"Schwarzer Freitag", titeln gleichlautend La Libre Belgique und Le Soir. Het Nieuwsblad spricht auf seiner Titelseite von einem "blutigen Freitag".
Gleich drei Attentate auf drei Kontinenten haben gestern die Welt erschüttert. In Frankreich gab es in der Nähe von Lyon eine Attacke auf eine Fabrik, die Industriegase herstellt. Die Täter haben offenbar versucht, das Werk in die Luft zu jagen. Dieser Plan scheiterte; allerdings wurde am Tatort die Leiche eines enthaupteten Mannes entdeckt.
De Morgen sieht darin eindeutig die Handschrift der islamistischen Terrorgruppe IS. Bei dem Opfer handelt es sich um einen örtlichen Firmenchef. Gazet Van Antwerpen fasst zusammen: "Unternehmer geköpft, Anschlag vereitelt". "Frankreich erlebt den terroristischen Horror aufs Neue", notiert L'Echo. Die dramatischen Ereignisse um Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt in Paris liegen ja erst ein halbes Jahr zurück.
In Kuwait gab es gestern ebenfalls einen verheerenden Anschlag. Dort sprengte sich ein Selbstmordattentäter in einer schiitischen Moschee in die Luft. Es gab mindestens 27 Tote und dutzende Verletzte.
Tod beim Sonnenbaden
Und auch im tunesischen Badeort Sousse schlug der Terror zu. Vor einem Touristenhotel schoss ein Mann am Strand wild um sich. Die erschütternde Bilanz: mindestens 38 Tote und dutzende Verletzte. "Erschossen beim Sonnenbaden", titelt denn auch Het Laatste Nieuws. "Tod in den Ferien", schreibt Het Belang Van Limburg auf Seite eins.
Viele Zeitungen bringen Augenzeugenberichte vom Ort des Geschehens. "Der Schütze sah aus wie ein normaler Tourist", sagt ein Belgier in Het Nieuwsblad. Offenbar hatte er sein Sturmgewehr in einem Sonnenschirm versteckt. "Ich habe noch nie in meinem Leben so gezittert", sagt eine Frau.
Die belgischen Urlauber werden im Moment eilig aus Tunesien ausgeflogen. Ohnehin hat das Außenministerium inzwischen eine Reisewarnung für das nordafrikanische Land herausgegeben. Resultat: "10.000 Reisen musste allein der Tour Operator Thomas Cook annullieren", berichtet Het Laatste Nieuws. 10.000 Belgier müssen sich jetzt also ein neues Urlaubsziel suchen.
Drei Anschläge auf drei Kontinenten, das sorgt für ernüchternde Schlagzeilen. "Terrorismus ist überall", schreibt De Standaard. "Barbarei ohne Grenzen", so formuliert es auch die Zeitung L'Echo. "Terror ohne Ende", meint L'Avenir auf Seite eins.
Viele Zeitungen mutmaßen, dass die gestrige Serie kein Zufall ist. Die islamistische Terrororganisation IS hatte weltweit zu Anschlägen aufgerufen; zunächst wegen des islamischen Fastenmonats Ramadans; darüber hinaus ist es aber bald ein Jahr her, dass IS das Kalifat ausgerufen hat.
Das bringt De Morgen auf seiner Titelseite eins zu einer beängstigenden Feststellung: "Terrorexperten befürchten einen gefährlichen Sommer", schreibt das Blatt. Das Problem ist, das Terrorismus zu einer "Do it yourself- Geschichte" geworden ist, meint ein Fachmann. Man braucht dafür keine zentrale Planung. Und es muss nur ein "einsamer Wolf" irgendwann zuschlagen, um gleich wieder Angst und Schrecken zu sähen... "Wir sind wieder im Bann des Terrors", schreibt denn auch Gazet van Antwerpen.
