"Belgier verlieren Kontrolle über Delhaize", titelt Le Soir. "Von Holländern über den Tisch gezogen", schreibt Het Laatste Nieuws. La Dernière Heure fasst es so zusammen: "Ahold hat den Delhaize-Löwen geschluckt".
Die neue Konzernleitung der niederländischen Warenhauskette Ahold und des belgischen Supermarktbetreibers Delhaize sprach am Mittwoch zwar von einer Fusion, einem "Zusammenschluss auf Augenhöhe". Das bezweifeln die Zeitungen aber. L'Echo befürchtet, dass die Belgier in der Gruppe den Kürzeren ziehen werden. Ahold hält 61 Prozent der Anteile an dem neuen Supermarktriesen. Damit dürften die internen Kräfteverhältnisse geklärt sein.
Obwohl die Direktion den Arbeitnehmern eine Jobgarantie gegeben hat, machen sich die Gewerkschaften in Belgien große Sorgen. Die Angst ist nicht unbegründet, bemerkt Het Nieuwsblad. Gazet Van Antwerpen führt aus: Langfristig könnten wohl die Logistikzentren der neuen Gruppe an einem Standort in Benelux zusammengelegt werden. Weil der Arbeitsmarkt in den Niederlanden deutlich flexibler ist und die Lohnkosten geringer sind, dürfte klar sein, wohin das Pendel schlägt.
Belgier über den Tisch gezogen?
Für L'Echo hat der Zusammenschluss aus belgischer Sicht einen weiteren, bitteren Beigeschmack. Es drohen nicht nur Arbeitsplatzverluste. Die belgischen Aktionäre werden gegenüber den niederländischen Investoren gar doppelt benachteiligt. Der Umtauschkurs für die Delhaize-Aktie ist nicht der beste. Und bei der Ausschüttung einer Dividende werden jetzt zweimal Steuern fällig, weil der neue Konzern seinen Hauptsitz in den Niederlanden hat.
Nur einer dürfte von der Elefantenhochzeit profitieren, meint La Libre Belgique: nämlich wir Verbraucher. Durch ihre Größe wird die Ahold-Delhaize-Gruppe günstiger einkaufen können. Die Preise in den Supermärkten werden sinken, auch weil der Wettbewerb mit den Konkurrenten in Benelux zunehmen dürfte. Für die hiesigen Lebensmittelhersteller ist das aber keine gute Neuigkeit: Sie müssen sich auf noch härtere Verhandlungen mit den Supermarktketten einstellen. Der neue Ahold-Delhaize-Konzern, das sind immerhin 6.500 Geschäfte in der Welt, 375.000 Mitarbeiter und mehr als 50 Millionen Kunden pro Woche.
"Made in Belgium" hat es schwer
Le Soir hält fest: Dass Delhaize verkauft würde, stand wegen der schlechten Ertragsfähigkeit schon länger in den Sternen. Und wieder verliert Belgien ein Schmuckstück, meint die Zeitung. Tractebel, Petrofina, Electrabel, GB, BBL und Fortis - die Liste ist lang. Namhafte Ausnahme: Der Brauriese AB InBev erobert die Bierwelt immer noch von seinem historischen Standort in Löwen aus. La Libre Belgique fügt hinzu: Im Gegensatz zu anderen kleineren Ländern wie die Niederlande oder die Schweiz, hat der offene Kapitalismus "Made in Belgium" es bedeutend schwerer.
Die Zeitungen berichten ebenfalls über den Verkauf von Fußball-Erstligist Standard Lüttich. Vizepräsident Bruno Venanzi hat Roland Duchâtelet den Verein für einen nicht genannten Betrag abgekauft. Venanzi erfüllt sich damit einen Kindheitstraum, bemerkt L'Echo. Wie La Dernière Heure berichtet, ist für die Standard Lüttich-Fans jetzt endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Der verhasste Vereinsvorsitzende Duchâtelet mit seinen umstrittenen Entscheidungen ist endlich weg aus Sclessin.
Wer hat das Sagen: Politik oder Justiz?
"Grüne Gerechtigkeit", titelt De Morgen. Ein Gericht in Den Haag hat den niederländischen Staat dazu verurteilt, mehr gegen die Folgen des Klimawandels zu tun und seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Der Richter ordnete dem Land an, seinen CO2-Ausstoß bis Ende 2020 um mindestens ein Viertel gegenüber den Werten von 1990 zu senken. Ein überraschendes, historisches und zugleich einzigartiges Urteil, findet die Zeitung. Das Gericht weist die Politik in die Schranken sowie auf ihre Verantwortung gegenüber den Bürgern und der Umwelt hin. Die Niederlande sind mal wieder Vorreiter, schreibt Het Belang Van Limburg.
Geklagt hatte eine Vereinigung von Umweltschützern und besorgten Bürgern. In Belgien läuft ein ähnliches Verfahren vor Gericht. Die Umweltschützer hierzulande schöpfen jetzt Hoffnung. De Standaard ist aber skeptisch: Ist es die Rolle der Justiz, Politik zu machen? Auch Het Laatste Nieuws findet: Richter, die das Koalitionsabkommen eigenhändig abändern, mögen zwar eine gute Sache für die Umwelt tun, der Demokratie erweisen sie damit aber einen Bärendienst. Richtern fehlt nämlich die demokratische Legitimität.
"Umweltschutz ist keine Nebensache"
Het Nieuwsblad meint: Das darf aber keine Ausrede für die Politik sein, in Sachen Umweltschutz nachlässig zu werden. Gerade Belgien hängt seinen Verpflichtungen meilenweit hinterher. Oft wird behauptet, Umweltschutz kollidiere mit Wirtschaftsinteressen. Das mag zwar stimmen. Aber wenn Ihr Sohn bei der Matheprüfung durchfällt, lassen Sie doch auch nicht als Ausrede gelten, dass er noch für Französisch, Geschichte und Biologie lernen musste. Um weiter zu kommen, muss man eben jedes Fach bestehen.
Alain Kniebs - Bild: Saskia Grimmelprez (belga)