"Gent schreibt Geschichte", titelt Gazet Van Antwerpen. Auch Het Belang Van Limburg, Le Soir und L'Avenir benutzen das Wort "historisch" auf ihrer Titelseite. La Dernière Heure bringt ein Wortspiel: "giGENTisch".
AA Gent ist seit Donnerstagabend Fußballlandesmeister. Nach ihrem Sieg gegen Standard Lüttich am vorletzten Spieltag der Play-Offs sind die Buffalos nicht mehr einzuholen. Und dieser Titel sei "mehr als verdient", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
Auf ausnahmslos allen Titelseiten sieht man also jubelnde Spieler und Fans in blau. Vor allem die flämischen Zeitungen bringen zudem ausgewachsene Fotostrecken. Dieser Erfolg ist nämlich ein ganz besonderer: Es ist der erste Landesmeistertitel für Gent in der Vereinsgeschichte, die immerhin schon 115 Jahre dauert. "Gent ist jetzt ein echter Spitzenclub", schreibt denn auch Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
"Heute sind wir alle Buffalos", meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Gleich welchen Verein man nun denn bevorzugt, man kann eigentlich nur Sympathie für AA Gent haben. Der Landesmeistertitel ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Im Grunde hat der Fußballclub einen genauso langen Weg hinter sich wie die Stadt: Beide haben sich aufgerappelt. Erfolgsrezept war in beiden Fällen Entschlossenheit gepaart mit gesundem Menschenverstand.
Vom Sockel gestoßen
"Die N-VA degradiert ihre eigene Galionsfigur", titelt derweil Het Nieuwsblad. Die Rede ist von der Staatssekretärin Elke Sleurs. Sie ist ab sofort nicht mehr für Betrugsbekämpfung zuständig. Der Bereich wurde dem N-VA-Finanzminister Johan Van Overtveldt übertragen. Offiziell hieß es zur Begründung, man wolle eine Optimierung der Zuständigkeiten, um eine effizientere Politik führen zu können. Het Laatste Nieuws hat eine andere Lesart: "Die N-VA erlöst Elke Sleurs von ihren Leiden".
Het Nieuwsblad teilt diese Analyse: Warum in Gottes Namen hat man der unbedarften Ärztin ein so hartes, technisches, komplexes Ressort gegeben? Am Anfang zielte die Personalie wohl noch darauf ab, die Basis der Liberalen und auch der N-VA zu beruhigen, nach dem Motto: Die fiskale Hexenjagd aus der Zeit der Di-Rupo-Regierung ist vorbei. Inzwischen hat sich das Blatt aber gewendet. Plötzlich will die Regierung den Eindruck aus der Welt schaffen, sie sei nur für die Reichen da. Und damit war schnell klar, dass Elke Sleurs, die total überfordert war, weichen musste.
Le Soir sieht das ähnlich. Elke Sleurs stand in gewisser Weise stellvertretend für den Verdacht der Opposition, dass diese Regierung es mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht wirklich ernst meinte. Und dies verstärkt auch das Gefühl der Ungerechtigkeit, die ohnehin von Opposition und Gewerkschaften angeprangert wird. Jetzt übernimmt der äußerst effiziente und mächtige Finanzminister Van Overtveldt die Materie. Mal schauen, ob die Bekämpfung der Steuerhinterziehung bald mehr sein wird als nur ein bloßes Feigenblatt.
"Madame Sans-Gêne" überzeugt nicht
Aber auch ein anderes Regierungsmitglied steht derzeit im Kreuzfeuer der Kritik: Energieministerin Marie-Christine Marghem musste am Donnerstag im Parlament Rede und Antwort stehen, nachdem die Opposition ihr vorgeworfen hatte, gelogen zu haben. Die Antworten haben die Opposition aber nicht wirklich überzeugt. "Marghem gibt nicht nach", konstatiert De Standaard. "Marghem glättet die Wogen aber die Unklarheiten bleiben", schreibt auch Le Soir. Deswegen auch die knallharte Forderung von CDH-Chef Benoît Lutgen auf Seite eins von Le Soir: Marghem muss die Akte entzogen werden.
Auch viele Leitartikler gehen mit der Ministerin hart ins Gericht. Die Regierung wird wohl in ihren Reihen diese "Madame Sans-Gêne" noch etwas ertragen müssen, frotzelt De Morgen, eine Frau ohne Hemmungen. Es wäre doch gar nicht so schwer gewesen, dem Parlament schlicht und einfach nur die Wahrheit zu sagen. Stattdessen glaubt Marghem, falsch verstanden worden zu sein, was wohl ihrem Temperament geschuldet sei. Im Zusammenhang mit einer so heiklen Materie wie der nuklearen Sicherheit hat Temperament aber keinen Platz, erst recht nicht, wenn das dazu führt, dass die Wahrheit unterschlagen oder verdreht wird.
Das Schauspiel am Donnerstag in der Kammer war schlicht und einfach ernüchternd, meint auch La Libre Belgique. Mit ihren Halbwahrheiten, Weglassungen und Ungenauigkeiten hat Marie-Christine Marghem ein ohnehin schon sensibles Dossier um eine Chaos-Komponente erweitert. Sie hat sich aber damit selbst in den Fuß geschossen. Das Vertrauen ist dahin, und genau das ist gerade in puncto Energieversorgung und auch bei der nuklearen Sicherheit von zentraler Bedeutung.
Deswegen sollte die Regierung die Gesetzesvorschläge zur Laufzeitverlängerung von Doel 1 und Doel 2 zurückziehen, fordert Het Belang Van Limburg. Man könnte dann die Zeit nutzen, eine wirkliche Vision für die Energieversorgung der Zukunft zu entwickeln.
Ahnungslose Dilettanten
Het Laatste Nieuws nimmt den Wirbel um Marie-Christine Marghem und Elke Sleurs zum Anlass für einen beißenden Kommentar. Dieses Land verdient mehr als nur eine Handvoll Dilettanten, die bei der Eidesleistung noch nicht realisiert haben, wofür sie von da an zuständig sind. Der Pöstchenpoker nach Koalitionsverhandlungen sorgt immer wieder für absurde Personalentscheidungen.
Elke Sleurs hatte erwiesenermaßen keinen Schimmer von Betrugsbekämpfung und Marie-Christine Marghem mag vom Justizministerium geträumt zu haben, um dann aber in einem Energie-Albtraum aufzuwachen. Die wenigstens haben jedenfalls das Glück, ein Ressort zu übernehmen, in dem sie sich wirklich auskennen. Es stimmt schon: Einige Politiker drücken auf Knöpfe, von denen sie keine Ahnung haben.
Bild: Yorick Jansens (belga)