Katastrophe in Tunesien
In allen Leitartikeln steht zunächst das Entsetzen im Vordergrund. Irgendwie wird man von einem flauen Gefühl erfasst, meint etwa Le Soir. Eine Mischung aus Abscheu und Niedergeschlagenheit. Das brutale Töten geht weiter. Man ist nirgendwo mehr sicher. Morgen kann der Terror anderswo zuschlagen. Für Tunesien ist der gestrige Anschlag jetzt schon eine Katastrophe. Und das ist wohl so gewollt. Nicht nur, dass der Arabische Frühling in Tunesien begann, es war auch das einzige Land, wo die Öffnung hätte gelingen können.
Die Terroristen haben es in Tunesien auf alles abgesehen: Die Politik, die Kultur und die Wirtschaft, analysiert La Libre Belgique. Erst die Attacke auf das Bardo-Museum in Tunis. Und jetzt treffen die Terroristen mit dem Tourismus einen Eckpfeiler der Wirtschaft ins Herz. Die Tunesier müssen jetzt aber trotz dieser Tragödien standhaft bleiben. Und wir sollten Tunesien auf seinem Weg zur Demokratie weiter unterstützen.
IS, die Terror-AG
Drei Anschläge an einem Tag, da stellt sich die Frage, ob die Aktionen koordiniert waren. Der Verdacht liegt nahe, glaubt De Standaard. Vor fast genau einem Jahr hat sich der Chef der Terrormiliz IS al-Baghdadi selbst zum Führer des neuen Kalifats, des Islamischen Staats, ausgerufen. Und dieser Islamische Staat tötet jeden, der nicht so denkt wie die Fanatiker. Ihr Ziel ist deutlich: IS will Feindschaft sähen zwischen Sunniten und Schiiten, Moslems und Juden, Moslems und Christen. In diese Falle dürfen wir nicht tappen.
Ob es ein Mastermind hinter den Anschlägen gibt oder nicht, da muss man sich die Frage stellen, was einem lieber ist, meint Het Nieuwsblad. Drei koordinierte Anschläge quasi zur selben Zeit auf drei Kontinenten, klar wäre das beängstigend. Das würde darauf hindeuten, wie mächtig IS inzwischen ist. Die Vorstellung, dass drei fanatisierte einsame Wölfe unabhängig voneinander zur Tat geschritten sind, die ist allerdings nicht viel angenehmer. Ihr Ziel haben die Terroristen ohnehin erreicht: Sie sorgen für allgemeinen Terror. In Tunesien hat jedenfalls ein Mann auch dem Tourismus den Gnadenstoß gegeben.
IS hat den Terror noch unvorhersehbarer gemacht, meint De Morgen. Die Funktionsweise ist erschreckend modern. Die Organisation hat sämtliche Zwischenstrukturen ausgeschaltet. Im Grunde gibt es nur die zentrale Führung und ein Heer von, man könnte sagen, Freelancern.
Angst vor der Angst
Drei Attentate haben wir gestern gesehen, aber es war die Feigheit, die dreimal zugeschlagen, meint L'Echo. Und es werden wohl nicht die letzten Attentate sein. Diese Bedrohung ist nämlich nur schwer zu bekämpfen und einzudämmen. Und Gewalt alleine reicht auch nicht. Vielmehr müssen wir in unseren Gesellschaften wieder die gemeinsamen demokratischen Werte herausarbeiten und hervorheben. Das ist die effizienteste Antwort auf diejenigen, die uns und unseren Jugendlichen eine offenbarte Wahrheit vordiktieren wollen.
Und noch in einem weiteren Punkt sind sich alle Leitartikler einig: Wir dürfen uns nicht auf das Spiel der Terroristen einlassen. Sie wollen einen Keil in unsere Gesellschaften treiben. Sie wollen, dass man Moslems gegenüber Zurückhaltung oder gar Hass empfindet, warnt De Morgen. Die Muslime in unserer Mitte haben aber ein Recht auf ein Leben ohne Generalverdacht, glaubt De Standaard.
Wir müssen wachsam sein, resümiert Het Nieuwsblad. Wachsam zunächst mit Blick auf den Schutz der Bürger. Wachsam aber auch in Bezug auf die Angst in uns. Genau diese Angst wollen die Terroristen weiter schüren. Und genau von dieser Angst dürfen wir uns nicht besiegen lassen.
Roger Pint - Foto: Kenzo Tribouillard/AFP