"Nachlässigkeiten im Kernkraftwerk", titelt Het Nieuwsblad. "Bedenkliche Achtlosigkeit", schreibt L'Avenir auf Seite eins.
Im AKW Tihange sind vier Mitarbeiter bis auf Weiteres suspendiert worden. Das hat nicht der Betreiber Electrabel entschieden, die Maßnahme wurde vielmehr von der Föderalen Agentur für Nuklearkontrolle (Fank) angeordnet. "Der Atom-Wachhund klopft Electrabel auf die Finger", schreibt denn auch De Standaard. "Die Atomaufsicht ist wütend angesichts der Nonchalance in Tihange", notiert auch De Morgen.
Anlass für die Suspendierung ist eine Serie von Verstößen gegen Sicherheitsprozeduren. Für sich genommen hätten die Fehler nie gravierende Konsequenzen gehabt, räumt auch die Fank ein. Die Atomaufsichtsbehörde ist vielmehr besorgt über die "nachlassende Sicherheitskultur" in dem Kernkraftwerk.
Müssen wir uns jetzt doch Sorgen machen?, fragt sich De Standaard in seinem Leitartikel. Nicht vergessen: Gerade erst hat die Regierung die Laufzeitverlängerung für die Reaktoren Doel 1 und Doel 2 beschlossen. Und jetzt spricht man plötzlich von einer "laxen Sicherheitskultur" bei Electrabel. Vielleicht sollte die vollzählige Regierung mal nach Japan fahren. Dann würde man feststellen, dass das Land sicherheitsverliebter, technologischer und pflichtbewusster als Belgien ist - und doch gab es die Atomkatastrophe von Fukushima.
Schuldbewusstsein: Fehlanzeige
Die Fank hat Electrabel gezeigt, wo der Hammer hängt, glaubt L'Avenir. Die Atomaufsichtsbehörde hat ja sogar damit gedroht, das Kernkraftwerk vollends zu schließen, falls sich die Lage nicht grundlegend verbessere. Paradox ist dabei: Inzwischen kann sich sogar die grüne Opposition bei der Fank bedienen, falls sie noch Argumente gegen die Atomkraft braucht.
Irritierend, um nicht zu sagen besorgniserregend, ist da aber die Reaktion von Betreiber Electrabel, schimpft Het Nieuwsblad. Die Diagnose der Fank ist doch eine reine Blamage. Da wird einem Atombetreiber mal eben Nonchalance und Schludrigkeit bescheinigt. Und Electrabel reagiert mit den Worten: "Wir versuchen, noch besser zu werden". Schuldbewusstsein: Fehlanzeige, kann man da nur feststellen. Da darf man nicht darüber nachdenken, dass die ältesten Meiler jetzt länger am Netz bleiben dürfen, obgleich ihr Verfallsdatum damit um zehn Jahre überschritten wird.
Rindertuberkulose in Limburg
"167 Viehzuchtbetriebe blockiert wegen zwei Fällen von Tuberkulose", titelt derweil Het Belang van Limburg. L'Avenir hat ein bisschen aufgerundet: "Rindertuberkulose: 200 Betriebe blockiert", so die Schlagzeile. Im Norden der Provinz Limburg sind zwei Fälle von Rindertuberkulose festgestellt worden. Um eine Epidemie zu verhindern, werden dann aber alle Betriebe unter Quarantäne gestellt, die auch nur im Entferntesten Kontakt mit dem Hof gehabt haben.
Die Sicherheitsmaßnahmen gehen dabei ziemlich weit, wie Het Laatste Nieuws berichtet. Ein limburgischer Bauer steht buchstäblich vor dem Nichts: Erstmal sind alle seine 180 Rinder zur Notschlachtung abtransportiert worden. Aber nicht nur das, sogar seine zwei Hunde werden vorsorglich eingeschläfert. Der Verlust seiner Hunde sei das Allerschlimmste, sagt der am Boden zerstörte Landwirt in dem flämischen Massenblatt.
