner Seite konzentriert sich die Maßnahme im Wesentlichen auf die Stadt Tournai. In einer örtlichen Kaserne sollen bis zu 800 Asylbewerber untergebracht werden.
In Tournai empfinden es die Verantwortlichen aber so, als würden sie vom Föderalstaat ziemlich alleine gelassen. La Libre Belgique gibt aber zu bedenken, dass es sich bei all dem nur um eine Dringlichkeitsmaßnahme handelt: "Der Notfallplan ist nichts anderes als eben ein Notfallplan", notiert das Blatt.
In diesem Zusammenhang hatte der PS-Politiker Rudy Demotte am Wochenende für eine Polemik gesorgt. Demotte ist nicht nur Ministerpräsident der Französischen Gemeinschaft, sondern auch Titular-Bürgermeister von Tournai. Heißt: Er kann das Amt, in das er gewählt wurde, wegen seines Ministerpostens nicht ausüben. Demotte hatte die geplante Unterbringung von Flüchtlingen in seiner Heimatstadt scharf kritisiert.
Demotte entfacht Twitterfehde
Zusätzlichen Pfeffer gab es dann aber im sozialen Netzwerk Twitter. Demotte hatte öffentlich eine Mitteilung favorisiert, in der Asyl-Staatssekretär Theo Francken, als, so wörtlich, "Affe der flämischen Rechtsextremisten" bezeichnet wurde. Später entschuldigte sich Demotte und sprach von einem "unglücklichen Benutzerfehler". Nichtsdestotrotz spricht die Zeitung Le Soir auf ihrer Titelseite von einer "doppelten Entgleisung" des Rudy Demotte.
Einige Leitartikler reagieren mit Kopfschütteln auf die Ereignisse vom Wochenende. Die Aussagen von Rudy Demotte sind einfach nur jämmerlich, wettert etwa Le Soir. Was sollen denn die Einwohner von Hotton sagen? In der 5.700 Seelen-Gemeinde befindet sich ein Asylbewerberheim mit 300 Plätzen. Da läuft das demographische Argument Demottes ins Leere. Er kann es drehen und wenden, wie er will, im Endeffekt reduziert sich seine Haltung auf immer dieselbe Parole: "Überall, nur nicht bei uns."
Für die PS ist offensichtlich wirklich jedes Thema eine Gelegenheit, um Oppositionspolitik zu betreiben, glaubt auch Het Nieuwsblad. Ausgerechnet ein Sozialist sollte doch für die Unterbringung von Flüchtlingen noch am meisten Verständnis aufbringen. Stattdessen artete das Ganze am Ende noch in eine Schlammschlacht mit dem Asyl-Staatssekretär Theo Francken aus, der sich allerdings auch nur allzu gerne hat provozieren lassen.
Für La Libre Belgique hat die Polemik denn auch längst pathetische Züge angenommen. Die Sozialisten haben mit Sicherheit eine Gelegenheit verpasst, den Mund zu halten. Doch auch das Regierungslager reagiert viel zu extrem und gießt damit nur unnötig Öl ins Feuer. Eine wirklich konstruktive Diskussion über die Migrationspolitik ist aber nur möglich, wenn man kurzfristige und wahltaktische Erwägungen ausblendet.
Umfrage: Belgier sehen Einwanderung kritisch
In diesem Zusammenhang lässt eine neue Meinungsumfrage des Instituts Ipsos aufhorchen. Het Laatste Nieuws fasst die Ergebnisse auf Seite eins zusammen: "Sechs von zehn Belgiern haben den Eindruck, dass es zu viele Einwanderer gibt." Mehr noch: Nur zwei von zehn Belgiern glauben, dass Einwanderung eine Bereicherung für das Land ist.
Rassismus hat in diesem Land eine lange Tradition, notiert dazu sinngemäß De Morgen. Noch in den 70er Jahren gab es Dorfkneipen in Flandern, auf deren Eingangstüre ein Verbotsschild prangte: "Zugang für Nordafrikaner untersagt", stand da zu lesen. Und die Politik hat es immer vorgezogen, auf dieser Welle zu surfen, statt die Probleme anzugehen. Was bleibt, ist der "weiße" Flame mit seiner ewigen Angst vor der Globalisierung.
Und wir vergessen unsere eigene Vergangenheit, glauben Het Laatste Nieuws und Gazet van Antwerpen. Es hat Zeiten gegeben, da wanderten Europäer scharenweise nach Amerika aus. In Antwerpen gab es die Red Star Line, die davon lebte, insbesondere Belgier in die Neue Welt zu transportieren. So, wie Amerika von den Migranten profitiert hat, muss das auch bei uns möglich sein.
Möglich, weil nötig, fügt Het Belang van Limburg hinzu. Eine Tatsache ist nicht aus der Welt zu reden: Europa vergreist: Bald gibt es nicht mehr genügend Arbeitskräfte, die unsere Sozialsysteme finanzieren können. Unter diesem Gesichtspunkt ist Immigration eine durchaus positive Entwicklung.
Resistente Keime und Selfie-Freiheit
"In Krankenhäusern werden zu viele Antibiotika eingesetzt", titelt Le Soir. Es ist ja bekannt, dass gerade in Krankenhäusern besonders resistente Bakterien auftreten können; man spricht da oft von "Krankenhauskeimen". Ursache ist, dass eben zu viele Antibiotika verabreicht werden, was irgendwann dazu führt, dass immune Keime auftreten. Ein Antwerpener Arzt fordert jetzt, dass man Krankenhäusern auf die Finger schaut und sie notfalls mit einer Geldbuße belegt, wenn zu viele Antibiotika eingesetzt werden.
"Selfie vor dem Atomium, für die OpenVLD ist das OK", schreibt De Morgen auf Seite eins. Normalerweise ist es so: Wer das Atomium oder auch den Brüsseler Zentralbahnhof fotografieren will, der muss erst die Genehmigung anfragen bzw. Autorenrechte bezahlen. Die flämischen Liberalen wollen das jetzt ändern, zumindest für Touristen.
Roger Pint - Bild: Jasper Jacobs/BELGA