"Schisma", titelt De Morgen. "Das zerrissene Europa", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Eurozone tief gespalten", schreibt auch das GrenzEcho auf Seite eins.
Der "Tag der Entscheidung" ist in die Verlängerung gegangen. Das ganze Wochenende über haben erst die Finanzminister und dann die Staats- und Regierungschefs der Eurozone in der Griechenland-Krise nach einer Lösung gesucht. Am Morgen dauerten die Verhandlungen immer noch an.
Hauptgrund dafür ist, dass die Euro-Gruppe tief gespalten ist. Genauer gesagt gibt es eine Unwucht in der vielbeschworenen deutsch-französischen Achse. Mehr noch: Deutschland steht eigentlich stellvertretend für den harten Kurs. Demgegenüber hat sich Frankreich an die Spitze der Länder gestellt, die den strengen Sparkurs innerhalb der Europäischen Union abschwächen wollen. "Die Griechische Krise spaltet Europa in Nord und Süd", analysiert De Morgen.
Griechenland spaltet Europa
Es sind allenfalls noch die "Unvereinigten Staaten von Europa" beklagen Het Nieuwsblad und L'Avenir. Hier haben sich Bruchlinien aufgetan, die niemand für möglich gehalten hat, meint Het Nieuwsblad. Die deutsch-französische Achse, die lange Zeit der Garant für die europäische Zusammenarbeit war, hat eine ernsthafte Havarie erlitten. Französische Zeitungen zweifeln am guten Willen der Deutschen. So deutlich war Europa noch selten zweigeteilt. Das Ganze übersteigt längst das Grundproblem Griechenland. Die Fliehkräfte innerhalb der EU sind inzwischen beängstigend stark.
Europa wirkt mehr denn je wie ein ungeordneter Haufen, notiert auch L'Avenir. Das Resultat dieser Kakophonie ist eine Katastrophe. Mehr denn je üben sich die einzelnen Mitgliedsstaaten in einer Nabelschau-Parade. Dieser nationale Egozentrismus ist der schlimmste Feind des europäischen Einheitsgedankens.
Nach dem desaströsen Schauspiel der letzten Tage kann man das Wort "Union" getrost weglassen, glaubt auch La Libre Belgique. Es hat sich gezeigt: Solange alles gut läuft, schwadroniert man über Solidarität. Geht es dann um Geld, dann ist sich jeder selbst der Nächste. Dann wird sich auch schon mal gegenseitig niedergetrampelt. In jedem Fall braucht Europa nicht einmal mehr seine Gegner, um sich zu diskreditieren. Frau Le Pen könnte es nicht besser machen. Und der Totentanz wird weitergehen. Spätestens, wenn die Briten ihr Referendum abhalten.
"Totale Unterwerfung"
Griechenland und seinen Bürgern droht derweil eine neue Rosskur. "Tsipras muss weiter bluten", titelt De Standaard. "Tsipras muss zu Kreuze kriechen", schreibt sogar Het Belang van Limburg. So wie es aussieht, wird sich Athen in jedem Fall neuen Bedingungen beugen müssen, die nochmal deutlich strikter sind als bisher. Griechenland bittet ja um ein drittes Hilfspaket mit einem Gesamtvolumen von über 80 Milliarden Euro. Als Gegenleistung verlangen die übrigen Euro-Staaten aber eine Reihe von Reformen, die mitunter sogar sofort auf die Schienen gesetzt werden müssten. Unter anderem soll auch ein Privatisierungsfonds eingerichtet werden. Das wäre ein externes Gremium, das dann die längst verlangten Privatisierungen von griechischen Staatsbetrieben abwickeln sollte. "Merkel legt die Griechen in Ketten", notiert denn auch Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite. "Griechenland steht wohl schon bald unter Vormundschaft", analysiert auch Le Soir. "Die Griechen stehen noch stärker unter Druck", stellt denn auch Het Laatste Nieuws auf Seite eins fest. Zuvor hatten nämlich die Euro-Finanzminister eine Drohkulisse aufgebaut: Ein zeitlich befristeter Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone wurde nicht mehr ausgeschlossen.
De Morgen spricht in diesem Zusammenhang von einer "feindlichen Übernahme". Die Autonomie Griechenlands wird quasi vollständig aufgehoben. So soll das Parlament in Athen bis Mittwoch schon eine Reihe von Reformgesetzen verabschieden. Mit einem normalen demokratischen Prozess hat das nichts zu tun. Außerdem will Europa an den Griechen vorbei den Ausverkauf des Staatseigentums betreiben. Im Prinzip müsste man das Land umbenennen in: Der Staat, der früher mal als Griechenland bekannt war.
Auch Het Laatste Nieuws spricht von "totaler Unterwerfung". Alexis Tsipras hat mit seinem Referendum wohl eine Pirouette zu viel gedreht und den Bogen überspannt. Nicht zu vergessen sein heftiger Flirt mit Wladimir Putin in Moskau. Dafür soll jetzt sein Land de facto unter Vormundschaft gestellt werden. Nach derzeitigen Plänen soll ein Privatisierungsfonds eingerichtet werden nach dem Vorbild der Treuhand, die die DDR-Industrie nach der Wende privatisierte.
"Verzockt"
All das hat sich Tsipras aber in erster Linie aber selbst zuzuschreiben, stellt Het Belang van Limburg fest. Ein halbes Jahr lang hat der griechische Ministerpräsident mit seiner Zockerseele und seiner offen zur Schau gestellten Arroganz die Partner zur Weißglut gebracht. Als er dann auf der Ziellinie einen Kompromissvorschlag ablehnte und postwendend ein Referendum ausrief, war dann der Bock fett. Da darf man sich jedenfalls nicht wundern, wenn die Geldgeber den Griechen nichts mehr glauben. Schaut man sich die Bedingungen an, die jetzt auf dem Tisch liegen, dann stellt sich allerdings die Frage, ob die Euro-Staaten nicht einen Regierungswechsel in Athen erzwingen wollen.
Le Soir schließlich stellt sich die Frage, welchem Lager sich eigentlich Belgien angeschlossen hatte. Man kann nur feststellen, dass die Schwedische Koalition seit ihrem Amtsantritt vor einem dreiviertel Jahr oft wie Angela Merkel geklungen hat, manchmal sogar wie Wolfgang Schäuble. Im Grunde passt das ja auch zum Credo der Mitte-Rechts-Koalition: ein entschlossener Spar- und Reformkurs, um das Land fit für die Zukunft zu machen. Ob diese Politik Früchte tragen wird, bleibt abzuwarten. Da sind ernste Zweifel erlaubt.
Roger Pint - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)