"D-Day für Griechenland", titelt Het Nieuwsblad. "Das Pokerspiel endet heute", schreibt La Libre Belgique. Und Het Belang van Limburg fragt auf Seite eins: "Einigung oder Katastrophe?"
Beim Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel geht es heute um alles oder nichts. Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras hat den Geldgebern gestern eine neue Reformliste zukommen lassen. Athen bewegt sich und ist zu Zugeständnissen bereit, was werden Merkel, Hollande und Co jetzt tun?, fragt sich De Standaard. Die Zeitung fasst außerdem zusammen, worum es heute geht: Endet der Sondergipfel ohne Grundsatzeinigung, dann steuert Griechenland auf die Staatspleite und den Austritt aus dem Euro zu.
Eurozone am Scheideweg
Le Soir meint, dass die Eurozone am Scheideweg steht: Entweder schrumpft sie heute, oder es ist mehr Zusammenarbeit nötig. Denn diese Lehre können wir bereits ziehen: Eine gemeinsame Währung ist ohne gemeinsame Wirtschafts- und Haushaltspolitik nicht möglich. La Libre Belgique findet das Verhalten der griechischen Regierung arrogant und nervig. Zwar sind Tsipras, Varoufakis und Co nicht für die Sünden ihrer Vorgänger verantwortlich, dennoch versteht die Zeitung nicht, warum sie, angesichts ihrer aussichtslosen Lage, noch so großspurig auftreten.
In diesem Zusammenhang kritisiert Het Nieuwsblad das jüngste Treffen zwischen Tsipras und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin: Das bringt die öffentliche Meinung in Europa nur noch mehr gegen Griechenland auf. Beide Blätter stellen, genau wie De Morgen, aber auch die Politik der Geldgeber in Frage. Der kleine Mann in Griechenland hat sich die vielen Hundert Hilfsmilliarden nicht in die eigene Tasche gesteckt. Das Geld ist nach Athen geflossen, um Banken zu retten: französische, britische, belgische, aber vor allem deutsche, die sich in der griechischen Schuldenkrise verzockt hatten. Das sollten die Gläubiger bei den Verhandlungen bedenken und dem griechischen Volk etwas mehr Achtung entgegen bringen. Das heißt aber nicht, dass man die griechische Führung mit Samthandschuhen anfassen muss.
Belgien ist auf alle Griechenland-Szenarien vorbereitet
"Belgien bereitet sich auf alles vor - auch auf einen Grexit", titelt Het Laatste Nieuws. Laut Finanzminister Johan Van Overtveldt haben die Behörden bereits Vorsorgemaßnahmen gegen mögliche Auswirkungen der Griechenlandkrise getroffen. Die sieben Milliarden Euro, die Belgien Griechenland im Rahmen der europäischen Hilfsprogramme geliehen hat, werden wir ohnehin nicht mehr wieder sehen, sagen einige Finanzexperten voraus.
Trotzdem hält Het Laatste Nieuws einen Grexit für die denkbar schlechteste Lösung. Er würde Tür und Tor zum Austritt anderer Staaten aus dem Euro oder der Europäischen Union öffnen: Großbritannien, Ungarn und andere EU-kritische Länder könnten den Aufstand gegen Brüssel proben, die Union schwächen und zum reinen Wirtschaftsraum degradieren. Das wäre die Rückkehr zu den Nationalstaaten, was uns alle zu Verlierern machen würde.
"Wer Griechenland rettet, der rettet Europa"
Auch Het Belang van Limburg findet es bemerkenswert, wie leichtfertig manche Politiker das Wort "Grexit" in den Mund nehmen. Käme es tatsächlich zum Austritt Griechenlands aus der Eurozone, wäre das ein fatales Signal der Schwäche des Euros an die internationalen Finanzmärkte. Das Blatt ruft Europas Politiker dazu auf, gesunden Menschenverstand an den Tag zu legen: Wer Griechenland rettet, der rettet Europa. Lieber für Hellas zahlen, als es den Russen oder Chinesen zu überlassen, meint Het Belang van Limburg.
Gazet van Antwerpen hält fest: Die griechische Krise macht deutlich, wie dringend Belgien den Tax-Shift braucht. Angesichts unseres hohen Schuldenbergs ist unser Land im Falle von neuen Turbulenzen an den Finanzmärkten besonders angreifbar. De Standaard ist aber überzeugt, dass es die Mittelklasse sein wird, die die Kosten der Steuerreform tragen wird. Das kann aber durchaus vertretbar sein, wenn die Steuergelder vorrangig dazu genutzt werden, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Rentenreform, Senioren-Boom und belgische Medaillen in Baku
De Morgen berichtet über die Rente mit 67. Heute will die Mitte-Rechts-Regierung ihr Vorhaben vom zuständigen Kammerausschuss verabschieden lassen. Allerdings hat der Staatsrat erhebliche Bedenken, was den Gesetzesvorschlag betrifft. Vor allem die ungleiche Behandlung unterschiedlicher Berufsgruppen wird als problematisch angesehen. Rentenminister Daniel Bacquelaine verspricht Nachbesserungen. Die Rente mit 67 soll 2030 in Kraft treten.
Laut L'Avenir ist die Wallonie nicht auf den zu erwartenden Senioren-Boom vorbereitet. Es fehlt vor allem an Altenheim- und Pflegeplätzen. Das Blatt prophezeit: Angesichts der bisherigen Untätigkeit muss man wohl mit dem Schlimmsten rechnen.
Fast alle Zeitungen berichten über die inzwischen sieben belgischen Medaillen bei den Europäischen Spielen in Baku. Bemerkenswert: Das belgische Akrobatik-Trio hat Gold gegen die starken Russinnen geholt. Und das, obwohl sie noch im Finale der Fernsehsendung "Belgium's Got Talent" ausgeschieden waren.
Alain Kniebs - Karikatur: Tine