"Kopf-an-Kopf-Rennen in Großbritannien", titelt L'Echo. "Cameron gegen Miliband", schreibt Le Soir. "Dem Vereinigten Königreich drohen politisches Chaos und Unregierbarkeit", prophezeit De Morgen auf Seite eins. La Libre Belgique titelt: "Die Versuchungen einer Insel - Warum die britischen Wahlen für ganz Europa entscheidend sind".
In Großbritannien finden heute Parlamentswahlen statt - wohl die spannendsten seit Jahrzehnten, berichten die Zeitungen. De Morgen warnt: Wenn weder die Konservativen vom scheidenden Premierminister David Cameron noch die Sozialdemokraten von Herausforderer Ed Miliband eine Mehrheit zustande bekommen, dann droht den Briten eine politische Schlammschlacht mit ungewissem Ausgang. Eine wichtige Rolle werden die kleineren Parteien spielen: die EU-feindliche UKIP und die schottische Nationalpartei SNP. Diese könnte zwar den Sozialdemokraten Miliband zum Regierungschef machen, wird dafür aber einen hohen Preis verlangen, notiert De Standaard. Möglicherweise die Aussicht auf die Unabhängigkeit Schottlands. Der Weg zur Spaltung Großbritanniens würde dann offen stehen.
Hat hingegen Cameron die Nase vorn und muss mit dem Europa-Hasser Nigel Farage von der britischen Unabhängigkeitsbewegung UKIP koalieren, dann bewegt sich Großbritannien auf den "Brexit" zu, dem Ausscheiden aus der Europäischen Union, bemerkt L'Echo. Ohnehin hat Cameron den Briten, sollte er die Wahl gewinnen, ein Referendum über den Verbleib in der EU für spätestens 2017 versprochen.
"Brexit" käme Belgien am teuersten zu stehen
Ein solches Szenario würde Europa teuer zu stehen kommen, warnt De Morgen. Auf dem Festland wäre der britische Alleingang allen voran für Belgien besonders schmerzhaft. Durch seine geographische Lage und die Nähe zu London ist unser Land nämlich besonders den Gefahren des "Brexit" ausgesetzt, so De Morgen. Belgien gilt als Transitland und Drehscheibe für den Handel von und nach Großbritannien. Wäre das Vereinigte Königreich nicht mehr dabei, dann würde jeder Belgier einer Studie zufolge pro Jahr 324 Euro an Kaufkraft verlieren - die höchsten Einbußen in der ganzen EU. Dazu müsste Belgien, genau wie die anderen Mitgliedsstaaten, einen deutlich höheren Beitrag an die EU leisten.
Le Soir meint: Wenn die Briten unbedingt den Alleingang wollen, dann sollen sie eben 'Russisch Roulette' spielen. Aber das ständige Erpressen der EU-Partner und der Brüsseler Institutionen muss ein Ende haben.
De Standaard fügt hinzu: Das Land auf der anderen Seite des Ärmelkanals war immer schon ein launisches Mitglied der EU - spätestens seitdem Margaret Thatcher "ihr Geld" zurückforderte.
Het Nieuwsblad findet: Die Briten müssen sich entscheiden. Entweder will Großbritannien eine nostalgische Insel sein, die ihrem alten Imperium hinterhertrauert, oder das Land siedelt sich in der Gegenwart an und nimmt endlich an der echten Welt teil.
"EU darf sich nicht weiter von den Briten erpressen lassen"
L'Echo bemerkt: Die Europäische Union muss aufhören, mit angezogener Handbremse Politik zu machen. Das ist äußerst schädlich. Die EU benötigt neuen Elan. Am liebsten mit den Briten, schreibt das Blatt, aber nicht zwingend. Wenn London nicht mehr will, dann soll es gehen. Es darf aber nicht weiter die gesamte EU als Geisel nehmen. L'Echo hat auch schon die passende Lösung: der Europäische Wirtschaftsraum. Ähnlich wie Island, Liechtenstein und Norwegen könnte Großbritannien dann vom freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr profitieren, ohne dafür die EU-Flagge hissen zu müssen.
La Libre Belgique zieht folgendes Fazit am Tag der Wahl: Nie zuvor hat das Vereinigte Königreich seinen Namen so zu unrecht getragen. In Wahrheit ist es nämlich ein zutiefst gespaltenes Land, das "unvereinigte Königreich". Es gibt zahlreiche Brüche: Konservative gegen Reformer, der reiche Süden gegen den verwahrlosten Norden, England gegen Schottland und EU-Befürworter gegen Europa-Skeptiker.
De Wever: "Kollaboration war entsetzlicher Fehler"
"Die Kollaboration war ein entsetzlicher Fehler", titelt Het Laatste Nieuws und zitiert N-VA-Chef Bart De Wever. Bei einer jüdischen Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich De Wever am Mittwochabend in Antwerpen deutlich von den Kollaborateuren, auch in seiner eigenen Familie, distanziert. "Es ist ein schwarzes Kapitel in der Geschichte der flämischen Bewegung. Das dürfen wir nie vergessen und er kann unter keinen Umständen schöngeredet werden", so De Wever.
De Morgen begrüßt die Einsicht des N-VA-Politikers und spricht von einem historischen Wendepunkt: Solch deutliche Worte hat noch nie ein flämischer Nationalist gefunden, um die Kollaboration seiner Vorfahren mit den Nazis im Zweiten Weltkrieg zu beschreiben. Die Zeitung findet: Man kann für oder gegen Bart De Wever sein, mit seiner beeindruckenden Rede hat er jedenfalls bewiesen, dass er ein großer Politiker ist.
Bild: Glyn Kirk (afp)