"Calais sieht nicht das Ende des Tunnels", titelt La Libre Belgique. "Jede Nacht stürmen 2.000 Flüchtlinge den Eurotunnel", so die Schlagzeile von L'Echo. "Dutzende verzweifelte Versuche, jeden Tag aufs Neue", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Im nordfranzösischen Calais spitzt sich die Lage von Tag zu Tag weiter zu. Immer mehr Flüchtlinge stranden in dem Küstenort und haben dabei nur ein Ziel vor Augen: Sie alle wollen nach Großbritannien.
"Calais kracht aus allen Nähten", notiert De Standaard auf Seite eins. Und "nichts und niemand kann die Flüchtlinge dazu bringen, ihren englischen Traum aufzugeben", schreibt La Libre Belgique. Tausende von ihnen versuchen weiter, mit allen Mitteln, in das vermeintlich "gelobte Land" zu kommen. Beim Versuch, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, kam gerade erst wieder ein junger Mann aus dem Sudan ums Leben.
"Wo ist die Politik?", fragt anklagend De Morgen auf seiner Titelseite. Das Blatt bringt zwei Fotos, die quasi dieselbe Szene zeigen: Menschen auf den Bahngleisen, die versuchen, auf Züge nach Großbritannien zu gelangen. Da gibt es nur ein Problem: Eines der beiden Fotos stammt aus dem Jahr 2001. "Die Politik schaut seit 15 Jahren weg", schreibt De Morgen.
Flüchtlingspolitik: Lieber wegschauen als etwas tun
Die Reaktion gewisser Politiker auf die dramatischen Ereignisse in Calais ist mitunter regelrecht erbärmlich, wettert auch L'Echo in seinem Leitartikel. Beispiel: Die britische Regierung hat jetzt Urlaubern geraten, Calais möglichst zu meiden und stattdessen auf Le Havre oder Cherbourg auszuweichen. Mit anderen Worten: staatliche Tipps, um besser wegschauen zu können. Das deckt sich im Übrigen mit der zunehmenden Tendenz der Staaten, sich einzuigeln. Frankreich und Großbritannien ziehen es vor, weitere Millionen in die Abdichtung des Eurotunnels zu investieren, statt sich wirklich des Flüchtlingsproblems anzunehmen.
Wir brauchen hier einen internationalen Ansatz, fordert auch Le Soir. Alle Länder müssen hier ihre Eigeninteressen zurückstellen. Im Augenblick ist aber genau das Gegenteil zu beobachten. Wie vieler Toter bedarf es noch, bis das Ende des Tunnels in Sicht ist?, fragt sich die Zeitung.
Bauernproteste schwappen über nach Belgien
"Die Wut der Landwirte hat die Grenze überschritten", so die Aufmachergeschichte von L'Avenir. Nach den französischen Bauern gehen jetzt auch die belgischen Kollegen auf die Straße. Viele Landwirte sind verzweifelt, insbesondere die Milchbauern. Die Erzeugerpreise sind mal wieder im Keller; die Bauern bekommen zu wenig für ihre Produkte. Gestern gab es eine erste Protestaktion in Ath, ganz im Westen der Wallonie.
"Gestern in der Wallonie, heute schon auf der E17-Autobahn?", fragt sich Het Laatste Nieuws. Heute wollen sich auch die flämischen Bauern den Protesten anschließen und insbesondere die Autobahn zwischen Gent und Antwerpen blockieren.
Energieversorgung: "Politischer Blackout"
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit dem Abkommen, das die Regierung mit den Stromproduzenten ausgehandelt hat. Im Mittelpunkt stand eigentlich die Laufzeitverlängerung der beiden Kernreaktoren Doel 1 und Doel 2. Bei der Gelegenheit wurde aber auch die sogenannte Nuklearabgabe neu verhandelt. Das Ergebnis fasst Le Soir auf seiner Titelseite zusammen: "Für Electrabel fällt die Rechnung günstiger aus". In der Tat wird die eigentliche Nuklearabgabe mehr als halbiert.
Die meisten Leitartikler gehen mit dem Abkommen hart ins Gericht. Het Nieuwsblad etwa spricht in diesem Zusammenhang von einem "politischen Blackout". Die Verhandlungstaktik von Energieministerin Marie-Christine Marghem war doch ziemlich seltsam, meint das Blatt. Eigentlich hat sie von vornherein ihre Karten auf den Tisch gelegt. Sie kam als Bittstellerin daher: Um Blackouts zu vermeiden, mussten die Meiler am Netz bleiben. Einen Plan B gab es nicht. Electrabel konnte also den Preis für die Gegenleistung diktieren - und hat das auch getan.
Le Soir sieht das genauso. Diese Geschichte ist mal wieder typisch belgisch. Die Situation war am Ende so verfahren, dass die Notwendigkeiten angesichts des drohenden Blackouts schwerer gewogen haben als der gesunde Menschenverstand.
Hier geht es aber nicht nur ums Geld, notiert L'Avenir. Schlimm genug, dass die belgischen Verbraucher ihre Kernkraftwerke jetzt quasi zum zweiten Mal bezahlen müssen. Hinzu kommt aber, dass dem Land energiepolitisch nach wie vor jegliche Vision fehlt. Jetzt, wo die Kernkraftwerke für weitere zehn Jahre am Netz bleiben, gibt es weiterhin keinen echten Ansporn, auf alternative Energiequellen umzusatteln.
De Standaard geht noch einen Schritt weiter: Die Energiepolitik dieses Landes ist eine groteske Posse. Vor zwölf Jahren wurde großartig der Atomausstieg verkündet. Danach folgte aber ein beispielloser Zickzackkurs. Mit dem Resultat, dass man sich jetzt vor den französischen Strom-Herren in den Staub werfen musste. Wir sollten jetzt schnellstens aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, um nicht 2025 wieder genau da zu stehen, wo wir heute sind.
Trophäenjäger sorgt für Empörung - aber ist das aufrichtig?
Viele Zeitungen berichten schließlich über den tragischen Tod des Wappentiers eines Nationalparks in Simbabwe. La Dernière Heure macht daraus sogar seine Aufmachergeschichte. "Die Safaris der Schande", schreibt das Blatt. Ein Zahnarzt aus den USA hat 50.000 Dollar gezahlt, um einen Löwen erlegen zu dürfen. Er erwischte allerdings Cecil, die bekannteste Großkatze des Landes.
Der Fall sorgt für weltweite Wut und Empörung. Het Laatste Nieuws kann das zwar nachvollziehen. Leute wie der Zahnarzt Walter Palmer glauben, dass sie mit Geld alles kaufen können, sogar das Abknallen seltener Tiere. Die ganze Aufregung ist aber doch ziemlich scheinheilig. Zeitgleich sterben in Calais nämlich arme Teufel auf dem Weg nach England. Manche Leute haben offensichtlich ein Herz für Tiere, schauen aber weg, wenn Menschen wie Tiere behandelt werden.
Roger Pint - Bild: Philippe Huguen/AFP