"Abiturprüfung: das große Chaos", titelt Le Soir. "Geschichtsprüfung annulliert", schreibt L'Avenir auf Seite eins.
Im frankophonen Landesteil herrscht helle Aufregung, nachdem einige Fragen der Abiturprüfung im Internet aufgetaucht waren. In der Französischen Gemeinschaft gibt es in diesem Jahr erstmals am Ende des Abiturjahres eine große Prüfungsreihe. Die Examen sind für alle Schüler in allen Schulen dieselben. Theoretisch dürfen die Prüfungsunterlagen erst eine Stunde vor Beginn des Examens ausgepackt werden. Offensichtlich gab es da eine undichte Stelle: Mindestens eine Frage wurde auf Facebook veröffentlicht. Auf Anordnung der zuständigen CDH-Unterrichtsministerin Jöelle Milquet wurde daraufhin die für heute vorgesehene Geschichtsprüfung komplett annulliert. Le Soir spricht in diesem Zusammenhang von einem "Fiasko".
Französische Gemeinschaft: "monumentaler Patzer"
In dieser Geschichte gibt es nur Verlierer, meint auch La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Zunächst die Schulen, die wegen der Abiturprüfung auf einen Teil ihrer Autonomie verzichtet haben. Auch die Lehrer, deren Anstrengungen in diesem Jahr wohl umsonst waren. Am meisten zu bedauern sind aber die Schüler selbst, die für einmal die Chance gehabt hätten, anonym und allein auf der Grundlage ihrer Leistungen beurteilt zu werden.
Das Unterrichtswesen war schon krank, aber das ist der traurige Höhepunkt, beklagt auch La Dernière Heure. Das eigentlich Tragische an dieser Geschichte ist die Tatsache, dass das System offensichtlich von innen attackiert wurde, ausgerechnet von denen, die die Schule eigentlich gestalten sollen.
L'Avenir spricht seinerseits von einem monumentalen "Patzer". Die Premiere der Abiturprüfungen ist gehörig daneben gegangen. Und verantwortlich dafür ist eindeutig die Ministerin, die es versäumt hat, drastische Vertraulichkeitsregeln durchzusetzen. Anscheinend waren auch schon Teile des Französischexamens in sozialen Netzwerken aufgetaucht. Es steht also zu befürchten, dass diese Reifeprüfung am Ende eine Schwemme von Einsprüchen zur Folge haben wird.
Hypnose entlarvt Täter
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute auch mit einem bemerkenswerten Gerichtsurteil. Das Strafgericht von Brügge hat einen ehemaligen Notar wegen einer brutalen Vergewaltigung zu zehn Jahren Haft verurteilt, und das allein auf Grundlage von Aussagen, die das Opfer unter Hypnose gemacht hat. "Notar durch Hypnose überführt", schreibt denn auch La Dernière Heure.
"Vergewaltiger unter Hypnose entlarvt", notieren Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad. Die junge Frau konnte sich an nichts mehr erinnern, hatte die tragischen Ereignisse offensichtlich vollständig verdrängt. Einem Hypnotiseur ist es dann aber gelungen, die 19-Jährige in die Situation zurückzuversetzen. Dass diese Aussagen letztlich zu einer Verurteilung geführt haben, ist in Belgien und sogar in Europa einzigartig, berichtet La Dernière Heure.
Blackout: Hilfe aus Kenia?
"Kenianische Hilfe gegen den Blackout in Belgien", so die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Selbst die Laufzeitverlängerung von Doel 1 und 2 reicht demnach nicht aus, um in einem kalten Winter für ausreichend Strom zu sorgen. Deswegen denkt man darüber nach, Stromgeneratoren aus Kenia einzuführen. Die könnten dann auf dem Gelände der früheren Ford-Werke in Genk aufgebaut werden. Im Raum steht auch die mögliche Nutzung von schwimmenden Kraftwerken, so genannte Strombooten, aus der Türkei.
"Jetzt schlägt es aber dreizehn", wettert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Wenn man am Ende in Kenia oder in der Türkei nach Lösungen suchen muss, also in Ländern, die nun wirklich nicht für ihre Versorgungssicherheit bekannt sind, dann sind wir tief gefallen. Natürlich trägt die derzeitige Föderalregierung nicht die alleinige Schuld an dem belgischen Stromdebakel. Allerdings wird man den Eindruck nicht los, dass Energieministerin Marie-Christine Marghem auch nicht die richtige Frau ist, die für eine Schubumkehr sorgen kann.
Griechenland: Es geht nicht ums Geld!
Viele Blätter werfen schließlich auch einen bangen Blick auf Griechenland. "Es ist wieder eine dieser entscheidenden Wochen", bemerkt De Morgen auf Seite eins. "Die Märkte verlieren ihre Hoffnung für Griechenland", so auch die Schlagzeile von L'Echo.
Am Sonntag war der Dialogfaden zwischen Griechenland und seinen Geldgebern gerissen. Beide Seiten machen sich gegenseitig für den Abbruch der Verhandlungen verantwortlich. Damit rückt ein möglicher Grexit, also ein Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone, wieder in den Bereich des Wahrscheinlichen. Wie De Morgen berichtet, hat man auch längst damit begonnen, die möglichen finanziellen Auswirkungen durchzuspielen. Nach Berechnungen der ING-Bank würde ein Grexit jeden Belgier im Durchschnitt 600 Euro kosten.
Es geht hier um alles, aber nicht um Geld, glaubt L'Echo in seinem Kommentar. Glaubt man der EU-Kommission, dann geht es bei dem Streit mit Athen nach dem letzten Stand gerade noch um zwei Milliarden Euro. Da kann uns doch keiner weismachen, dass ein Land am Ende wegen zwei Milliarden eine Staatspleite riskiert. Und genauso wenig würde eine Währungsunion für ein solches Sümmchen ihre mögliche Selbstauflösung einläuten. Nein, hier geht es wohl nur noch ums Prinzip. Bei dem brandgefährlichen Spiel steht allein die Frage im Mittelpunkt, wer das letzte Wort hat.
De Standaard sieht das ähnlich. Die EU will hier offensichtlich keinen Präzedenzfall schaffen. Man will kein Signal geben, nach dem Motto: Man muss nur für radikale Linksparteien stimmen und dann in Brüssel auf stur schalten, um am Ende ein Aufweichen des Sparkurses zu erreichen. Dieses Beispiel könnte in anderen Krisenstaaten sehr schnell Schule machen. Die Europäer sollten aber nicht vergessen, dass es hier längst auch um Geopolitik geht. Die EU hat kein Interesse daran, Griechenland am Ende in die Arme Russland zu treiben.
Bild: Bruno Fahy (belga)