Bitte nicht im eigenen Vorgarten
Das Thema Flüchtlingspolitik sorgt ebenfalls weiter für Diskussionsstoff. "Die zusätzlichen Plätze in Auffangstrukturen sind doch noch wacklig", titelt etwa Gazet van Antwerpen. Die Regierung hatte die Schaffung von über 2.700 Plätzen beschlossen. Bis zu 700 davon sollen in Tournai im äußersten Westen der Wallonie eingerichtet werden. Die Verantwortlichen der Stadt gehen aber auf die Barrikaden. Und hier handelt es sich um keinen geringeren als den PS-Ministerpräsidenten der Französischen Gemeinschaft, Rudy Demotte. Der ist auf dem Papier Bürgermeister von Tournai, in der Praxis wird er durch einen "diensttuenden Bürgermeister" ersetzt. "Demotte lehnt die Politik von Staatssekretär Francken ab", schreibt denn auch La Libre Belgique auf Seite eins. Nach Ansicht von Demotte sollten nicht so viele Asylbewerber in einer Auffangstruktur untergebracht werden. Das sorge allenfalls für eine "Ghettoisierung".
"Migrationspolitik - gleich wieder Krieg zwischen PS und MR", schreibt in diesem Zusammenhang Le Soir auf Seite eins. Die Liberalen können nämlich die sozialistische Kritik nicht nachvollziehen und werfen den Roten "Inkonsequenz" vor, nach dem Motto: Immer Solidarität predigen, nur dann nicht, wenn man selber solidarisch sein muss.
Auch La Libre Belgique kann die Haltung der PS nicht wirklich nachvollziehen. Wir erinnern uns, schreibt das Blatt in seinem Kommentar: Noch vor wenigen Monaten plädierte PS-Chef Elio Di Rupo für eine humane, weitsichtige europäische Migrationspolitik. Di Rupo bedauerte sogar, dass Belgien da nicht proaktiver sei. Und was sehen wir jetzt? Dieselbe PS stemmt sich gegen ein Asylbewerberheim in einer sozialistisch-dominierten Stadt. Also frei nach dem Motto: Überall, nur nicht bei uns.
Die einzige Wahrheit ist, dass es keine gibt
Le Soir versteht seinerseits die Welt nicht mehr. Auf der einen Seite: N-VA-Staatssekretär Theo Francken, der vor Kurzem noch als "Rassist" bezeichnet wurde und der jetzt plötzlich im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise über die "notwendige Solidarität" spricht. Auf der anderen Seite ein sozialistischer Bürgermeister, nämlich Rudy Demotte, der geltend macht, dass seine Stadt doch nicht das Elend der ganzen Welt aufnehmen könne. Und als Schiedsrichter: entfesselte soziale Netzwerke, wo Stammtischparolen, grobe Verallgemeinerungen und sogar klar rassistische Argumentationen durch die Gegend fliegen. Jeder scheint hier zu vergessen, dass man die Welt nicht einfach in schwarz oder weiß unterteilen kann. Wenn es eine Wahrheit gibt, dann die, dass es keine gibt. Wenn jetzt selbst Politiker die Grauzonen ausblenden, dann ist eine nüchterne Debatte über das Thema bald vollends unmöglich.
Rassismus: Haltung zeigen
Gazet van Antwerpen verweist in diesem Zusammenhang auf den Kommentar in den ARD-Tagesthemen vom vergangenen Mittwoch. Darin hatte die Journalistin Anja Reschke mit ungewöhnlichen klaren Worten den im Internet grassierenden Rassismus gebrandmarkt. Man kann den Appell der deutschen Kollegin nur unterstützen, meint die Zeitung in ihrem Leitartikel. Man sollte Rassisten nicht länger ignorieren, sondern vielmehr dagegenhalten, den Mund aufmachen, Haltung zeigen, sagt Anja Reschke. Und Recht hat sie. Rassismus im Internet wird viel zu selten geahndet. Dabei wurden hier längst alle Grenzen überschritten. Hier will niemand das Recht auf freie Meinungsäußerung beschneiden. Aber wenn jemand zur Gewalt gegen Ausländer aufruft oder Menschen gar den Tod wünscht, nur, weil sie zufällig eine andere Hautfarbe haben und auf der Flucht sind, dann hat das nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Das ist einfach nur kriminell.
Roger Pint - Foto: Eric Lalmand (belga)