"Wie konnte es so weit kommen?", titelt Le Soir. "Der Vertrauensbruch zwischen Athen und Brüssel sorgt schon jetzt für Schaden", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Die Griechenland-Krise spitzt sich immer weiter zu. Heute wird das Land wohl seine Staatspleite offiziell besiegeln. Der Grund steht auf Seite eins von Het Belang van Limburg: "Athen wird dem IWF die fällige Rate nicht bezahlen", so die Schlagzeile. Im Prinzip wäre Griechenland damit definitiv zahlungsunfähig. Frisches Geld von den Gläubigern wird es ja erst einmal nicht geben.
Bevor die Dinge in Bewegung geraten, wird man aber erst noch das Referendum abwarten. Am kommenden Sonntag sollen die Griechen über die verlangten Sparmaßnahmen und Reformen abstimmen.
"Referendum bedeutet Entscheidung zwischen Euro und Drachme"
Die EU-Verantwortlichen und auch allen voran die deutsche Regierung haben das Referendum aber schon umgedeutet, wie viele Zeitungen meinen. Gleich wie die Frage im Detail lauten wird: "Die Griechen müssen sich entscheiden zwischen dem Euro und der Drachme", schreibt De Standaard auf Seite eins. Als erster hatte EU- Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Volksbefragung in Griechenland in den Rang einer Gretchenfrage erhoben. Die Griechen müssten in jedem Fall "Ja" sagen, denn nur das wäre ein eindeutiges Bekenntnis zum Euro und letztlich zu Europa. La Libre Belgique spricht vom "Gegenangriff" des Kommissionspräsidenten. "Juncker schaltet sich in die Kampagne für ein 'Ja' ein", notiert auch Le Soir.
Man kann das aber auch anders sehen: "Europa macht sich stark für ein 'Nein' gegen Tsipras", schreibt L'Echo auf Seite eins. Es ist ja so: Die griechische Regierung empfiehlt ihren Bürgern, die Reform- und Sparvorschläge abzulehnen. Sollte die Bevölkerung doch zustimmen, dann würde Ministerpräsident Alexis Tsipras damit also desavouiert. Für diesen Fall hat er auch schon seinen Rücktritt angekündigt.
Das Ganze sorgt jedenfalls für eine "enorme europäische Kakophonie", bemerkt Het Nieuwsblad.
La Libre Belgique reibt sich die Augen. "Was, in Gottes Namen, ist denn hier los?" Das schönste politische Projekt der Nachkriegszeit, das Frieden und Wohlstand sichern sollte, ist zum Symbol für Egoismus und Austerität verkommen. Die Union ist nicht einmal mehr dazu im Stande, eines ihrer kleinsten Mitglieder zu retten. Natürlich haben die Griechen mit ihrem arroganten Auftreten auch einen eigenen Beitrag zu der Tragödie geleistet. Offensichtlich haben in dieser Sache alle den Kompass verloren. Europa bringt die Menschen nicht mehr zum träumen, beklagt La Libre Belgique.
EU: "erbärmlich", "niederträchtig", "hat nichts kapiert"
Europa ist zu einer Gemeinschaft von Buchhaltern und Gerichtsvollziehern verkommen, kritisiert seinerseits De Standaard. Merken die Geldgeber nicht, dass Syriza letztlich ihr Geschöpf ist? Tsipras konnte nur an die Macht kommen, weil die bisherigen Spar- und Reformauflagen Griechenland ins Elend gestürzt haben. Und wenn die EU-Granden das Referendum vom Sonntag jetzt auf die Frage "Pro oder contra Europa" reduzieren, dann ist das der Beweis, dass sie immer noch nichts kapiert haben.
Der Auftritt von Jean-Claude Juncker am Montag war selten pathetisch, meint Het Laatste Nieuws. Der 60-jährige Juncker, der dem 40-jährigen Tsipras die Leviten liest. Das erinnerte an einen klassischen Vater-Sohn-Konflikt: Papa Juncker erwartete mehr Dankbarkeit, Sohn Alexis fühlt sich missverstanden und schließt sich in seinem Zimmer ein.
L'Echo denkt dieses Bild zu Ende: Der EU-Kommissionspräsident führt sich wie ein Patriarch auf, der droht, den Sohn zu verstoßen, wenn er weiter Widerworte gibt. Damit sind wir endgültig tief gefallen. Für Europa wird es schon immer schwieriger, erhobenen Hauptes aus der Geschichte herauszukommen. Einfach nur erbärmlich.
Juncker bewegt sich auf dünnem Eis, glaubt auch Le Soir. Durch sein flammendes Plädoyer für ein "Ja" beim griechischen Referendum und seine beißende Kritik an der Regierung Tsipras hat der Kommissionspräsident die eigentlich gebotene Neutralität aufgegeben. Juncker hat sich auf die Seite der Geldgeber gestellt, verkennt dabei aber, dass die Griechen zumindest in einem Punkt Recht hatten: Die griechische Staatsschuld ist so nicht haltbar, sie erdrückt das Land. Hier geht es durchaus um mehr als nur die Frage "Pro oder contra Euro".
De Morgen nennt das Referendum denn auch eine "teuflische Wahl". Und die Art und Weise, wie man jetzt mit Tsipras umgeht, ist niederträchtig. Klar: Es ist der Grieche, der über die Klippe gesprungen ist. Dahin geschoben haben ihn aber EU und IWF. Das Blut klebt an den Händen von Wolfgang Schäuble, Jeroen Dijsselbloem und Christine Lagarde. Es reichte nicht, die griechischen Rebellen in die Knie zu zwingen, man musste ihnen auch noch die Hose herunterziehen, wettert De Morgen.
"Griechenland wird zum Venezuela Europas"
La Dernière Heure sieht das genau umgekehrt: Griechenland ist dabei, zum Venezuela Europas zu werden. Die Regierung in Athen führt sich auf wie ein wildgewordener Desperado. Das Ganze ist aber gepaart mit einer galoppierenden Inkompetenz.
Der Appell von Het Nieuwsblad wirkt da fast schon verzweifelt: Gibt es vielleicht noch jemanden, der die totale Konfrontation verhindern kann? Man kann doch jetzt nicht hingehen und einem improvisierten Referendum eine solche Bedeutung beimessen. Es ist vollkommen idiotisch, wenn man so tut, als wäre ein Grexit nicht mehr als ein Stein im Schuh. Hier geht es um viel mehr. Hier geht es um das europäische Projekt, die europäische Seele, die europäische Zukunft.
Sitzen... und schwitzen
"Sieben Jahre irrtümlich im Gefängnis", schreibt unter anderem Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Die Geschichte ist schon ziemlich unglaublich. Ein Mann musste sich 2008 wegen des mutmaßlichen Diebstahls eines Navigationsgerätes vor Gericht verantworten. Der 38- Jährige wurde freigesprochen, weil der Richter ihn für unzurechnungsfähig hielt. Nichtsdestotrotz wurde er aber wieder ins Gefängnis zurückgebracht und in der psychiatrischen Abteilung interniert. Dass der Mann irrtümlich festgehalten wurde, kam erst vor Kurzem durch Zufall heraus.
"Heute ist weiter das große Schwitzen angesagt", so schließlich die Aufmachergeschichte von L'Avenir. Es soll ja die ganze Woche über weit mehr als 30 Grad warm werden. Auf der Titelseite von Gazet van Antwerpen sieht man Jugendliche, die in einem Brunnen Abkühlung suchen. La Dernière Heure verspricht "die besten Tipps, um der Hitze zu entkommen".
Roger Pint - Bild: Julien Warnand (afp)