Wenig überraschend kennen die Zeitungen einen Tag vor der Volksabstimmung wieder nur ein Thema: Griechenland. Besonderes Augenmerk gilt der Spaltung der Bevölkerung in "Oxi"- und "Nai"-Befürworter. Der Blick richtet sich aber auch darauf, wie ein wie auch immer geartetes Ergebnis bewertet werden sollte.
"Oxi oder Nai?", titelt De Standaard. Het Belang van Limburg dreht die Frage um: "Nai oder Oxi?". Soviel Griechisch hat ja inzwischen jeder gelernt. Die Frage aller Fragen lautet morgen: Sagen die Griechen beim Referendum "Ja" oder "Nein" zu den Spar- und Reformauflagen der Geldgeber?
"Die Griechen haben ein Rendez-vous mit der Geschichte", notiert La Libre Belgique auf Seite eins. Das Blatt bringt gleich 16 Sonderseiten zu dem Thema. "Die Entscheidung liegt bei den Griechen", so auch die unheilvolle Schlagzeile von Le Soir. Das Ergebnis des Referendums am Sonntag werde folgenreich sein, nicht nur für die Zukunft Griechenlands, sondern auch für die der Europäischen Union.
"Ein Referendum, zwei Länder", so fasst L'Echo die Stimmungslage in Griechenland zusammen. Laut Umfragen sind beide Lager quasi gleichauf; die Bevölkerung ist tief gespalten.
Reiche Griechen: "Bei einem 'Nein' hauen wir ab"
Einige Blätter sehen einen Grund dafür in den sozialen Ungleichheiten des Landes: Die Armen tendieren eher zum "Nein", die Reichen wollen den Euro behalten. Apropos Reiche: Het Nieuwsblad und Het Laatste Nieuws haben einige von ihnen besucht. "Von wegen Krise, diese Griechen feiern von morgens bis abends", so der Befund von Het Laatste Nieuws. Dieses "andere Griechenland" wird morgen seine abgeschirmten Villen verlassen, um mit "Ja" zu stimmen, glaubt Het Nieuwsblad. Sollte am Ende das "Nein"-Lager gewinnen, dann werden sie an Bord Ihrer Jachten schnellstens das Weite suchen. "Man kann doch nicht von den Milliardären erwarten, dass sie für die Schulden des Landes aufkommen", zitiert die Zeitung einen von ihnen.
Bei diesem Panik-Referendum stehen sich im Grunde zwei urmenschliche Emotionen gegenüber, meint Het Belang van Limburg. Auf der einen Seite die Wut, die meisterhaft von der Regierung Tsipras geschürt wird. Syriza zieht da ganz klar die nationalistische Karte. Auf der anderen Seite: Das Lager der Angst. Die wird auch von außen befeuert, aus Brüssel, Straßburg und Den Haag. Die EU-Verantwortlichen bombardierten Athen mit düsteren Warnungen vor einem "Nein" bei der morgigen Abstimmung. Dabei vergessen alle Beteiligten, dass sie gleichermaßen am Abgrund stehen: In erster Linie Griechenland, aber auch die EU, deren Glaubwürdigkeit immer weiter erodiert.
Die "Schlafwandler"
Für De Morgen verhalten sich alle Protagonisten wie Schlafwandler. Das ist ein Verweis auf das gleichnamige Buch des Historikers Christopher Clark. Dessen These: Die politischen Führer Europas sind 1914 kopflos in den Ersten Weltkrieg gestolpert. Diesmal sprechen wir vielleicht nicht von Krieg, meint die Zeitung. Doch auch diesmal ist man in eine heillose, existentielle Krise geschlittert, die zu vermeiden gewesen wäre. Dabei ist offensichtlich nichts mehr heilig: Sowohl der deutsche Bundesfinanzminister Schäuble als auch EU-Parlamentspräsident Schulz wünschten sich beide mehr oder weniger offen einen Regimewechsel in Athen. Soviel zum Thema "Demokratie".
