Nach dem Rücktritt der Leterme-Regierung äußert die belgische Presse in ihren Schlagzeilen Entrüstung, Enttäuschung und Sorge um die Zukunft.
De Morgen schreibt: Belgien steckt in der totalen Sackgasse. Für Le Soir ist Belgien total gelähmt. Het Laatste Nieuws sieht „das Land am Abgrund“. Vers l'Avenir warnt: „Morgen das Chaos“ und La Derniere Heure bittet den König: „Sire, wir verlassen uns auf Sie“.
Le Soir schreibt in seinem Leitartikel: Die Politiker dieses Landes haben die Wahl zwischen der Pest - nämlich, um jeden Preis aus der Krise zu geraten - und der Cholera der Neuwahlen. Die staatsmännische Gesinnung gebietet, alles zu tun, um die Cholera zu vermeiden. Besonders im augenblicklichen europäischen Chaos. Die Finanzmärkte testen die europäischen Staaten. Der Rücktritt der Regierung könnte Belgien in eine Finanzlage bringen, die die Märkte unerbittlich ausnutzen würden. Dann ist es zu spät, zum König zu laufen.
Vers l'Avenir behauptet: Belgien steht am Rande des Abgrunds. Die VLD ist gesprungen und alle sprangen hinterher. Gestern glaubte man, der König könnte noch eine Lösung aus dem Hut zaubern, oder dass eine alternative föderale Mehrheit die Rettung wäre. Doch heute wird man wahrscheinlich Neuwahlen ankündigen.
De Tijd ist anderer Ansicht. Um mit dem Immobilismus fertig zu werden, braucht man keine Notlösungen, sondern einen Neubeginn. Der kurze Schmerz von Neuwahlen ist allen künstlichen Konstruktionen vorzuziehen, mit denen man viel Zeit verliert.
Het Belang van Limburg meint: Man kann Gift darauf nehmen, dass mehrere flämische Oppositionsparteien Donnerstag die BHV-Spaltung auf die Tagesordnung der Kammer setzen wollen. Dann muss die CD&V Farbe bekennen. Stimmt sie dagegen, ist das Verrat an den eigenen Forderungen und an ihrem Wahlversprechen. Stimmt sie mit den anderen flämischen Parteien, ist das eine Abstimmung Flamen gegen Frankophone und ein definitiver Vertrauensbruch. Neuwahlen im Juni sind nicht mehr zu vermeiden.
Het Laatste Nieuws fragt: Ist das jetzt eine Regime-Krise? Wir haben wahrscheinlich einen neuen Tiefpunkt bei den Konfrontationen zwischen Flamen und Wallonen erreicht. Bei den vorigen Konflikten kam später eine große Staatsreform heraus. Das müsste auch diesmal möglich sein. Wir brauchen keine Notregierung. In einem demokratischen System gibt es einen Ausweg, nämlich, die Entscheidung dem Wähler zu überlassen.
Gazet Van Antwerpen beschuldigt den MR-Vorsitzenden Reynders, das Land in ein Abenteuer gestürzt zu haben, das schwerwiegende Folgen haben kann. Verfassungswidrige Wahlen, Spekulationen gegen belgische Obligationen mit erhöhten Zinssätzen, Prestigeverlust beim EU-Vorsitz … das alles für ein paar Stimmen von Bürgern, die in Flandern wohnen, doch das Recht beanspruchen, französisch bedient zu werden.
De Morgen kommentiert: Wer heute für diese Krise verantwortlich ist und wer den Schwarzen Peter bekommt, die VLD oder die Frankophonen, ist eine theoretische Frage. Diese Regierung war die schlechteste seit dem zweiten Weltkrieg. Die Lösung für die BHV-Problematikk ist in weite Ferne gerückt. Neuwahlen werden radikaleren Parteien mehr Gewicht geben. Damit trägt man Bart Dewever und Olivier Maingain in einem Sessel zum Wahlsieg. Die dramatischste Folge ist aber, dass die Politiker keine Idee haben, wie sie die Probleme lösen sollen, und damit die Anti-Politik schüren.
De Standaard unterstreicht: Die politischen Führer haben versagt. Man erwartet von ihnen, dass sie die Gegensätze überwinden. Sie mussten Kanäle finden, um das Vertrauen wieder herzustellen. Sie sind auf den Abgrund zugegangen und schoben die Schuld dem anderen zu. Jetzt stehen sie nackt vor dem Wähler. Nach Neuwahlen hat man noch weniger Möglichkeiten für eine föderale Verständigung. Die CD&V steht mit leeren Händen da. Sie hat sowohl ihren flämischen als auch ihren Ruf des guten Verwalters preisgegeben.
La Libre Belgique findet: es ist dramatisch. Die Regierung musste bleiben, um die Wirtschaft- und Sozialpolitik zu regeln und den EU-Vorsitz zu führen. Sie ist aus politischen Gründen gefallen. Es ist einfach, zu zerstören und viel schwieriger, wieder aufzubauen.
Het Nieuwsblad behauptet; Nach vier Regierungen, Monaten Krise, drei Jahren Immobilismus, Misstrauen und unerfüllten Versprechen ist es an der Zeit, die Meinung der Wähler einzuholen. Ob es danach besser wird, weiß niemand. Doch viel schlimmer kann es nicht werden.
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