"Die MR überholt die PS in der Wallonie", titelt Le Soir. "Die SP.A. wird genauso groß wie die CD&V", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Das jüngste Politbarometer von Le Soir und RTL-TVi sorgt heute für Diskussionsstoff. In der Wallonie gibt es demnach die wohl spektakulärste Entwicklung: Die Talfahrt der PS dauert an. Im Vergleich zur letzten Wahl im Mai 2014 büßen die Sozialisten mehr als sechs Prozentpunkte ein. Die MR kann demgegenüber leichte Gewinne verzeichnen. Resultat: Die Liberalen werden ganz knapp zur stärksten politischen Kraft in der Wallonie. In Brüssel können die Sozialisten die Verluste noch so gerade in Grenzen halten und bleiben stärkste Kraft.
In Flandern muss man zunächst feststellen, dass alle Regierungsparteien Verluste einstecken müssen. Die N-VA büßt vier Punkte ein, landet aber immer noch bei 28 Prozent. Die CD&V verliert ihrerseits drei Prozent und wird von der SP.A überholt.
PS im freien Fall
"Aber Vorsicht", warnt Le Soir. Es ist immer noch "nur" eine Umfrage. Und doch dürften die Ergebnisse in einigen Parteizentralen für mächtig Unruhe sorgen. Die PS ist offensichtlich im freien Fall; und für die MR kommt plötzlich ein bis vor Kurzem unerreichbarer Heiliger Gral in Reichweite. Die Sozialisten wissen nach wie vor nicht, wie sie sich positionieren sollen. Dauerkritik reicht nicht, wenn man selbst keine wirkliche Vision hat. Auf der anderen Seite müssen die Liberalen aufpassen, dass sie bei allem Überschwang nicht den Boden unter den Füßen verlieren. Beide Parteien haben aber zumindest ein gemeinsames Problem: Sie müssen den Bürger wieder für die Politik begeistern.
MR behauptet sich, PTB wittert Morgenluft
Die Regierung bekommt vielleicht kein Spitzenzeugnis, bemerkt Het Nieuwsblad. Und doch gibt es insbesondere für Premierminister Charles Michel eine Reihe von Lichtblicken. Wichtigste Erkenntnis: Für seine MR scheint die Rechnung erstmal aufgegangen zu sein. Die Unkenrufe, die vor einer alleinigen Regierungsbeteiligung der MR auf frankophoner Seite gewarnt hatten, sie sind verstummt. Und bei der PS scheint sich zugleich eine Führungskrise abzuzeichnen. Und noch eine Erkenntnis: N-VA und CD&V werden wohl vor allem deshalb abgestraft, weil sie in den letzten sechs Monaten nichts anderes getan haben, als sich permanent zu streiten.
Und noch einer wittert Morgenluft: Die kommunistische PTB von Raoul Hedebouw erzielt in der Umfrage stolze 8,5 Prozent in der Wallonie. "Wir haben die politische Linke aufgeweckt", triumphiert Hedebouw in L'Echo. "Bei uns klopfen immer mehr PS-Mitglieder an, die sich mit der Linie ihrer Partei nicht mehr identifizieren können", fügt der PTB-Sprecher hinzu.
Versöhnungs-Appell an PS und MR
Hier wirft auch schon der 1. Mai seine Schatten voraus. In diesen Kontext bettet sich auch der Appell auf Seite eins von La Libre Belgique ein. Zwei Altmeister von PS und MR rufen ihre Parteien zur Versöhnung auf. "Es ist wichtig, dass PS und MR zumindest miteinander reden können", sagt der ehemalige PS-Föderalminister Jean-Pascal Labille. "Denn früher oder später werden Sozialisten und Liberale wieder zusammenarbeiten müssen", fügt MR-Urgestein Louis Michel hinzu.
Dieser Appell kommt nicht von ungefähr, bemerkt Le Soir. Die Beziehungen zwischen der MR und im Grunde allen anderen frankophonen Parteien sind auf dem Nullpunkt. Dabei hatte man vor exakt vier Jahren eben aus diesem Grund den damaligen Parteichef Didier Reynders gestürzt, weil man ihm die Schuld für die faktische Isolation der Liberalen gab. Jetzt stellt man fest: In der Ära Charles Michel hat sich nichts verändert.
Gibt es am 1. Mai etwas zu feiern?
"Noch einmal auf den 1. Mai zurückgekommen: Gibt es da am Freitag eigentlich etwas zu feiern?", fragt sich De Morgen. Bei den Sozialisten jedenfalls dürfte die Stimmung doch ziemlich gedämpft sein. Das gilt insbesondere für sie sozialistische Gewerkschaft FGTB, die die Mehrheit der Bevölkerung offensichtlich nicht mehr erreicht, sondern eigentlich nur noch polarisiert. Man kann nur feststellen, dass die Linken es nicht schaffen, sich auf die Herausforderungen der heutigen Zeit einzustellen.
Genau da hakt auch De Standaard ein. Der Tag der Arbeit muss mehr sein als nur ein Gedenken an den Kampf für die Rechte der Arbeiter, an die Durchsetzung des Acht-Stunden-Tages oder des bezahlten Urlaubs. Die Zeiten haben sich radikal geändert. Die rasanten technologischen Entwicklungen sorgen dafür, dass die klassischen Industriejobs mehr und mehr verschwinden. Man darf am 1. Mai an die sozialen Errungenschaften erinnern, wenn man denn an den übrigen 364 Tagen nach vorne blickt.
"Betriebsausflug" für 100.000 Euro
Sechzig FGTB-Metaller werden bekanntlich den 1. Mai auf Kuba begehen. Das hatte die Zeitung L'Avenir am Mittwoch schon ans Licht gebracht. Heute bringt das Blatt die Fortsetzung der Geschichte auf seiner Titelseite: "Die Rechnung bezahlen die Mitglieder", so die Schlagzeile. Demnach werden die Kosten für den Kuba-Trip von der FGTB-Kasse übernommen, alles inklusive. Laut L'Avenir spricht man hier von mindestens 100.000 Euro.
Pikantes Detail: Ein FGTB-Metaller aus Namur hat das Angebot besagter Kuba-Reise ausgeschlagen. Begründung: Er könne, gerade in diesen Krisenzeiten, so etwas moralisch nicht vertreten.
Bild: Eric Vidal (belga)