Ein Großteil der belgischen Tageszeitungen kommt auf das Rundtischgespräch von Arbeitsminister Kris Peeters mit den Sozialpartnern zurück. Dabei ging es vor allem darum, wie die längere Arbeitszeit auch für jeden machbar sein soll.
La Libre Belgique fordert in ihrem Kommentar "Arbeit nach Maß".
Unser Lebensstil ändert sich. Und damit auch unsere Art zu arbeiten, unsere Kinder zu erziehen, unsere Freizeit zu gestalten. In einigen Jahren werden wir länger arbeiten müssen. Weil unsere Lebenserwartung steigt und wir vermeiden müssen, dass die junge Generation unter den Lasten der Pensionen für die Älteren erdrückt wird. Arbeitsminister Kris Peeters hat gut daran getan, die Debatte einer maßgeschneiderten Arbeit zu lancieren.
In diesem Bereich hat unser Land bereits einen großen Rückstand. Die Gewerkschaften haben Unrecht, wenn sie die Arbeitslosigkeit der Jungen und das Weiterarbeiten der Älteren gegeneinander ausspielen, als ob die einen den anderen die Arbeit stehlen. In den nördlichen Ländern Europas ist die Jugendarbeitslosigkeit am niedrigsten. Zum einen, weil die Ausbildung den Anforderungen des Arbeitsmarkts angepasst wurde, zum anderen, weil die Karriereenden flexibel gestaltet werden können, analysiert La Libre Belgique.
Flexibilität tut not
Auch Le Soir meint: Die Entscheidung von Kris Peeters, die Arbeitsmodalitäten zu überdenken, kann man nur begrüßen. Die gesellschaftlichen Entwicklungen fordern eine Modernisierung der Arbeitsorganisation. Die Sozialpartner damit zu beauftragen, ist weise. Den Ball an die Sozialpartner zu spielen, räumt Hindernisse aus dem Weg und garantiert das notwendige Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessen, meint Le Soir.
L'Echo kommt auf die Rolle der Gewerkschaften zurück. Sie hatten das Rundtischgespräch boykottiert. Die Zeitung mutmaßt, es sei gar nicht sicher, ob die Flexibilität bei der Arbeitszeit von den Arbeitnehmern überhaupt abgelehnt wird. Die Idee, seine Arbeitszeit eigenständig, ohne fixe Stundenpläne, gestalten zu können, gefällt vielen Arbeitnehmern. Die Gewerkschaften hatten zwar Recht, die Alarmglocke zu läuten. Diese Flexibilität muss beschränkt werden, damit es nicht zu Exzessen kommt. Sie darf aber nicht als Ganzes verworfen werden. L'Echo glaubt, dass diese Flexibilität den Arbeitsstress reduzieren kann. Deshalb sollte sie nicht allein der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dienen, so die Zeitung.
Ist Freizeit wirklich noch frei?
De Morgen geht in diesem Rahmen näher auf das Thema "Burn-out" ein. Die Zunahme von Burn-outs hat wenig zu tun mit dem tatsächlichen Arbeitsdruck, sondern damit, wie wir mit ihm umgehen. Der Gedanke, dass in einer sich schnell wandelnden Welt selbst harte Arbeit keinen stabilen und befriedigenden Job garantiert, führt zu Angst und Erschöpfung. Auch in der Freizeit überwiegt das "Müssen".
Ein gutes Buch ist ein "Must read", eine spannende TV-Serie ein "Must see" und eine neue Platte ein "Must hear". Jeden Tag gibt es eine neue Sensation, die wir nicht verpassen dürfen. Und so stehen wir, freiwillig, aber gestresst, in der Schlange, um alle dieselbe Ausstellung, dieselben Pandas oder dasselbe Smartphone zu bewundern. Die Frage ist nicht, ob wir genügend Freizeit haben, sondern, ob sie auch wirklich frei ist, stellt De Morgen in den Raum.
De Wever kann das Giften nicht lassen
Die meisten flämischen Tageszeitungen beschäftigen sich mit Bart De Wever. Der N-VA-Chef und Bürgermeister von Antwerpen hatte mit seinen Giftpfeilen in Richtung Pieter De Crem, seines Zeichens Staatssekretär für Außenhandel, erneut für Knatsch in der Regierungskoalition gesorgt. Bei seinem Besuch in New York stellte er sich laut die Frage, was Pieter De Crem wohl den ganzen Tag so tue.
Gazet van Antwerpen kommentiert: Eigentlich sollte er im fernen New York seine Stadt Antwerpen promoten. Aber De Wever kann scheinbar nicht nur Bürgermeister sein. Er wollte vor allem betonen, dass er auch Vorsitzender der größten Partei des Landes ist. En passant verhöhnte er Koalitionspartner CD&V, indem er suggerierte, dass der Staatssekretär für Außenhandel nur geschaffen wurde, um Pieter de Crem ein Pöstchen zu geben. Im Kern der Sache hat De Wever nicht Unrecht. Aber seine Partei hatte dem zugestimmt. Deshalb ist es nicht besonders kollegial, dies im Ausland zur Diskussion zu stellen.
N-VA und CD&V: Wer braucht da noch eine Opposition?
Auch Het Laatste Nieuws kritisiert die Art und Weise. Der N-VA-Vorsitzende hatte damals nicht protestiert. Es ist deshalb auch heute nicht an ihm, in der Wunde zu stochern und die Nutzlosigkeit von De Crem noch einmal extra hervorzuheben. Es ist eine Ohrfeige, die man selbst dem ärgsten Feind nicht wünscht.
Für CD&V und N-VA gilt: Wer so einen Koalitionspartner hat, der braucht keine Opposition. De Crem hat bei der Postenverteilung kein Portefeuille bekommen, sondern eine leere Dose. Das weiß die CD&V, und das weiß er selbst auch. Als Kris Peeters und Koen Geens bedient waren, blieben für ihn nur die Krümel übrig. Da macht er nun das Beste draus, so wie ein Koch, der aus den Resten im Kühlschrank noch einen Salat zaubert.
Foto: Nicolas Maeterlinck (belga)