Die EU-Verantwortlichen haben dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras noch in die Karten gespielt, glaubt auch De Standaard. Es gab zudem nicht ein einziges Appetithäppchen für die griechische Bevölkerung, nach dem Motto: Stimmt mit "Ja", und wir kommen Euch entgegen". Da muss man sich nicht wundern, wenn ein Volk am Ende Europa den Mittelfinger zeigt. Sollte doch eine Mehrheit mit "Ja" stimmen, dann bedeutet das, dass die Erpressung das letzte bisschen Stolz erdrückt hat. Europa verhält sich hier wie eine unterdrückende Übermacht.
Einige Zeitungen warnen vor der Gefahr einer nachhaltigen Spaltung Griechenlands. Es geht ein Riss durch die Bevölkerung, beklagt L'Echo. Und diese Polarisierung hat längst auch auf Teile des übrigen Europas übergegriffen. Dieses Referendum ist Irrsinn, hätte nie organisiert werden dürfen. Im Grunde haben die Geldgeber Tsipras aber in diese Zwangslage gebracht. Hätte er die Bedingungen der Gläubiger akzeptiert, dann hätte er auch gleich zurücktreten können. Die Geldgeber wollten es aber mit allen Mitteln vermeiden, Tsipras auch nur ein kleines Stück entgegenzukommen; dies, um potentielle Nachahmungstäter abzuschrecken. Resultat: Europa verstrickt sich in einen ideologischen Grabenkampf.
Referendum nicht zur Gretchenfrage machen!
Das Referendum kann man so eigentlich nicht stattfinden lassen, analysiert La Libre Belgique. Angefangen damit, dass sich die Frage, die dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird, gar nicht mehr stellt. Ob nun das Ja- oder das Nein-Lager am Ende siegen, im Grunde gibt es danach ohnehin nur eine einzige mögliche Alternative: Man muss wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren. Und die Geldgeber müssen einsehen, dass man den Griechen nicht endlos weiter Anstrengungen abverlangen kann. Undenkbar ist und bleibt, dass die Blockade am Ende zu einem Grexit führt. Dann hätte das griechische Volk nämlich umsonst gelitten.
Auch Het Laatste Nieuws warnt davor, die Volksbefragung zu einer Gretchenfrage hochzustilisieren. Gerade weil beide Lager quasi gleichauf liegen, kann man doch nicht einer so knappen Entscheidung ein solches Gewicht geben. Hinzu kommt: Ein simples "Ja" oder "Nein" gibt keinerlei Auskunft über die in beiden Lagern vorhandenen Grauzonen. Es kann nur ein Rezept geben: Griechenland braucht in Sachen politischer Kultur und Bürgersinn einen Zeitenwechsel. Und bis der nicht eingeleitet ist, steckt Europa sein Geld in ein Fass ohne Boden. Man muss Tsipras zu Reformen zwingen, dabei aber den Song des belgischen Sängers Arno im Hinterkopf haben: Nous sommes quand même tous des Européens.
Paasch: "Ich bin kein Nationalist"
La Libre Belgique bringt ein großes Interview mit dem DG-Ministerpräsidenten Oliver Paasch. "Im Falle einer siebten Staatsreform werden wir den Status einer Region einfordern", diese Aussage hebt die Zeitung als Headline hervor. Anlass für das Interview ist die Übertragung der restlichen Zuständigkeiten für den Bereich Beschäftigung von Namur nach Eupen. La Libre Belgique scheint immer noch mit der ProDG, der Partei des Ministerpräsidenten, zu fremdeln: "Sind Sie ein Nationalist?", fragt die Zeitung. Die Antwort von Oliver Paasch: "Mit Sicherheit nicht. Die ProDG ist vergleichbar mit einer Sammelliste auf kommunaler Ebene nach dem Vorbild etwa der 'Gemeindeinteressen'".